Kapitel 11

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„Fynn, mein Junge", begrüßt Vater ihn ernst und bittet ihn zu seinem Pult.

„Sir, ich habe etwas herausgefunden", grummelt er und schaut sich um, als würde er sich versichern wollen, dass niemand anderes in dem Raum ist.

„Fynn, wo warst du?", frage ich ihn und er zuckt vor Schreck zusammen.

„Oh, Kate, ich habe dich gar nicht gesehen", stottert er „Ich äh, ich hatte etwas zu erledigen. Nichts Wichtiges."

„Kate, es wäre besser, wenn du jetzt zu deinen Freunden gehen würdest", sagt Vater.

Ich will gerade etwas erwidern, da kommt Fynn auf mich zu.

„Kate, wo hast du diese Kette her?", fragt er mich, mit seiner rauen Stimme und umschließt das Amulett mit einer Hand.

„Ich, ich habe es gefunden", stottere ich.

Ich will ihm jetzt nicht erzählen, wo ich es gefunden habe. Ich meine, er hat ja schließlich auch ein Geheimnis vor mir.

„Gib sie mir", zischt er mich an, als ob er davon besessen wäre.

„Nein", erwidere ich entschlossen.

„Kate, gib sie mir. Es ist zu deinem eigenen Wohl", versucht er mich zu überreden.

„Kate, gib sie ihm", befiehlt mir Vater.

„Warum? Was ist mit diesem Amulett?", richte ich an beide und meine Stimmung fällt langsam.

„Nichts Wichtiges. Kate, gib ihm das Amulett. Jetzt!", schreit Vater mich an.

Also gebe ich ihm die Kette. Ich werfe Vater einen wütenden Blick zu und ernte dafür selbst einen.

„Ich wusste es, jetzt hat sich meine Vermutung bewahrheitet", sagt er, als ob er in einem Rausch wäre.

Er starrt immer zu auf die Kette.

„Was für eine Vermutung?", fragt Vater.

„Das kann ich nicht vor Kate sagen."

„Was? Warum kannst du das vor mir nicht sagen?"

„Kate, ich komme nachher noch zu dir, aber du musst jetzt gehen", brummt Vater und deutet au die Tür.

Ich gebe mich geschlagen und verlasse den Raum. Ich habe keine Lust auf einen Streit. Wieso wird hinter meinem Rücken über mich geredet? Ich will meine Kette wieder haben, mehr nicht. Wieso können sie mir nicht einfach sagen, was damit ist? Es ist doch nur eine normale Kette. Nur eine Kette.

Also mache mich ich noch einmal auf den Weg zum Klassenraum, weil mir klar ist, dass ich von ihnen nichts freiwillig erfahren werde. Deshalb muss ich die Informationen selber suchen. Ich lege mein Ohr vorsichtig an die Tür und lausche. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich alles mithören kann, was dort drinnen geredet wird, doch ich höre jeden Atemzug von Vater und Fynn. Ungewöhnlich.

„Sie wird auserwählt, Aragorn, ich habe es geseh-", höre ich die gedämpfte Stimme von Fynn, doch er unterbricht plötzlich, was er sagen wollte.

Die Tür wird schlagartig aufgerissen und ich springe erschrocken zurück.

„Du hast alles gehört, oder?", brummt Fynn mich wütend an und stöhnt genervt.

„Nein, ich habe nur gehört, dass du gesehen hast, dass sie auserwählt wird. Wer ist sie?"

„Das erkläre ich dir später. Geh jetzt, bevor du noch mehr mit bekommst", befiehlt er mir.

„Nicht, bevor ich meine Kette zurückbekommen habe", zische ich. „Wenn damit nichts Wichtiges ist, kannst du sie mir ja geben. Ich gehe erst, wenn ich sie wieder habe", drohe ich ihnen, denn ich weiß genau, dass mein Vater weiß, dass ich was so etwas angeht standhaft bin und sie mich snst nicht mehr los werden.

Fynn guckt Vater an. Dieser nickt und Fynn gibt mir widerwillig die Kette zurück. Ich sehe noch, wie mein Vater den Kopf schüttelt. Dann werde ich von dem äußerst reizenden Fynn recht grob aus der Tür geschoben. Jetzt bin ich echt sauer. Keiner schiebt mich einfach so zur Tür hinaus. Es ist doch echt nicht wahr. Fynn war an meinem ersten Tag hier so nett zu mir. Es ergibt keinen Sinn, dass er jetzt so grob und unfreundlich zu mir ist, ich habe ihm nichts getan.

Egal. Ich will meine Zeit nicht weiter damit verschwenden, daran zu denken. Ich laufe zu meinem Zimmer. In meinem Zimmer lasse ich mich sofort auf das Bett fallen. Ich bin richtig müde. Ich muss die ganze Zeit daran denken, was Fynn gesagt hat. „Sie wird auserwählt". Was meint er damit? Diese Frage geht mir die ganze Zeit durch den Kopf. Aber ich wollte eigentlich nicht mehr daran denken, also sollte ich damit aufhören.

Ich setze mich aufrecht in Richtung meines Fensters hin. Ich beobachte den Himmel, wie er langsam von dunklen Wolken überzogen wird, bis kein Stückchen blau mehr zu sehen ist. Der Wind nimmt an Stärke zu und schon kurze Zeit später schlagen die ersten Regentropfen gegen mein Fenster. Vater hatte Recht gehabt, es würde später schlechtes Wetter werden. Vielleicht würde es ja noch richtig stürmen.

Jemand klopft an meine Tür. Ich seufze. Ich habe absolut keine Lust, jetzt aufzustehen und meine Beine zur Tür zu bewegen. Aber dann mache ich die Tür doch auf und zu meiner Überraschung steht dort ein völlig durchnässter Fynn vor der Tür.

„Darf ich reinkommen?"

„Wenn es sein muss", grummle ich und verdrehe die Augen. „Aber du bleibst hier stehen, ich habe keine Lust, heute Nacht in einem Wasserbett zu schlafen."

Er nickt und bleibt stehen. Ich trotte wieder zu meinem Bett und setze mich.

„Ich wollte dich vorhin nicht wütend machen. Das musst du mir glauben. Es tut mir echt leid", entschuldigt er sich.

„Das habe ich aber anders gesehen."

„Ich weiß, es kam vielleicht so rüber, aber du musst verstehen, dass du nicht alles wissen musst. Und schon gar nicht die Dinge, die ich zu tun habe."

„Wenn du meinst. Fynn, warum kannst du mir nicht sagen, was du 'gesehen' hast?", frage ich ihn ernst und verschränke meine Arme, wobei ich auch meine Augenbrauen hochziehe.

„Ich, Kate, dass kann ich dir nicht sagen", stottert er. „Ich meine es ernst. Das geht dich nichts an."

„Bist du irgendwie so ein Hellseher oder so?", lache ich.

Seine Miene verfinstert sich schlagartig. Er fand mein Kommentar wohl gar nicht lustig. Ich höre sofort auf zu lachen.

„Du bist einer?" frage ich sanft, ich will ihn nicht wütend machen.

Er antwortet nicht.

„Fynn? Ist es wahr?"

Er antwortet nicht.

„Fynn, rede mit mir. Ich finde, ich habe ein paar Antworten verdient, findest du nicht?"

Ich bekomme keine Antwort.

„Fynn! Antworte mir."

„Ja, genaugenommen kann ich in die Zukunft sehen. Ich bin ein Zukunftsblicker. Ich kann alles sehen, was in der Zukunft passiert. Und ich habe gesehen, wer dieses Jahr für den Manali Mana auserwählt wird", rutscht es ihm heraus.

Sofort schlägt er sich die Hand vor den Mund.

„Das tut mir leid. Ich wollte nicht-"

„Wer ist es?", unterbreche ich ihn.

„Das darf ich dir nicht sagen."

„Hat Vater dir das gesagt?", frage ich.

„Dein Vater? Ist das etwa Aragorn?"

„Ja. Er ist mein Vater"

„Oh, dass wusste ich nicht. Es gibt die Sache, über die ich nicht sprechen darf, es tut mir leid."

„Ich möchte alleine sein Fynn. Kannst du bitte gehen?", frage ich ihn vorsichtig.

„Natürlich. Ich will dich nicht weiter stören. Bis nachher", verabschiedet er sich und verlässt mein Zimmer.

Ich drehe mich um und denke über den Tag nach. Ich habe das Gefühl, dass Fynn irgendwas mit dem Manali Mana zu tun hat, aber ich weiß nicht was.

Er hat zwar gesagt, dass er gesehen hat, wer auserwählt wurde, aber woher weiß ich denn bitte, ob er die Wahrheit sagt?

Die ElementehüterinWhere stories live. Discover now