Loslassen

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"Warte!"
Ich zuckte zusammen. Ich kannte diese Stimme, ich würde sie immer erkennen.
"Bitte warte!"
Langsam, fast zögerlich, blieb ich stehen und blickte in Richtung der Stimme.
Sebastian...
Er joggte die letzten Meter, bis er direkt vor mir stand.
Ich verzog keine Miene, kein Lächeln, kein böser Blick, nur Leere.
"Ein Glück du bist noch da..."
Er hielt einen Moment inne und wartete auf eine Reaktion meinerseits.
Ich presste die Lippen aufeinander, unfähig auch nur ein Wort herauszubringen. Kurz darauf machte ich kehrt, um entlang der Umzäunung weiter zu schlendern.
Sebastian eilte mir nach, umfasste mein Handgelenk und drehte mich wieder zu sich um. Diese Berührung.. kurz flammte die Leidenschaft in mir auf und brannte durch meinen gesamten Körper. Doch dieses Gefühl wich sofort der unfassbaren Enttäuschung, die ich in diesem Moment empfand.
Ich blickte direkt in seine wunderschönen blauen Augen, aus denen die pure Verzweiflung sprach.
"Bitte, bitte warte.." bettelte er, noch immer mein Handgelenk umfassend.
"Es tut mir leid, unendlich leid. Ich hätte es dir sagen sollen, ich habe in den letzten Tagen so oft versucht dich zu erreichen, habe immer wieder einstudiert wie ich es dir erklären soll - doch du hast dich nie gemeldet".
Seine Stimme war sanft und ruhig, doch seine Worte beruhigten mich keineswegs. Sie verursachten nur Schmerz.
"Einstudiert wie du es mir erklären sollst?" wiederholte ich ihn mit argwöhnischem Blick.
Er öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch ich kam ihm zuvor.
"Einstudiert.." wiederholte ich leise.
"Du hattest das Gefühl etwas einstudieren zu müssen? Um mir zu erklären als was du arbeitest? Wer du bist?"
Meine Enttäuschung wuchs mit jedem Atemzug.
"All die Male, immer abgeschieden von der Öffentlichkeit, damit dich niemand erkennt.. damit ich dich nicht erkenne." Tränen stiegen mir hoch.
"All die Male hast du dich um meine Fragen gewunden."
Eine Träne rollte über meine Wange. Sebastian stand da, er hörte zu und er wirkte tatsächlich verletzlich.
".. die Typen in der Bar, sie kannten dich und die Mädchen bei Starbucks, sie haben dich auch erkannt, nicht wahr?"
Er starrte mich an und ich sah wie er seine Kiefermuskeln immer wieder anspannte.
"Nicht wahr?" Meine Stimme klang harsch und ich forderte eine Antwort.
Kurz blickte er verlegen zu Boden und danach wieder direkt in meine Augen.
"Ja.." Seine Stimme klang gebrochen.
"Natürlich haben sie das." sagte ich mehr zu mir als zu ihm.
"Und auch danach hast du keine Anstalten gemacht es mir zu erzählen. Was dachtest du, dass passiert? Dass ich nur auf dein Geld aus bin? Oder deinen sozialen Status? Dass ich wie eine Klette an dir gehangen hätte?"
Mein Blick durchbohrte ihn förmlich.
"Nein ich.. ich habe es nur sehr geschätzt, dass jemand nicht wusste wer ich bin. Ich wollte, dass du mich als normalen Menschen wahrnimmst. Wir über normale Dinge reden können. Du hast mir dieses Gefühl gegeben, normal zu sein. Und die letzten Tage, als ich nichts von dir gehört und dich nicht gesehen habe, glaub mir, dass waren die schwersten Tage die ich seit Jahren erleben musste."
Seine Augen wurden glasig und sein Griff um mein Handgelenk festigte sich.
"Du dachtest ernsthaft ich hätte dich irgendwie anders behandelt, nachdem ich gewusst hätte wer du bist?" herrschte ich ihn an.
"Nein, dachte ich nicht - bitte sei nicht wütend."
"Ich bin nicht wütend Sebastian.." Sein Blick erhellte sich eine Sekunde und er sah mich verblüfft an.
"Ich bin zutiefst enttäuscht.. zutiefst enttäuscht, dass du mir bis zum Schluss nicht genug vertraut hast, um mir das zu sagen. Um mir zu sagen, dass du als Schauspieler arbeitest. Und das ist es was du bist.. ein Schauspieler. Nicht mehr und nicht weniger. Und du hast gerade die Rolle deines Lebens gespielt, in dem du mir weis machen wolltest, dass ich dir tatsächlich etwas bedeute."
Meine Worte trafen ihn. Sein Blick war leer.
Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie das Taxi vorfuhr. Sein Griff lockerte sich und ich ließ mein Handgelenk daraus gleiten.
Er schluckte und sah mich voller Enttäuschung an.
"Machs gut Seb.."

I'm Sebastian StanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt