Abflug

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"Beeil dich!"
"Jaja, ich komme ja!"
Mit dem Gepäckkoffer über die Fliesenfugen ratternt, eilen wir zu unserem Abflug-Wartezimmer.
"Um 14.00 Uhr schließt der Eingang!"
"Ja Mama, wir schaffen das schon", beruhige ich sie mit einem kurzen Blick auf die Uhr.
Unser Urlaub steht an.
Für mich ist es so etwas wie eine Premiere - das erste Mal Europa verlassen.
Auf nach Amerika.
Auf nach New York City.
Mit Mama und Papa zwar nicht altersgemäß, aber zweckdienlich.

Gerade noch rechtzeitig kommen wir zur Wartehalle, die zu meinen Unglück ziemlich voll war.
Menschen sind nicht so mein Ding. 'Da ist New York gerade der richtige Ort um Menschen aus dem Weg zu gehen' schmunzle ich bei mir.
"Mit euch in den Urlaub ist furchtbar, ihr könntet euch mal beeilen!", schnauzt meine Mutter wieder mal total gestresst.
Es wird kein leichtes mit ihr im Flieger, in ein Land mit einer anderen Sprache, mit mir und meinem Vater.
Ich mustere die Leute in der Halle.
Ich weiß nichts über sie und dennoch verraten sie einem so viel.
Da gibt es die einen, die im Anzug, vornehm wie sie nicht sind, auf Businessman machen. Wohlglaubend die Menschheit unter ihnen zu haben. Sie leben nicht bewusst, für sie zählt nur der Erfolg. Für sie geht es darum, dem der über ihnen steht zu gefallen, damit der dem über ihm gefallen kann, damit der dem über ihm gefallen kann...
Nie ein wirkliches Ziel vor Augen - nie ein wirkliches Leben.
Sie glauben irgendwann können sie sich mit viel Geld zur Ruhe setzen und ihre Pension genießen. Aber da liegen sie falsch.
Sie verstehen es nicht ..das System der Moderne.
Mein Blick schweift weiter.
Menschen mit finsterem Blick die Hände verschränkt vor der Brust. Die natürliche Abwehrhaltung.
Bei diesen gibt es zwei Sorten.
Sorte 1 ist die Gegenwart von Menschen unangenehm. Sie blicken hin und wieder auf um sicherzugehen, dass keine potenzielle Gefahr in Form von kommunikationsfreudigen Personen auf sie zukommt. Immer wieder befeuchten sie ihre Lippen. Die 'harte' Schale aus der vollkommene Unsicherheit spricht.
Sorte 2 ist die, die nichts am Leben schätzen ..zumindest nichts das zählt.
Sie sind es gewohnt Menschen vor den Kopf zu stoßen und ihren Willen durchzusetzen...

Bevor ich mit meiner innerlichen Voreingenommenheit gegenüber der restlichen Leute weitermachen konnte, mussten wir auch schon in den Flieger umsteigen.

Meine Mutter zittert und flippt neben mir, mein Vater blättert in einem Ausflugszielprospekt vor sich hin und ich verliere mich wieder in meinen Gedanken beim Blick aus dem Fenster. Irgendwann stellen sich dann meine Augen auf Energiesparmodus und ich erwache erst wieder als wir bereits im Landeanflug sind...

I'm Sebastian StanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt