Montag

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Heute war Montag.
Das bedeutete Sebastian würde denken, dass ich heute nach Hause fliege.
Er würde denken, dass ich bereits meilenweit entfernt war, obwohl uns nur wenige Kilometer trennten.
Seine Gedanken würden sich früher von mir verabschieden, als es nötig wäre.
Vielleicht war es ihm aber auch egal.
Vielleicht verschwendete er keinen Gedanken mehr an mich.
Nachdem was ich zu ihm gesagt hatte, könnte ich ihm das nicht einmal übel nehmen.
Es wurden auf beiden Seiten Fehler gemacht, dessen war ich mir bewusst.
Ich saß in meinem Bett und blickte aus dem Fenster, dabei alles nochmal Revue passieren lassend.
Heute war mein letzter Tag hier, ein Tag der meine Stimmung nicht hätte besser spiegeln können. Es war düster und grau draußen. Dichter Nebel zog durch die Straßen, schmiegte sich an die Hochäuser und nahm sie in seinen Besitz. Es nieselte leicht und die kühle Luft strömte durch das offene Fenster, geradewegs in meine Lungen. Ich lauschte dem monotonen Geräusch des Regens, der kühlend auf die von der Sonne erhitzte Asphaltstraße fiel.
Meine Gedanken waren weit weg und das Einzige, dass ich wahrnahm war das sanfte anheben und absacken meines Körpers, wenn sich meine Lungen mit Luft vollsogen und sie wieder entweichen ließen. Ich wusste nicht wie lange ich so dasaß. Jegliches Zeitgefühl hatte ich verloren.
Irgendwann klopfte es an der Tür.
"Schwesterchen?"
Es dauerte bis ich fähig war zu reagieren.
Würde ich je wieder richtig funktionieren?
Ich hatte mich nie für so zerbrechlich gehalten, doch so sehr ich mich bemühte aus diesem Treibsand ähnlichen Zustand herauszukommen, desto tiefer sank ich.
"Ja?", antwortete ich.
"Wir gehen ein letztes Mal in die Stadt, kommst du mit?"
"Wir sind doch in einer Stadt".
"Du weißt was ich meine..."
Es war für ein paar Minuten still.
"Na gut, ich denke ich kenne deine Antwort."
Kurz darauf hörte ich Schritte die sich von meiner Zimmertür entfernten.
Ich war wieder alleine.. alleine mit meinen Gedanken.
Doch ich wollte nicht wieder so tief hinabsinken und ich wusste ich musste mich ablenken.
Ich nahm die Fernbedienung in die Hand und schaltete den Fernseher ein.
Was ich mir ansah war mir so ziemlich egal, es sollte nur kein Liebesfilm sein.
Denn diese Filme waren für mich so weit von jeglicher Realität entfernt wie kein anderes Genre.
Ich hatte nach kurzem durchschalten einen Film gefunden, den ich für akzeptabel hielt.
Er war nicht unfassbar gut gemacht und auch nicht besonders interessant, doch ich kannte ihn nicht und viel wichtiger noch - er lenkte mich ab.
Es ging um einen kleinen Jungen, der eine harte Kindheit hatte. Die meiste Zeit verbrachte er in Kinderheimen, doch er war nicht wie all die anderen Kinder die spielten und tobten. Er saß immer ruhig in einer Ecke und las. Er las alles was er in die Finger bekommen konnte. Doch am liebsten las er Bücher in denen es um Wissenschaft ging. Mehrere Jahre vergingen und er hatte so ziemlich jedes Wissenschaftsbuch das es gab ausgelesen. Das Wissen, dass er in diesen Jahren erlangte war unermesslich und als er alt genug war, das Kinderheim zu verlassen, begann er zu studieren.
Er wurde einer der besten und vielfältigsten Wissenschaftler die die Welt jemals gesehen hatte. Doch durch seine Genialität stand er immer mehr im öffentlichen Interesse, bis die Regierung entschied ihn entführen zu lassen, damit er ihnen ein Serum herstellen konnte. Sie wollten Supermenschen erschaffen. Menschen die jedem Virus standhielten, die in jeden Krieg ziehen konnten und immer als klarer Sieger hervorgehen würden. Sie zwangen ihn alles zu vergessen, wofür er sich jemals eingesetzt hatte und wofür er stand. Allen voran seine Menschlichkeit...
Irgendwann in der Mitte des Films musste ich eingeschlafen sein.
Es war ein friedlicher, ruhiger Schlaf, fast schon erholsam und ich konnte mir tatsächlich vorstellen, dass es jetzt wieder bergauf gehen würde.
Nach einiger Zeit rüttelte etwas an meinem inneren Frieden.
Ich kam nur langsam zu mir, fuhr mir mit beiden Händen übers Gesicht und atmete tief ein und aus.
Eine vertraute Stimme drang an mein Ohr und bahnte sich seinen Weg direkt zu meinem Herzen. Mein Körper und vorallem mein Geist erwachte zum Leben.
Mein Herz hatte vor allen anderen begriffen zu wem diese wärmende Stimme gehörte.

I'm Sebastian StanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt