Also öffnete ich die unterste Schublade, weil ich die Bücher dort einräumen wollte. Doch dort nahmen schwarze und weiße, weiche Stoffe den gesamten vorhandenen Platz ein. Die Lehrbücher, die zu einem unordentlichen Stapel neben mir aufgehäuft waren, waren sofort vergessen und ich schnappte mir das erstbeste Stück aus der Schublade und hielt es in Armlänge vor mich hin, um es begutachten zu können. Es war eine weiße Bluse mit einem eindeutig femininen Schnitt. Auf der rechten Brust prangten drei, parallel zueinander laufende, gewellte Linien. Eine vereinfachte Darstellung von Wasser, wie ich sofort erkannte. Es dauerte auch nicht lange, bis ich merkte, dass ich eine Schuluniform vor mir hatte. Ich hatte hier zwar noch niemanden in solcher Kleidung gesehen, aber das Schuljahr hatte offiziell ja auch noch gar nicht begonnen und der Unterricht würde auch erst in zwei Tagen stattfinden.

Ich war erleichtert, als ich eine schwarze Jeans aus der Kommode zog. Ich hatte schon befürchtet, ich müsste in irgendwelchen kurzen, karierten Röckchen rumrennen, worauf ich absolut überhaupt keine Lust gehabt hätte. Aber der Rest der Schuluniform bestand aus der besagten, schwarzen Jeans, einem Paar weißen und einem paar schwarzen Schuhen und einem eleganten, schwarzen Blazer.

Ich war eigentlich noch nie ein besonders großer Unterstützer von Schuluniformen gewesen, obwohl meistens ich diejenige war, die wegen ihrer abgetragenen Billigkleidung gehänselt wurde. Doch meiner Meinung nach sahen die meisten Uniformen schrecklich aus und war außerdem schon immer strikt dagegen gewesen, dass man Mädchen in diese Röcke gesteckt hat. Aber diese Schuluniform hatte etwas. Es konnte natürlich noch immer sein, dass ich komplett bescheuert darin aussehen werde, aber im Guten und Ganzen war es vielversprechend.

„Hey, Evertowsky", begrüßte Emmet mich, als ich mich beim Abendessen neben ihn auf einen Stuhl setzte. Ich quittierte seine Anspielung auf den Nachmittag mit einem genervten Seufzer und versuchte auch die Tatsache zu ignorieren, dass Cassey neben Mona saß.

Ich wollte es nicht zugeben und mir auch selbst nicht eingestehen, dass ich ein eifersüchtiges Stechen in meiner Brust wahrnahm, als die Beiden über etwas lachten, wovon ich nichts mitbekommen hatte. Mir war in meinem Leben noch niemand wichtig genug gewesen, dass ich Eifersucht verspüren hätte können. Aber jetzt wurde mir ganz deutlich bewusst, dass es mir nicht wirklich passte, dass Cassey gerade dabei war, mir die erste und einzige richtige Freundin wegzunehmen, die ich jemals hatte. Mona war mir in dem kurzen Zeitraum, in dem wir uns kannten, schon sehr ans Herz gewachsen und ich hatte sie, zu meiner eigenen Überraschung, schon ziemlich nah an mich herangelassen. Und irgendwie war es schmerzhaft, wie ein Schlag ins Gesicht, jetzt zu realisieren, dass nicht alles so sein konnte, wie ich es mir in meinen Träumen ausmalte. Vielleicht wusste Mona ja gar nicht, wie verschlossen ich normalerweise war und mich nur vor ihr so öffnen konnte. Vielleicht wusste sie es aber auch, ihr war es nur egal. Vielleicht aber sollte ich es auch akzeptieren, dass Mona auch noch andere Freunde hatte. Auch, wenn es Freunde waren, die ich schon auf den ersten Blick nicht leiden konnte. Und sie mich nicht.

Und obwohl ich wirklich versuchte, mir selbst einzutrichtern, dass alles in Ordnung war und, dass ich Mona nicht unwichtig war, nur weil sie gerade unglaublich viel Spaß mit Cassey hatte und die beiden schon wieder über etwas lachten und dabei aussahen, als wären sie schon seit vielen Jahren befreundet...

Ich gab es auf und schnappte mir meinen Teller. Obwohl ich eigentlich keinen Hunger verspürte, zwang ich mich dazu, eine neue Speise auszuprobieren, was ich jedoch schon in dem Moment wieder bereute, als ich den ersten Bissen probiert hatte.

„Alice, alles in Ordnung?", fragte Mona und lehnte sich besorgt über den Tisch, um mich zu mustern. „Irgendwie bist du ziemlich bleich"

„Du siehst tatsächlich nicht besonders gut aus", Casseys Stimme war kühl und emotionslos, genauso wie ihr Blick, der abschätzig über mein Gesicht wanderte. Und an genau diesem Blick konnte ich erkennen, dass sie mit ihrer Aussage nicht meinen Gesundheitsstand, sondern ihre persönliche Meinung über mein äußeres Erscheinungsbild meinte. Aber ich war mit hoher Wahrscheinlichkeit die einzige, die das bemerkte. Und ich war auch, wahrscheinlich entgegen ihrer Erwartungen, an diesem Tisch diejenige, die es am wenigsten juckte, was sie von meinem Aussehen hielt.

School of ElementsWhere stories live. Discover now