Verweht

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Das Spiegelbild zeigte eine Elbe, die schon vieles erlebt hatte. Ihr Kleid war violett und schön verziert. Ihre Haare halb hochgesteckt. Sie sah schön aus, doch sagten ihre Augen etwas, dass nicht zu ihrem Auftreten passte.

Jeden Tag entferne ich mich weiter von der Elbe aus dem Düsterwald. Ich wendete mich von meinem Spiegelbild. Nienna hatte dafür gesorgt, dass ich gut aussah, dabei ergab es keinen Sinn mehr. Meine Augen sagen doch, dass ich hier raus muss. Diese Festung ist ein Käfig und Methor ist ein Monster. Nienna ist ein Vogel, der nicht gehen kann, weil die Liebe zum Monster sie hier hält. Nienna war nicht da. Ich wusste, dass sie bald wiederkommen würde. Ich musste mir die Zeit vertreiben. In meinem Zimmer gab es nicht zu tun und raus durfte ich nicht. Zwei Wachen standen Tag und Nacht vor meiner Tür. Sie sprachen nicht. Sie standen einfach da. Ich war hier seit drei Wochen und langsam, wie schrecklich es auch war, gewöhnte ich mich dran. Dabei dachte ich jeden Tag an die Dinge, die ich lieber tun würde. Ich vermisse es durch den Wald zu reiten, die Zügel fest umklammert, die frische Luft. Ich vermisse Dylan. Ich vermisse Legolas. In meinem Kopf zählte ich weiter alles auf. Es gab so vieles. Die meisten Dinge sind mir  nie aufgefallen und jetzt brauchte ich sie mehr als jemals zuvor.

Die Tür öffnete sich. Ich sprang automatisch auf. Nienna ist endlich da. Nienna lächelte mir leicht zu. Wir setzten uns an den Tisch. Ich erzählte ihr die Sachen, die mir durch den Kopf gingen. Mir wurde klar, dass Nienna und ich Freunde waren. Sie ist die einzige Person, der ich trauen kann.

Nachdem ich fertig war, sah Nienna nachdenklich auf die Tischplatte.
"Du wirst sie wieder sehen. Du wirst wieder durch den Wald reiten, aber was ist, wenn es sich nicht mehr so anfühlt wie vorher? Dinge verändern sich, Personen verändern sich, aber das tust du auch", sagte sie nach einer Weile.

Ich verstand was sie meinte. Ich habe mich verändert. Was ist wenn aufgehört habe gewisse Dinge zu lieben? Was passiert, wenn ich aufgehört habe Dylan zu lieben?

Stille breitete sich aus. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. In meinen Kopf formte ich mehrere Sätze, doch sie klangen nie richtig. Bis ich verstand warum sie mir dies erzählte.
"War das bei Methor und dir auch so?" Fragte ich voller Mitgefühl. Sie musste schon so viel ertragen und es hört nicht auf. Sie steckt tief in einen Alptraum und kann nicht fliehen. Ich wünschte, ich könnte etwas für sie tun.

Nienna atmete tief ein. "Methor verwand spurlos. Ich wollte aber nicht nachgeben. Ich konnte ihn nicht loslassen. Ich schaute zurück, an alles was wir hatten. Damals waren wir andere Elben. Ich suchte ihn für Jahre. Immer mehr gaben auf. Immer mehr sagten mir, ich solle ihn gehen lassen... aber ich konnte nicht. Als ich ihn fand, war ich so glücklich, wie nie zuvor. Dabei war ich blind. Er war anders. Seine Mimik, seine Bewegungen, seine Worte... einfach alles hat sich verändert. Ich wollte mir einreden, dass er gut ist, dass er noch... er ist... Er stieß mich weg und ich folgte ihm weiterhin. Mein Herz ist an ihm gebunden und das wird es auch immer sein", den letzten Satz sagte Nienna ganz leise. Mir waren mittlerweile Tränen hochgekommen. Wie kann etwas so schönes, so etwas gräusliches lieben.

Nienna kam mir näher und flüsterte leise:"Du kannst ihn nicht retten. Du musst hier weg. Ich kann dir dabei helfen", ich wollte etwas sagen, doch sie unterbrach mich sofort. "Heute Nacht wirst du frei sein... du...", Nienna hörte auf zu reden. Mein Gesichtsausdruck, der wie versteinert war, musste sie dazu gebracht haben. Ich sah in Methors Augen. Er stand im Türramen. Hinter ihm stand mein Bruder Armiras. Bitte, lass das nicht wahr sein. Nienna drehte sich zur Tür.
Methors Blick fiel auf sie. Für einen Moment waren alle wie aus Eis. Niemand bewegte sich.

"Du hast mich verraten", stellte Methor trocken fest. Sein düsterer Blick lag weiterhin auf ihr. Sie sah einfach zurück. Sie verteidigte sich nicht. Nienna wusste, was sie getan hat. Er ist sicherlich jetzt in ihrem Kopf. Sie unterhalten sich wahrscheinlich. Ein Gespräch, das sie alleine führen müssen.

Zu zweit in der Finsternis ( Legolas FF )Where stories live. Discover now