Kapitel 106

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„Ich bin deine Awhina, dass heißt, ich kann dich nicht anlügen. Das solltest du wissen."

Mein Herz schlägt mit jedem ihrer Worte höher. Ich will, dass sie es endlich ausspricht. Ungeduldig warte ich darauf, dass sie fort fährt.

„Wir haben es geschafft. Wir alle zusammen haben den Manali Mana zum Fall gebracht. Kate, du hast es geschafft. Du warst so tapfer und mutig und ich habe wahnsinnigen Respekt vor dir und bin so stolz auf dich, dass kannst du dir gar nicht vorstellen. Und das mit deinem Vater tut mir so leid. Ich will, dass du die ganze Wahrheit kennst. Ich bin nicht Avee und Luca ist nicht dein Feind."

„Wer bist du dann, wenn du nicht Avee bist?", frage ich erstaunt und erschrocken zu gleich.

Das Zwitschern eines kleinen Vogels zieht meine Aufmerksamkeit für einen Moment auf sich. Als ich wieder zu Avee blicke, steht nicht mehr sie vor mir, sondern eine wunderschöne Frau. Sie hat lange, feuerrote Haare und rote Augen, die aussehen, als würde ein Feuer lichterloh in ihnen brennen. Sie trägt ein langes, schwarzes Kleid und ein Amulett um den Hals.

„Du bist Galacsya?", frage ich, ohne eine Antwort zu erwarten.

„Es tut mir so leid, dass ich es dir vorenthalten habe, aber sonst wäre unser Plan nicht aufgegangen. Ich habe mir geschworen, dass wenn alles vorbei ist, ich dir alles erzählen werde, und dass mache ich jetzt. Ist das in Ordnung für dich?"

Ich nicke nur.

„Luca ist nicht der, für den du ihn gehalten hast. Bitte verstehe das jetzt nicht falsch. Er hat seinen Fehler eingesehen, genau deshalb haben wir den Manali Mana vernichten können. Luca ist auch unter dem Namen Poseidon bekannt. Er hat dir sicherlich von den Streitereien zwischen uns erzählt. Jedenfalls hat er alles dafür getan, seinen Fehler wieder gut zu machen und wir haben uns zusammen getan. Wir brauchten für unseren Plan jemanden, der furchtlos und mutig ist. Jemand, der an seiner Seite kämpfen kann. Ich habe dich ausgewählt. Aber um uns helfen zu können, musstest du erst sterben. Und es tut mir so leid, dass es dir so viele Sorgen bereitet hat und dass du vorher nicht gefragt wurdest. Das Problem an der Sache war nur, wenn du von unserem Plan gewusst hättest, hätte Fynn es aus dir herausbekommen. Denn er ist nicht nur ein Zukunftsblicker, aber das ist jetzt unwichtig.  Du durftest von dem Plan nichts erfahren, damit wir ihn durchführen konnten. Und du hast nicht so gut entwickelt. Viel besser, als ich gedacht hatte. Poseidon hatte auch sehr großes Gefallen an dir. Für ihn warst du wie eine Seelenverwandte und als du dich gegen ihn gewendet hast, ist er fast umgekommen. Denn wenn ein Gott sich einmal unsterblich verliebt hat und diese Liebe nicht erwidert wird, kann er davon sterben. Ein Gott verliebt sich nur einmal. Und jetzt kommen wir zu Fynn. Er und Alewina haben sich gegen mich und alle anderen verschworen. Sie wollten dich vernichten und meinen Platz einnehmen. Sie wollten den Manali Mana fortführen und Fynn hat einige Versuche unternommen, dich zu töten. Vielleicht war dir das nicht so bewusst, aber das ist bei ihm schon immer so gewesen. Fynn wollte Luca umbringen und dich auf seine Seite holen, als er es nicht geschafft hat, dich zu ermorden. Du hättest ihm nämlich dann irgendwann den Platz als Gott frei räumen können, da du so eine starke Frau geworden bist. Du bist die mächtigste Elementehüterin, die es je seit der Menschheit gegeben hat. Du hast so eine große Verantwortung und ich werde dir helfen, damit umzugehen. Es gibt im Universum noch drei weitere Hüter, die du finden musst. Denn nur, wenn ihr zu Viert sein, könnt ihr das Universum beschützen. Ihr seid stärker als alle Götter zusammen. Das Problem ist, dass die Hüter überall sein können, aber du wirst sie irgendwann finden, denn du bist unsterblich. Seid dem Moment in dem du gestorben bist."

Dann macht sie eine Pause und kommt einen Schritt auf mich zu. Sie legt ihre Hand auf meine Schulter und dann macht sich ein großes Lächeln auf ihren Lippen breit.

„Aber bevor du dich auf die Suche begeben wirst, schicke ich dich auf die Erde zurück, dort kannst du dann noch ein bisschen dein altes Leben genießen", erzählt sie mir und ihre Augen beginnen zu leuchten.

Ich finde keine Worte. Auf meiner ganzen Haut breitet sich Gänsehaut aus und mein Herz zerspringt fast vor Freude und Erleichterung.

„Danke", bringe ich nur heraus und umarme Galacsya ganz fest.

Endlich kenne ich die Wahrheit und endlich weiß ich, was wirklich los ist.

„Ich danke die, Kate. Für deinen Mut und deine Tapferkeit. Du bist das mutigste Mädchen, dass ich kenne. Und genau deshalb verdienst du den Namen „Kiana". Der Namen steht für die Göttin der Jagd und des Mondes. Sie ist fest mit den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft verbunden und besitzt zusätzlich die Gabe, den Geist zu kontrollieren. Und jetzt heißt es vorerst, Abschied nehmen", sagt sie und ich meine, eine Träne in ihren Augen zu sehen. „Ich wünsche dir alles Gute und wir werden uns bald wiedersehen. Aber jetzt genießt du erst einmal noch die Nähe deiner Familie. Auf Wiedersehen, Kate."

„Auf Wiedersehen."

Dann dreht sie sich um und gleitet über den Boden hinfort in die dunklen Tiefen des Waldes.

Die ElementehüterinWhere stories live. Discover now