Kapitel 41 - Rache

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Die Welt war gehüllt in Schatten, als ich die dunklen Korridore zur Wasserstadt lief. Es war, als hätte jemand einen düsteren Vorhang vor meinen Augen ausgebreitet und die Insel mit ihren vielen Farben und Formen war nichts weiter als ein Gefängnis, aus dem ich nicht entkommen konnte. Am liebsten würde ich weit weggehen, ich würde sogar lieber in meine trostlose Heimatstadt zurückkehren, wo die Häuser so dreckig grau waren, wie der Rauch, der aus dem Industrieviertel in mein offenes Fenster geweht ist, wenn ich es zur falschen Zeit geöffnet hatte. Ich würde überall lieber sein als hier auf dieser winzigen Insel. Zusammen mit meiner Mutter und meinem Bruder, die mich genauso wenig kannten, wie ich sie. Eine Mutter, die mit Sicherheit nicht einmal gemerkt hatte, dass ihre eigene Tochter vor ihr stand und ein Bruder, so voller Hass, dass ich mich dahin zurückwünschen wollte, als ich tatsächlich im Glauben war, ich hätte keine Familie. Denn alles, wirklich alles war besser als das hier.

Das Aquarium der Wasserstadt war fast menschenleer, als ich es durchschwamm, um so schnell wie möglich zu meinem Bett zu kommen, um mich darin zu verkriechen und nie mehr herauszukommen. Es war mittlerweile eine Kleinigkeit für mich, die wenigen Schwimmzüge zu der Tür zu machen, die mich über den Skyway in mein Zimmer führen würde. Und als ich endlich nur wenige Schritte davon entfernt war, berührte etwas meinen Arm so unterwartet, dass ich fast aufgeschrien hätte.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken"

Anthony hatte sich so leise genähert, dass er mir nie aufgefallen wäre. Oder ich war einfach zu sehr in meinen Gedanken versunken gewesen.

Ich antwortete nicht, drehte mich nur um und versuchte, seinem Blick standzuhalten.

„Ist...alles okay?", fragte er und sah mich schief an. Dann sah ich doch weg. Ich wollte mich nicht unterhalten. Ich war Anthony in den letzten Tagen absichtlich aus dem Weg gegangen, weil ich nicht wusste, was ich denken sollte. Und weil ich nicht wusste, was ich fühlen sollte.

„Ja", sagte ich tonlos und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Ich lief die letzten paar Schritte zu meiner Zimmertür und legte eine Hand auf die Klinke.

„Stör ich dich? Hast du irgendetwas vor?", fragte er und sah mich immer noch so merkwürdig an. Seine Augen waren unterlaufen. Als hätte er nicht genug Schlaf gehabt.

„Ich wollte schlafen gehen", sagte ich und mein Herz fühlte sich leichter an, da ich ihm schlicht und einfach nur die Wahrheit sagte.

„Jetzt schon?", fragte er und sah nach draußen. Die Sonne war noch nicht einmal untergegangen. Aber das war mir egal.

„Ich bin ein wenig krank", ich räusperte mich, als würde es die Tatsache übertönen, dass ich ihn anlog.

„Gerade hast du noch gesagt, dass alles okay ist", sagte er misstrauisch und lehnte sich gegen die Glaswand des Skyways. Seine orangeroten Haare sahen aus, als wäre er gerade dabei, durch die Tiefen des Meeres zu tauchen, das draußen im Schein der sich langsam neigenden Sonne glitzerte. Es war in Kombination mit seinen Sommersprossen ein krasser Kontrast zu seiner hellen Haut und ich fragte mich, ob er das traumhafte Wetter auf dieser Insel jemals nutzte, um herauszugehen.

„Es ist okay, wenn du nicht reden willst", sagte er schließlich, als ich ihn nur stumm anstarrte. Hoffentlich hatte er nicht gesehen, wie ich ihn wortlos gemustert hatte und in Gedanken abgewogen hatte, wie er an meiner Seite am Halbjahresball wohl aussehen würde.

„Es ist nur", er stockte, seufzte und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, als gäbe es kein Wort, das ausdrücken könnte, was er sagen wollte. „Es ist nur, dass du mir seit unserer letzten Begegnung auszuweichen scheinst"

School of ElementsWhere stories live. Discover now