Abgeschlossen?

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Für einen winzigen Moment hoffte ich, die Stimme würde von außerhalb der Tür kommen. Ich hatte für einen winzigen Moment gehofft, dass er gekommen wäre um sich zu verabschieden. Dass ich ihm nicht egal wäre.
Doch ich wurde auch wütend, darüber, dass mich mein Herz so hinterlistig verriet, wo ich mir doch geschworen hatte, dass ich darüber hinwegkommen muss.
Mittlerweile war mir auch klar geworden woher die Stimme kam, die mein Körper sofort erkannt hatte.
Der Film den ich mir angesehen hatte war zu Ende und stattdessen lief jetzt eine Talkshow. Die Gäste waren Mark Ruffalo, Scarlett Johansson und natürlich Sebastian. Das darf doch nicht wahr sein...
Ich tastete, meinen Blick nicht vom Fernseher abwendend, nach der Fernbedienung.
Als ich das kühle Plastik ergriff, legte ich meinen Daumen auf den roten Ausschalteknopf.
Ich wollte das nicht sehen... ich konnte das nicht sehen.
Doch ich verharrte, mein Blick auf den Fernseher und mein Daumen auf dem roten Knopf.
Ich trug einen Krieg mit mir aus.
Doch irgendwann ließ ich die Fernbedienung auf die Bettdecke sinken und mir war bewusst, dass ich verloren hatte.
Es war ein komischer Anblick Sebastian im Fernsehen zu sehen. Irgendwie passte er dort für mich nicht hin, inmitten von Weltstars. Mir war bewusst, dass er berühmt war, doch es fühlte sich seltsam an. Ich habe ihn als liebevollen, witzigen und zuvorkommenden Menschen kennengelernt. Er war ein normaler Mensch, wie ich und dennoch saß er auf dieser Couch im Fernsehen und ich war in meinem Hotelzimmer und sah zu.
Er sah aus wie immer und dennoch völlig anders. Dieses Gefühl ist kaum zu beschreiben.
Sebastian wirkte ruhig und gelassen, ihn hatte unsere schmerzvolle Begegnung scheinbar nicht so mitgenommen wie mich. Er trug einen komplett schwarzen Anzug. Die Hose war schwarz, sein Hemd war schwarz, das Sakko und die Krawatte ebenso. Das einzige, dass strahlte waren seine weißen Zähne, die bei jedem Lächeln zum Vorschein kamen.
Nach der Reihe wurden ihnen Fragen gestellt, die sie nacheinander eifrig, ausführlich und oft sehr humorvoll beantworteten. Doch ich konnte kein Wort verstehen, denn das Blut rauschte und mein Herz pochte so laut, dass ich kaum ein Wort mitbekam. Mein gesamtes Interesse galt nur diesem Mann. Die gesamte Sendung über fokussierte ich mich nur auf Sebastian.
Bei all den Fragen die ihm gestellt wurden wirkte er aufrichtig und ehrlich und ich fragte mich ob das der echte Sebastian war, oder ob es nur sein Schauspiel-Ich war. Vor ein paar Wochen hätte ich auf diese Frage eine eindeutige Antwort gefunden, ich hätte auch nicht lange überlegen müssen. Doch seit dieser Zeit ist viel passiert und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde auch nur ein Drittel dieses Mannes richtig einschätzen zu können.
Ich saß ganz alleine in meinem Hotelzimmer und sah zu, wie der Mann dem ich bis vor kurzem vertraute wie keinem anderen, von einer Moderatorin ausgefragt und von einem Millionenpublikum begafft wurde.
Als ich an seine Wärme, seinen Geruch und seine gefühlvollen Berührungen dachte, wollte ich traurig sein. Ihn zu sehen, aber nichts von all dem was ihn ausmacht haben zu können, sollte mich unfassbar traurig werden lassen. Und obwohl ich mir geschworen hatte, gegenüber Sebastian kein Gefühl mehr zuzulassen, wollte ich die Trauer spüren.
Ich war bereit das drückende Gefühl in der Brust zu spüren, zu spüren wie sich meine Haut vor Trauer erhitzt, wie meine Sicht trüb wird, weil sich meine Augen mit Tränen füllen, ja, ich war bereit dieses Gefühl wieder zuzulassen.
Doch es kam nicht. Ich spürte nichts dergleichen. Hatte mein Körper bereits mit Sebastian abgeschlossen? War sowas überhaupt möglich?

I'm Sebastian StanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt