- Kapitel 48 -

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„Liebes Tagebuch,

in den letzten Wochen ist einiges passiert. Mit Miloš habe ich mich zwar nicht mehr gestritten, doch die Stimmung ist zwischen und trotzdem immer noch angespannt.

Aber dafür läuft es mit Alex und den anderen sehr gut. Wir verstehen uns blendend und unternehmen viel. Ich bin mir sicher, dass ich in ihnen Freunde für's Leben gefunden habe, ich gehöre dazu. Sie haben mir außerdem die Augen geöffnet. Hier kamen in den letzten drei Wochen noch unzählige Flüchtlinge an. Viel zu Viele. Ich wollte ihm bisher nicht so richtig meinen Glauben schenken, doch er hat mit allem Recht was er sagt. Ich war nur viel zu naiv, um ihm das zu glauben. Man kann schon fast sagen, dass ich allen echt dankbar dafür bin, dass sie mir die Augen geöffnet haben. Kriminelle, Kranke und einfach nur Geldgierige Menschen sind unter ihnen. Wir wollen unter uns bleiben. Bei so viel „multi-kulti" geht unsere Kultur verloren. Warum unterstützen das so viele? Keine Ahnung... Ich bin auf Alex' Seite.

Marielena und Anne haben sich mittlerweile auch wieder beruhigt. Sie finden es zwar nicht toll, dass ich mit Miloš zusammen bin, aber so können sie jedenfalls sichergehen, dass ich mich nicht an Alex ranschmeiße.

Die Abende mit ihnen sind wirklich immer schön. Wir sitzen im Park und reden über alles Mögliche. Gut, manchmal geht auch der ein' oder andere Joint rum, aber was ist da schon bei, wenn man mal einen durchzieht? So schlimm wird das schon nicht sein. Es ist so entspannend und man vergisst für einen Moment den Stress.

Wo wir gerade bei Stress sind... Zu Hause gibt es eine Menge davon. Ich war in der letzten Zeit nicht oft bei Mon Cœur, sodass mein Vater oft zu ihr gefahren ist. Ich hatte aber wirklich keine Zeit. Wenn ich nicht zu den Cliquen-Treffen erscheine, dann gibt es dort Stress und mit Mon Cœur habe ich die letzten Jahre meines Lebens verbracht. Sie wird es verkraften, dass ich im Moment nicht so oft bei ihr bin. Meine Eltern sehen das, natürlich, anders. Es gibt aber nicht nur deswegen oft Stress. Sondern auch wegen der Schule. Ich habe ja für die eine Klausur nicht gelernt, weil ich es schlicht und einfach vergessen habe. Kann doch mal passieren. Meine Note war dementsprechend schlecht. Eine sechs. Also 0 Punkte. Meine Güte gab das ein Theater zu Hause. Als ob meine Eltern nicht selbst mal eine schlechte Note bekommen hätten.

Dafür gab es auch gleich Hausarrest. Das ist jetzt auch drei Wochen her und heute ist der letzte Tag in diesem Knast von zu Hause. Fehlt nur noch, dass sie mein Handy und Laptop kontrollieren und mich abends einschließen. Sonst waren meine Eltern immer total locker, aber in der letzten Zeit sind die total spießig und anstrengend geworden.

Ich bin mal gespannt, was sie nachher zu meiner neuen Frisur sagen werden. Ich habe mir schwarzes Färbemittel gekauft und werde mir einen Sidecut rasieren. Das hat Anne auch, ist jetzt ziemlich im Trend hier. Und wenn man dazugehören will, muss man auch Opfer bringen. Die Haare wachsen ja wieder. Meine Eltern werden an die Decke gehen. Aber das ist mir mittlerweile egal. Es gab so viel Ärger hier, da kommt es auf dieses eine Mal auch nicht mehr an. Die werden sich schon noch beruhigen. Aber ich will jetzt keine Zeit verlieren und werde mich meinen Haaren widmen.

Bis bald,

June"

Gesagt, getan, June hat sich im Bad eingeschlossen und mischt die schwarze Haarfarbe zusammen und gibt sie sich nach und nach in die Haare. Ein bisschen mulmig ist ihr zu mute, doch wenn es Anne steht, warum sollte es bei ihr nicht auch gut ausssehen?

Während der Zeit, die die Farbe zum Einwirken brauchte, telefonierte June mit ihrer besten Freundin.

„Hey Em! Wie geht's dir?", begrüßte sie Emily.
„June. Du bist es? Ich dachte du meldest dich gar nicht mehr. Mir geht es gut und dir?", fragte Emily.
„Mir geht es auch gut. Habe mich letztens ziemlich mit Miloš gestritten, aber das habe ich dir ja schon erzählt, oder?"
„Ihr habt euch gestritten?"
„Ja, Alex hat uns im Wald gesehen und hat Miloš ein bisschen beleidigt, woraufhin er total ausgerastet ist. Ich dachte echt, das war es jetzt. Mir ging es noch nie so mies. Aber wir haben es wieder größtenteils hinbekommen."
„Oh man, das klingt ja gar nicht gut..."
„Ne, aber da ist Geschichte. Gibt es bei dir was Neues?"
„Nein, eigentlich nicht. Es ist alles wie immer. Aber ich werde in den Herbstferien doch nicht kommen können... Meine Eltern haben Urlaub gebucht. Aber vielleicht schaffen wir es ja im November mal an einem Wochenende?"
„Schade... Aber..." Junes Satz wurde von dem Klingeln ihres Weckers unterbrochen. Es war Zeit, die Farbe auszuwaschen.
„Was war das?", fragte Emily.
„Ich muss kurz die Farbe aus meinen Haaren waschen. Ich melde mich bei dir. Tschüss!", sagte June und legte auf.

June ließ lauwarmes Wasser über ihren Kopf laufen und beobachtete die schwarze Suppe, die aus ihren Haaren lief. Es dauerte Ewigkeiten, bis nur noch klares Wasser von ihren Haaren lief. Dann gab sie die Haarkur, die bei dem Färbemittel dabei waren in ihre Haare und ließ diese kurz einwirken.

Als June auch diese ausgespült hatte, wickelte sie ihre Haare in einen Handtuchturban.
Plötzlich klopfte es an der Badezimmertür.
„June? Wir gehen spazieren. Du willst bestimmt nicht mit oder?", vernahm June die, durch die Holztür abgedämpfte Stimme ihrer Mutter.
„Nein, geht mal alleine", antwortete sie.

Der Ton zwischen ihren Eltern und June war seit einiger Zeit ziemlich herunter gekühlt.

Doch in diesem Moment machte sich die 17-jährige keine weiteren Gedanken darüber. Sie stand vor dem Spiegel und ließ zögerlich das Handtuch von ihrem Kopf gleiten, welche die pechschwarzen Locken über ihre Schulter fallen ließ.

Zufrieden lächelte June ihrem neuen Spiegelbild entgegen.

‚Genauso, wie ich es mir vorgestellt habe.'

Jetzt fehlte „nur" noch der Sidecut. Mit zitternder Hand griff June nach dem elektrischen Rasierer, den sie sich extra hierfür gekauft hatte. Schließlich wollte sie keine Halbglatze. Es sollten noch ca. 3mm Haare übrigbleiben.

‚Also los...', sprach June sich in Gedanken gut zu.

Sie schaltete den Rasierer ein und zog die erste kahle Bahn an ihrer linken Schädelseite. Nachdem der erste Schritt getan war, ging der Rest wie von alleine.

Als June fertig war, betrachtete sie zufrieden ihr neues, ungewohntes, anderes Spiegelbild. Ihr gefiel sehr was sie sah und war gespannt darauf, was die anderen zu ihrer neuen Frisur sagen würden.

Ihr Siegerlächeln und ihre Dankesrede an sich selbst wurde jedoch von dem entsetzten Blick ihrer Mutter unterbrochen, die nahezu lautlos die Tür geöffnet hatte und nun entgeistert durch diese schaute. Mit offenem Mund betrachtete sie ihre „neue" Tochter.


Der Weg zum Licht [***Abgeschlossen***]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt