111. Nachhause

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Am Tisch saßen vielleicht gerade mal die Hälfte des Rudels, darunter alle Kinder, nur Cathrin und einige unglaublich müde aussehenden anderen Erwachsenen.
Etwas unsicher tapste ich weiter die Stufen herunter und sah eine deprimierte Sam mit tiefen Augenringen und blasser Haut, die gerade die Treppen hochsteigen wollte und mich erst bemerkte, als ich unmittelbar vor ihr stand.
Ein schroffes "Oh. Hi.", war das einzige, das sie über die Lippen brachte.
Unbeholfen umarmte ich sie und sie schlief beinahe auf meiner Schulter ein.
"Willst du dich etwas ausruhen gehen? Wäre glaube ich keine schlechte Sache." Besorgt blickte ich zu ihr und stützte sie ein wenig mit meinem Arm ab.
Leise brummend nickte sie.
"Zweiter Flur, fünfzehnte Tür rechts." Flüsterte sie und ich half ihr zu besagtem Zimmer.
Sie legte sich sofort aufs Bett und ich deckte sie mit der violetten Decke zu.
Die Jalousinen ließ ich herunter und beeilte mich dann wieder zurück ins Wohnzimmer zu kommen, Ace wartete schon so lange.

War Sam auch am Kämpfen gewesen?

Weil diese Hierarchie hier so Testosteron betont war, hätte es mich wohl kaum gewundert, wenn alle weiblichen Wölfe nicht hätten kämpfen dürfen.

Die Kinder waren draußen am Spielen, scheinbar wussten sie nicht vom Kampf.
Die Erwachsenen hatten sich wohl in die Schlafräume verzogen, denn außer Cathrin und ... Gina, wie ich mich entsinnte, war sonst niemand in der Küche.
"Hallo, Luciana. Cath hat mir schon alles erzählt. Holst du Ace und dir was zu essen?" Ich nickte.
Gina gähnte einmal und lächelte mich an.
"Mach dir keine Sorgen. Alles wird sich schon regeln."

Ich tapste mit zwei Tellern mit Brötchen, Belag und Croissants ins Zimmer und sah wie Ace eingeschlafen war.
Lächelnd stellte ich die Teller auf dem Nachttischchen ab und schloss leise die Tür.
Dann setzte ich mich aufs Bett und schaute zu Ace.
Er sah unglaublich friedlich aus.
Seine Gesichtszüge waren entspannt und seine Haare fielen ihm ins Gesicht.
Ich strich sie zurück und knabberte ein wenig an meinem Brötchen, da mein Magen schon die ganze Zeit am Knurren war.
Als mein Teller leer war zog ich mein Handy aus der Jeanshose.
Mum und Dad wussten ja gar nicht so ich war.
Sie machten sich sicher schon Sorgen.
Tatsächlich.
Etwa zehn verpasste Anrufe von Mum, Dad und meinen Brüdern wurden angezeigt.
Mist.
Ich schrieb ihnen hastig eine SMS, dass sie sich keine Sorgen machen sollten und ich nur Ace besucht hatte, weil es ihm nicht so gut ging.
Mum schrieb auch sofort zurück, das sie nun beruhigt war, ich aber nächstes Mal vorher Bescheid geben solle.
Seufzend packte ich mein Handy wieder weg und schaute auf Ace.
Es war eine Mischung aus Liegen und Sitzen die er praktizierte und ich musste lächeln.
Das sah nicht sehr bequem aus.
Vorsichtig legte ich ihm ein Kissen unter den Kopf und deckte ihn zu.

Ich hatte solche Angst um ihn.

Und dass er mir das mit dem Kampf und dem Fallen der Anführer erzählt hatte, machte es wirklich nicht besser.
Ein leises Seufzen verließ meinen Mund.

Wie war ich nur hier her gekommen?
Werwölfe?

Vor wenigen Wochen gab es die noch nicht.

Jedenfalls nicht in meiner Welt.

Ich stand leise auf und schlich aus dem Zimmer.
Das heißt, ich wollte schleichen.
Ich stolperte über meine Füße und stieß mir den Kopf am Schrank.
"Ah." Zischend zog ich mich am Bett hoch und hielt mir seufzend den Kopf.
"Alles okay?" Hörte ich Ace lachen und zuckte zusammen.
Super, jetzt hatte ich ihn auch noch Ace aufgeweckt.
Wirklich hammer Leistung, mal wieder.
Ich drehte mich um und schenkte ihm einen bösen Blick.

Aua.

"Ach, komm schon her." Grinste er und ich krabbelte etwas widerwillig zu ihm.
Natürlich nur, weil er verletzt war und ich ihn nicht aufregen wollte.
Er fuhr vorsichtig über meinen Kopf.
"Mein kleiner Tollpatsch." Lachte er dann und ich starrte ihn böse an.
Seine grünen Augen funkelten schelmisch und ich brummte nur.
Ace zog mich näher an sich und gab mir einen Kuss auf die pochende Stelle.
"Geht's?"
"Mhm." Murrte ich und lehnte meinen Kopf an seine Schulter.
"Tut mir leid, dass ich dich geweckt hab." Murmelte ich und wurde rot.
Warum war ich auch so inkompetent?
"Schon okay, Süße. Wolltest du etwa schon weg?" Er hob die Augenbraue, durch die ein langer Kratzer verlief, der kurz über seinem Auge endete.
"Mhm. Meinen Eltern hab ich geschrieben, dass es dir nicht gut geht, aber sie machen sich sicher Sorgen."
"Okay." Brummte er und ich vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge.

Naja, jetzt wollte ich ja auch nicht mehr gehen.

Ace roch so gut und diente als wirklich behagliches Kissen.
Lächelnd sog ich seinen Geruch nach Fichten ein und schloss für einen Moment die Augen.

"Ich liebe dich, Luciana." Hörte ich ihn an meinem Ohr flüstern.
"Ich liebe dich auch, Ace."

Ich spürte wie seine, nicht verletzte, Hand über meinen Rücken strich und vergaß für einen Moment einfach all die Sorgen.

Wir verweilten noch ein wenig so, bis Ace mich anschaute und leise lachte.
"Machen deine Eltern sich nicht Sorgen? Wie war das?" Ich grinste und zuckte mit den Schultern.
Ein Klopfen ertönte und ich rückte ein kleines Stück von Ace weg.
"Luciana? Wissen deine Eltern eigentlich Bescheid? Es wäre nicht so toll, wenn sie einen Suchtrupp nach dir aussenden." Gina schaute mich fragend an.
"Mhm. Ich hab ihnen geschrieben, aber vielleicht wäre es wirklich besser, wenn ich so langsam los..."
"Ich begleite dich." Rief Ace mir dazwischen und ich schaute ihn sarkastisch an.
"Du? Ace, dir ist schon bewusst, dass du nicht aufstehen kannst. Du ruhst dich erstmal aus." Sagte ich an ihn gewand.
Widerwillig schaute Ace mich böse an und Gina grinste.
"Collin kann dich begleiten. Such dir deine Sachen zusammen und dann könnt ihr los." Ich nickte und hörte Ace hinter mir unzufrieden Brummen.

Collin wartete am Eingang und schaute mich etwas genervt an, als ich auf ihn zu ging.
"Was?" Ich hob eine Augenbraue.
Collin schüttelte den Kopf und ignorierte mich, während wir nach  draußen gingen.

•Moonnight•✅Where stories live. Discover now