121. Normal

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"Ich... Es tut mir leid, Ace. Es tut mir leid, dass ich so verdammt stur..." Ace's Blick ging vom Boden zu mir. Mir war zum Heulen zumute. Ich hatte solche Angst, dass mein Verhalten irgendwelche Auswirkugen auf das Friedensabkommen haben könnte. Ace hatte mir einsilbig gesagt, dass hier Brown Revier war. Ace saß mit angewinkelten Beinen auf einem Baumstumpf und sah auf seine Hände. Ich stand vor ihm unwissend, was ich nun tun sollte. Mehr als mich zu entschuldigen, konnte ich nicht. Er hatte auch Angst vor den Auswirkungen, dass sah ich in dem Blick mit dem er mich bedachte. Doch das waren die einzigen Gefühle, die ich ausmachen konnte.

War er wütend? Enttäuscht? Traurig?

Ich fuhr mir durch die Haare und schluckte die Tränen herunter, die sich in mir aufstauten. Das war nicht meine Absicht gewesen.

"Da seid ihr ja. Und? Es ist wirklich traumhaft schön hier, nicht wahr?" Mum ließ uns herein und ich rang mir ein Lächeln ab. "Mhm." "Dann macht euch mal für die Nebenstadt hübsch. In einer Stunde wollten wir fahren." Ich nickte und verzog mich nach oben. Ace kam mir hinterher und verschwand schweigend hinter der Tür seines Zimmers. Als meine Tür hinter mir zu fiel, erstarb mein falsches Lächeln. Ich ging schwerfällig rüber zu meinem Bett und lief mich mit dem Gesicht nach vorne in die weichen Kissen fallen. Stumm liefen mir die Tränen übers in den weichen Stoff gepresste Gesicht.
Warum war alles nur so kompliziert?
Alles, was ich in den letzten Tagen verdrängt hatte kam mir in den Kopf.
Früher hatte ich mir nie Sorgen um irgendein Friedensabkommen machen müssen.
Mit zusammengekniffenen Augen biss ich mir auf die Lippe.
Ein leises Schluchzen verließ meinen Mund und ich ballte die Hände zu Fäusten.
Wenn er mich sogar schon warnte, gab es definitiv einen Grund zu meiner Sorge.
Ich wollte nicht, dass Ace etwas passierte.
Damit könnte und wollte ich nicht leben.

"Luna? Bist du fertig?"
"Ja." Niedergeschlagen stand ich auf und warf noch einen Blick in den Spiegel.
Ich hatte mich noch einmal geschminkt und frisch gemacht.
Ich schenkte meinem Spiegelbild ein falsches Lächeln und verließ dann mein Zimmer.
Ace schaute mich besorgt an und ich presste die Lippen zusammen.
Ich hatte so einen Mist gebaut und er sorgte sich trotzdem um mich.
Wir gingen runter und ich zog meine schwarze Jacke und meine grauen Converse an.
Mum erzählte uns was es dort alles zu sehen gab, ich hörte nur mit halbem Ohr zu.
Stattdessen musterte ich Ace.
Er schien sehr nachdenklich und besorgt.
Wir stiegen in den Wagen und fuhren los.
Ace und ich schauten stumm aus dem Fenster.
Die Bäume zogen an mir vorbei.
Mein Kopf lehnte an dem kühlen Fensterglas und ich seufzte leise.

Als wir in der Stadt ankamen parkte Marco an einer Allee aus großen Bäumen und wir stiegen aus.
Die Stadt war schön und voller interessanter Läden, die ich gerne besuchen wollte.
Für die Zeit hier schluckte ich die Sorgen herunter.
Es nützte nichts.
Abends konnte ich mir den Kopf darüber zerbrechen.

Die Sonne strahlte in mein Gesicht und ich hielt mir die Hand vor die Augen. Ich spürte Ace's Blick von der Seite und wandte mich an ihn.
Er schenkte mir ein schmales Lächeln.
Ich erwiderte es und sah zu meinen Brüdern, die auf meine Eltern zugingen, die nun auch angekommen waren.
Wir folgten ihnen.
"Ich nehme an ihr zwei wollt lieber alleine die Stadt besichtigen?" Dad zwinkerte uns zu und Ace kratzte sich unsicher am Hinterkopf.
Ich zuckte mit den Schultern und Dad lachte.
"Dann machen wir das so. Treffen wir uns gegen sechs wieder hier?"
Wir stimmten alle zu und jeder machte sich auf den Weg jeden Winkel der Stadt zu inspizieren.
Ace und ich standen eine Weile da und sahen uns an.
Dann löste ich mich und nahm verunsichert über seine Reaktion vorsichtig seine Hand.
Er verschränkte unsere Finger und wir gingen schweigend in den ersten Laden.

"Wow. Ist das schön." Ich schaute mit großen Augen auf das silberne Armband mit kleinen, glänzenden Sternen als Anhänger.
In der Mitte jedes Sterns war ein kleiner Kristall eingearbeitet, der im Licht funkelte.
Ich bestaunte das Schmuckstück und schaute dann auf den Preis.
Waren die verrückt geworden?
Missmutig warf ich noch einen kurzen Blick auf das Armband und ging dann weiter.
Ace probierte gerade einige neue Pullover in den Umkleiden an und ich vertrieb mir die Zeit bei den Schmucksäulen.
Sonst fand ich nichts, das mir wirklich zusagte.
Ace kam in einem khaki grünen Pullover aus der Kabine und schaute mich fragend an.
Nachdenklich musterte ich ihn und nickte.
"Der steht dir wirklich gut. Ich finde diesen hier besser als den anderen." Ace nickte schmunzelnd und verschwand wieder in der Kabine.
Wir hatten nicht viel geredet. Von der Sache von vorhin ganz zu schweigen.

Ace und ich taten hier so als gäbe es das alles nicht. Wir benahmen uns als wäre alles gut, normal.

Seufzend spielte ich gedankenverloren mit den dunkelblauen Perlen einer Kette.

Normal. Was wäre geschehen wenn wir nicht umgezogen wären?

Wäre ich dann immernoch nicht über Kyle hinweg? Gäbe es dann hier keinen Kampf? 

Wäre Ace dann nicht so besorgt? Wenn ich Ace nie kennengelernt hätte?

Kopfschüttelnd betrachtete ich meine Converse.

Bevor ich Ace kennengelernt hatte, hätte ich nie erfahren, dass man so fühlen kann, dass jemand einem so wichtig sein kann. 

Für Ace würde ich alles hergeben.








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