11. Kapitel

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★Ben★

Ich merke, wie angespannt Marco neben mir ist und greife nach seiner Hand, die er zu einer festen Faust geformt hat.
Meine Finger gleiten zwischen seine und ich lege unsere Hände auf der Ablage zwischen Fahrer- und Beifahrersitz ab.

Es hat 5 Jahre gebraucht, bis Marco mir erlaubt hat, sein Cabrio zu fahren, doch selbst er musste sich eingestehen, dass es einfach sicherer ist, wenn ich fahre.

Er hat einfach eine zu geringe Aufmerksamkeitsspanne.
Es regt mich auf, wenn er auf dem Lenkrad herumtrommelt und während dem Fahren zu Songs im Radio tanzt, obwohl er das heute mit Sicherheit nicht tun würde, da er einfach nicht in der Stimmung dazu ist. Er ist nervös wegen der Testamentsverlesung von Onkel Richard.
Ich verstehe ehrlich gesagt auch nicht so recht, was das soll...

Je länger ich Marcos Hand halte und über seinen Daumen streichele, desto ruhiger wird er.
Nach einer Zeit lehnt er sich zu mir rüber, kuschelt sich an meinen Arm und drückt mir hin und wieder Küsse auf den Oberarm.

„Das wird schon" Ich versuche zu lächeln und meine Stimme aufmunternd klingen zu lassen, doch eigentlich geht es mir nicht wirklich besser als ihm.

Ich werde bestimmt auf Mitglieder meiner Familie treffen. Und das wird nicht spaßig werden. Sie hassen mich alle. Und ich hasse sie.

„Benny", murmelt Marco.
Ich frage mit einem „Mh?", was er mir sagen will und er löst sich wieder leicht von mir, um meinen Handrücken mit seinen Lippen zu berühren.

„Ich liebe dich"

Nun legt sich ein ehrliches Lächeln auf meine Lippen, weil mein Herz jedes Mal einen Sprung macht, wenn er das sagt. „Ich dich auch, Marco"

Ich werfe ihm einen kurzen Seitenblick zu und erkenne ebenfalls sein leichtes Lächeln.

Dann streckt er sich zu mir und küsst meine Wange.
Als er damit fertig ist, löst er sich aber nicht von mir, sondern will mir etwas ins Ohr flüstern.

„Ich hoffe du weißt, wie geil du in diesem Hemd aussiehst", haucht er mir zu und streicht wie als Bestätigung über meine Brust.
Ich muss leicht lachen.

Das weinrote Hemd hat er mir mal gekauft und eigentlich ist es auch mein Lieblingskleidungsstück nach seinem Badman Hoodie.

Marco meinte aber, damit ich nicht so spießig aussehe, muss ich es bis zu den Ellbogen hoch krempeln und die Knöpfe offenlassen, bis man meine Brust sieht.

Natürlich hab ich das gemacht, immerhin will ich ihm ja gefallen. Außerdem kommt so die Halskette besser zur Geltung, die er mir geschenkt hat und sich perfekt zwischen meine Brustmuskeln schmiegt.

Ich drehe den Kopf leicht zur Seite und spitze die Lippen, damit Marco merkt, dass ich ihn küssen will.
Er streckt sich vor und kommt meinem Wunsch nach.

„Heute Morgen auf dem Sofa...", meint er, als er sich wieder zurücklehnt und seine Hand mit meiner verschränkt. „...Das war echt schön"
Ich muss noch breiter lächeln. „Find ich auch"

Das war es wirklich.
Zwar liebe ich es immer, mit Marco zu schlafen, weil ich dabei immer alles vergessen kann und es nur ihn und mich gibt, doch wenn wir es so sanft machen, mag ich es am meisten.

Für mich ist Sex zu haben ohnehin etwas anders als für ihn.
Er hatte schon so viel auf so viele verschiede Arten, aber ich weiß, dass er so nie mit all seinen Bitches geschlafen hat und es macht mich glücklich, dass es etwas ist, das für uns beide neu war, weil ich auf dem Gebiet allgemein einfach nicht erfahren war, bis zu unserer Verlobung.

Ich weiß nicht, was damals passiert ist, aber irgendwie hat bei mir etwas klick gemacht und ich habe realisiert, dass Marco mich wirklich liebt, so sehr, dass er sein Leben mit mir verbringen will. Dass ich ihm vertrauen kann. Dass er mich niemals verletzen wird.

Das war der ausschlagebende Funke, der unser Sexleben entfacht hat.

Als ich Marco das mal erzählt habe, ist er total ausgerastet und hat uns für dumm erklärt, weil uns das bisher nicht aufgefallen ist. Er meinte, es sei doch total offensichtlich, dass ich demisexuell wäre, also eigentlich asexuell, nur nicht, bei Personen, zu den ich eine starke Emotionale Verbindung habe.

Ich wusste ja nicht mal, dass sowas überhaupt existiert, aber Marco ist in dieser ganzen LGBTQ-Szene ohnehin mehr verankert als ich, allein durch seinen früheren Lebensstil.

Aber Marco ist jetzt ein anderer.
Er nimmt die Dinge ernst, vor allem unsere Beziehung und ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann.

Trotzdem habe ich etwas Angst, dass ich aussprechen muss, was ich aussprechen muss.

Als wir nämlich vor dem Anwesen von Richard halten und ich all die Autos sehe, die dort parken, schlucke ich hart. Es muss sein.

Dass Marco meinen Kopf zu sich dreht, sobald ich den Motor ausgeschalten habe, und mich liebevoll küsst, macht es mir nicht wirklich leichter, das Folgende zu tun.

Er lehnt auch noch seine Stirn an meine und sieht mich aufmunternd an. „Wir schaffen alles zusammen, weißt du noch?"
Ich nicke leicht und küsse ihn nochmal, ehe ich mich zurückziehe und ziemlich unsicher werde.

„Ich liebe dich über alles, Marco, das weißt du...", beginne ich.
Sofort ziehen sich seine Augenbrauen zusammen. „Ja?" Misstrauisch sieht er mich an.
Ich atme tief durch, doch besser wird es nicht.

„Du weißt wie intolerant Richard war... und meine andere Familie ist da nicht anders. Ich denke, es ist einfacher, wenn wir nicht jedem gleich unter die Nase reiben, dass wir verheiratet sind."
Seine Gesichtszüge entgleisen ihm völlig, aber ich bin noch nicht fertig. „Außerdem sind viele Leute, die da drin sind, sehr gefährlich und haben viel Macht. Wir sollten es uns mit ihnen nicht verscherzen. Und ich will nicht, dass sie meine Schwachstelle kennen. Die hassen mich alle, Marco, und wenn sie wissen, dass ich dich liebe, wirst du zu ihrem Ziel. Das will ich nicht. Ich will nur, dass du sicher bist"

Ich drücke ihm einen scheuen Kuss auf die Lippen, doch er bewegt sich nicht.

Unsicher sehe ich ihn an.
In seinem Hirn rattert es. Er überlegt gerade, ob er jetzt ausrasten soll oder doch erst später.

Dann schluckt er. „Du willst also verleugenen, dass wir verheiratet sind?"
Ich seufzte. „So hab ich das nicht gesagt. Aber es reicht doch, wenn sie wissen, dass wir beste Freunde sind. Das wäre ja auch nicht mal gelogen."

Marco presst seine schönen Lippen zusammen und knirscht mit den Zähnen.

„Gut...", meint er dann und hebt seine Hand vor mein Gesicht. „..und was machen wir damit?" Er deutet auf den Ring an seinem Finger.

Ich führe seine Hand zu meinen Lippen und küsse den Ring. „Der bleibt natürlich dran. Kann ja auch ein Freundschaftsring sein."

Marco nickt leicht und zieht die Hand dann zurück. „Okay, dann sind wir wohl wieder Single, sobald wir aus dem Auto steigen", meint er dann. Provokation schwingt in seiner Stimme mit.

Ich muss seufzen. „Marco, bitte mach es mir nicht so schwer. Ich würde doch am liebsten jedem einzelnen Menschen ins Gesicht brüllen, wie sehr ich dich liebe, aber das ist hier einfach nicht der Ort und auch nicht die Zeit dafür"

Marco schnaubt. „Ist schon okay, Ben."

Autsch.
Ich habe mich so an dieses nerv tötende Benny aus seinem Mund gewöhnt, dass mein Name einfach nur wehtut.

„Sei nicht sauer. Ich will dich doch nur beschützen"
Er brummt nur ein „Mhm", bevor er aussteigt und die Autotür zuknallt.

Wenn er so mit seinem Auto umgeht, ist er echt mächtig angepisst.

Ich hoffe nur, das geht heute gut...

Die Liebe und die Entscheidung (bxb)Onde histórias criam vida. Descubra agora