Schmerz

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Fassungslos stand ich da.
Meine Kopfhaut prickelte und ich nahm nur noch ein Dröhnen in meinem Kopf wahr.
Langsam löste Sebastian seinen Blick von mir und wandte sich wieder der Masse zu. Ich sah, dass sich seine Lippen bewegten, doch ich war unfähig auch nur ein einziges Wort zu verstehen. Es fühlte sich an, als hätte jemand mein Herz aus meinem Brustkorb gerissen und trampelte unaufhörlich darauf herum.
Der Schmerz ihn nach all den Tagen auf der Bühne stehen zu sehen, inmitten all der Fans die für ihn schwärmten, war unermesslich. Den unbeschreiblichen Charakter dieses Mannes zu kennen und dennoch einen völlig Fremden vor sich zu haben. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so gefühlt.
Sebastian gab das Mikro weiter und sein Blick ruhte wieder auf mir. Er zeigte keinerlei Regung, kein Lächeln, kein nervöser Blick, er hatte eine Maske aufgesetzt.
Seine blauen Augen, in denen ich mich so oft verloren hatte, sie glänzten nur weil das Licht in sie schien. Da war nichts was ich an diesem Mann erkannte. So sehr ich mich bemühte - er blieb ein Fremder.
Langsam kehrte mein Geist zurück und ich schluckte schwer. Meine Kehle war staubtrocken, meine Füße schwer wie Blei. Doch irgendwie schaffte ich es, mich abzuwenden.
Mit zittrigen, eiskalten Fingern wählte ich die Nummer meines Bruders.
"Hallooo", lallte er ins Telefon.
"Hi, ähm, ich fahre ins Hotel zurück..." erneut schluckte ich schwer und versuchte meine Atmung ruhig und kontrolliert zu halten.
"Ok" lallte er belustigt zurück.
Sehr gut, er war in einer Phase angekommen, in der es ihm egal war wieso, weshalb, warum.
Erneut wählte ich mit zittrigen Fingern eine Nummer, diesmal die des Taxifahrers.
Er versicherte mir, dass in 20 Minuten ein Taxi für mich bereitstehen würde. Es würden die längsten 20 Minuten meines Lebens werden.
Auf jeden Schritt bedacht, begab ich mich quer über das Festival-Gelände in Richtung Ausgang. Meine Gedanken waren nach wie vor verworren und ich nahm die Menschenmassen nur schemenhaft wahr. Immer wieder rempelte ich in der Masse gegen andere Leute. Nicht aus Boshaftigkeit, nein, zurzeit waren sie für mich einfach nicht existent. Würde meine Konzentration und all die Kraft die ich aufwenden musste, um zum Ausgang zu gelangen verebben.. ich würde in mir zusammensacken wie ein Häufchen Elend.
Dumpf hörte ich wie der Moderator sich bei allen bedankte und eine kurze Pause verkündete. Ich beschleunigte meine Schritte.. ich will hier weg!
Das Atmen fiel mir Schritt für Schritt schwerer.
Ich drängte mich noch an ein paar Menschen vorbei und stolperte dann durch den Ausgang hinaus ins Freie.
Auf meine Knie stützend, versuchte ich meine Atmung zu regulieren und rang um Fassung.
Augenblicke später richtete ich mich auf, holte noch einmal tief Luft und schlenderte mit zittrigen Knien langsam an der äußeren Umzäunung des Festivals entlang.
"Warte!"

I'm Sebastian StanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt