7 - Auf hoher See

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Die Leute beachteten mich kaum, als ich mich an ihnen vorbeischob. Scheinbar war es nicht ungewöhnlich, dass alle paar Seemeilen ein Heißluftballon auf dem Schiff landete und ein verwirrtes Mädchen absetzte, um gleich darauf wieder wegzufliegen, als müsste er noch weitere Jugendliche abholen.

Aber vielleicht war auch genau das der Fall. Ich konnte es ja nicht wissen.

Ich wusste um ehrlich zu sein nicht wirklich, was ich tun sollte. Die meisten Leute standen in Grüppchen zusammen und unterhielten sich, lachten und deuteten auf das offene Meer hinaus, als gäbe es dort mehr zu sehen als nur das Wasser, das still dalag. Also schlenderte ich über das Deck und sah mich um. Es war unglaublich, wie schön dieses Schiff war. Und es kam mir vor, als wäre ich die einzige, die diese Schönheit wahrnahm.

Es waren vielleicht gerade mal knapp über hundert Jugendliche an Bord. Wenn das alle Schüler der Schule waren, musste sie ziemlich klein sein. Oder dieses Schiff war nicht der einzige Weg, zur Schule zu gelangen. Wo war sie überhaupt? Das wusste ich nämlich noch immer nicht. Und jemanden fragen würde ich sicher nicht. Dafür war mir mein Stolz und die Wahrschienlichkeit, dass man mich auslachen würde zu groß.

Also stand ich schließlich an der Reling und blickte auf das Wasser unter mir, das in kleinen Wellen gegen das riesige Schiff schwappte. Ich dachte daran, wie es sich erhoben hatte und mich davor bewahrt hatte, in den sicheren Tod zu stürzen. Es war unglaublich unnatürlich gewesen aber irgendwie kam es mir nicht so surreal vor, wie es vielleicht hätte sein sollen. Immerhin waren mir in letzter Zeit schon dermaßen absurde Sachen passiert, dass es nicht unbedingt die totale Überraschung gewesen ist.

Ich war tief in Gedanken versunken, kratzte ein wenig an der mitgenommenen Lackierung des Geländers herum und erschrak schrecklich, als sich auf einmal etwas neben mir rührte.

„Hallo"

Oh nein.

Ich musste ein Stöhnen unterdrücken. Ich hatte wirklich keine Lust auf Konversationen, ich habe es ja schließlich die letzten sechzehn Jahre auch ohne geschafft. Ich drehte mich trotzdem langsam zu der hohen Stimme um. Es war ein Mädchen, das sogar kleiner war als ich. Ich war schon für mein Alter eigentlich nicht wirklich groß, aber die hier, die war noch kleiner. Sie hatte ziemlich stark gelockte, blonde Haare, die ihr bis zur Brust reichten. Und schon jetzt war ich unglaublich genervt von ihrer Anwesenheit. Ich hatte mich in den letzten Jahren eigentlich immer ziemlich gut darin gemacht, meine Haltung so abwehrend wie möglich zu gestalten. Ich brauchte niemanden, der sich mit mir unterhielt. Und erst recht nicht so einen kleinen Möchtegernengel mit blonden Locken, wie er gerade vor mir stand.

„Ich bin Mona", sagte sie und strahlte mich an.

Eigentlich sah sie nicht aus wie eine Mona. Sie sah aus wie eine Vanessa. Oder eine Nadine. Nichtsdestotrotz änderte es gar nichts an meiner Einstellung zu ihr.

Ich sagte nichts und behielt meine mürrische Mine bei. Vielleicht kapierte sie dann, dass ich keine Lust auf sie hatte. Aber irgendwie schien sie es nicht ganz zu raffen, oder sie ignorierte es einfach gekonnt.

Sie deutete auf das andere Ende des Decks, wo ein dunkelhäutiger junger Mann stand und hinaus auf das Meer blickte.

„Das da drüben ist Emmet, ein Freund von mir. Willst du dich vielleicht zu uns stellen?", fuhr sie fort, während sie vergebens versuchte, ihre langen Locken unter Kontrolle zu bringen.

„Wie kommst du auf die dämliche Idee, dass ich es nötig hätte, mich zu euch zu stellen?", fragte ich sie. Mein Ton war pampig und kühl, so wie eigentlich immer.

School of ElementsWhere stories live. Discover now