Kapitel 58

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„Okay", flüstere ich weinend und gehe zurück zu den Drachen.

Er nimmt mich in den Arm. Das gibt mir Kraft.

~

Es ist mittlerweile halb elf und wir werden jeden Moment unser Ziel erreichen. Luca gibt mir ein Zeichen und ich gucke runter. Dort ist der Friedhof. Überall stehen Gräber, die alt und vermodert aussehen. Ich bekomme Angst. So etwas habe ich noch nie gesehen. Ich habe Friedhöfe schon immer aus Prinzip gemieden.

„Wir sollten hier landen", ruft Luca mir zu.

Als wir auf dem Boden aufsetzen, traue ich mich gar nicht, von Tokatos abzusteigen. Es ist jetzt schon beängstigend, auch wenn es noch hell ist. Wie wird es sein, wenn es Mitternacht ist? Ich will es mir gar nicht vorstellen. Ich ringe mich doch dazu durch, mich von Tokatos zu bewegen und springe hinunter. Ich lande in matschigem und modrig stinkendem Boden. Luca kommt zu mir.

„Wir schaffen das", sagt er und nimmt mich in seine Arme.

„Hoffentlich."

„Nein, Kate. Was habe ich dir gesagt?"

„Ja, Luca, wir schaffen das", antworte ich, nicht mit viel Optimismus.

„Hast du deine Waffen bei dir?", fragt er.

„Ja", sage ich und deute auf meinen Bogen und den Köcher mit Pfeilen.

„Hast du kein Schwert?", fragt er erstaunt.

„Nein. Ich habe keins bekommen."

Sofort geht Luca zu seinem Drachen und kramt in der Satteltasche herum, bis er etwas glänzendes herauszieht und wieder zu mir kommt. Er hält mir ein Schwert hin. Ich nehme es und bedanke mich. Es sieht so aus wie das, welches Luca von Fynn bekommen hat.

Dann stellt er sich ganz nah vor mich und streicht mir eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.

„Ein letztes Mal muss ich das noch tun. Wer weiß, vielleicht können wir uns nie wieder so nah sein", haucht Luca und legt seine Arme um meine Hüfte.

Ich spüre seinen Atmen auf meiner Haut. Unsere Nasen berühren sich fast. Dann legt er seine Lippen auf meine und in mir explodiert ein Feuerwerk der Gefühle. Es ist so schön, Luca zu küssen. Als ich meine Lippen von seinen entferne, stoße ich einen kleinen Schrei aus.

Mit zittrigen Fingern zeige ich auf die modrigen Grabsteine, die so verstaubt und verdreckt sind, dass man kaum noch lesen kann, was auf ihnen geschrieben steht. Die Gräber fangen leicht an zu leuchten. Sie schimmern blau. Das Licht verteilt sich über dem Friedhof, wie die Sonne ihres auf der Erde.

„Das ist ganz normal. Wir haben noch eine Stunde zeit", beruhigt Luca mich. „Das ist nur die Vorwahrnung.

Es wird dunkler, immer dunkler. Und dann fängt es auch noch an zu regnen. Die Tropfen sind schwer und tun auf meiner Haut weh. Schlimmer hätte es echt nicht kommen können, denke ich.

Einige Zeit stehen Luca und ich einfach da und beobachten das immer greller leuchtende blaue Licht. Gleich ist es soweit. Gleich entscheidet sich, was mit dem Universum passiert. Gleich wird sich entscheiden, wer überlebt und wer stirbt.

„Wir sollten mit einem Luftangriff starten", holt Luca mich aus meinen Gedanken.

„Okay", jetzt werde ich wach. „Gut, wir teilen uns den Friedhof ein. Ich übernehme die vordere Hälfte und du die Hintere. In Ordnung?"

„Alles klar."

Jetzt ist keine Zeit mehr, ein feiges Huhn zu sein. Jetzt muss ich stark sein. Ich bin eine starke Kriegerin, die sich von nichts unterkriegen lässt, rede ich mir ein und endlich glaube ich es mir.

Die ElementehüterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt