Kapitel 13 - Ein Unterschied wie Tag und Nacht

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Meine Hand lag auf der Türklinke, aber ich traute mich nicht wirklich, sie runterzudrücken.

Ich hatte die Nacht zuvor gut geschlafen, obwohl die Gedanken in meinem Kopf herumgespukt sind, als gäbe es kein Morgen und mir eine pessimistische Einstellung nach der anderen in das Unterbewusstsein gehämmert haben.

Aber jetzt schob ich die negativen Gefühle, die Angst, ich könnte nicht genug sein, in den Hintergrund und öffnete die Tür.

Diesmal würde ich es wirklich schaffen.

Diesmal wusste ich genau, wo ich hinschwimmen musste.

Ich schritt den Skyway langsam entlang und kam an der blauen Tür an. Ich hatte ziemlich wenig für den schönen Ausblick um mich herum übrig, ich war ganz auf die Tür fixiert, die mir, nachdem ich sie geöffnet hatte, eine Wand aus Wasser offenbarte.

Das Aquarium war gefüllt von hellem, türkisfarbenem Wasser, das im Tageslicht nur so leuchtete. Im Gegensatz zu gestern Nacht konnte ich so viel mehr erkennen. Zum Beispiel die blauen Türen, die sich am Tag offensichtlich viel besser von ihrem Umfeld abzeichneten. Die kleinen Leuchten, die am Boden des Aquariums eingelassen waren, wurden ebenfalls nicht mehr benötigt. Man konnte so viel mehr sehen. Aber dafür war jetzt umso viel mehr los.

Ich erkannte von hier schon, dass Unmengen von Schwimmern das Aquarium durchquerten. Und die Meisten taten es in einer Geschwindigkeit, die mich fast dazu verleitete, die Tür wieder zu schließen und mich in meinem Zimmer zu verschanzen. Niemals könnte ich so schnell wie die sein. Die Besten, die ich beobachten konnte, erreichten innerhalb von wenigen Sekunden ihr Ziel, selbst wenn sie dazu die gesamte Längsseite des Beckens durchqueren mussten. Und dabei hinterließen sie nur eine verschwommene Kontur ihres Körpers.

Es war wirklich übermenschlich. Ich übertreibe nicht. In meinem Leben habe ich noch nie so schnelle Schwimmer gesehen. Aber wahrscheinlich sollte es mich nicht wundern.

Natürlich gab es auch Langsamere. Aber die waren eben im Gegensatz zu mir auch olympiareif und ich spürte die Hitze schon im Vornherein in meinen Kopf steigen. Es wäre so peinlich, wenn ich es wieder nicht auf die Reihe bekommen würde. Diesmal würden es so viele sehen. Ich wollte mich nicht blamieren. Ich wollte nicht die neue Erstklässlerin sein, die mit ihrem Element nicht zurechtkam.

Ich schloss die Augen, atmete tief ein, dann wieder aus und öffnete sie wieder.

Ich rief mir wieder ins Gedächtnis, dass ich mir keine Sorgen machen brauchte. Ich hatte schon so viel er- und überlebt in meinem Leben. Ich werde es schaffen zehn Meter zu schwimmen. Und wenn nicht, dann war es eben so. Die Leute, die sind alle einmal am Anfang gestanden, wie ich. Und nur, weil ich nicht die optimalen Startvoraussetzungen habe, heißt es nicht, dass ich es nicht auch schaffen könnte.

Ich hatte schon so vieles geschafft.

Ich würde das hier auch schaffen.

Und ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, holte ich tief Luft und tauchte in das Aquarium.

Es war wie auf einer Autobahn. Die Leute waren entweder die typischen Karrierefrauen und -männer, die es immer eilig hatten, oder die gemütlichen Sonntagsfahrer. Ich zähle zu denen, die hoffen, keinen Unfall zu bauen, weil sie ihren Führerschein im Lotto gewonnen haben. Und ich könnte wetten, dass es hier von dieser Sorte ausgesprochen wenige gab.

Ich machte es wie am Vortag, stieß mich kräftig von der Wand ab und diesmal passte ich auf, dass ich nicht allzu viel Panik schob oder zu viel darüber nachdachte, wie wenig Sauerstoff ich noch hatte. Diesmal konzentrierte ich mich einzig und allein darauf, dass meine Züge lang und gleichmäßig waren. Meine Augen öffnete ich regelmäßig, um zu sehen, wie weit es noch war, oder ob ich gerade kurz davor war, jemanden in die Arme zu schwimmen, sonst ließ ich sie geschlossen.

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