- Kapitel 39 - (Teil 1)

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"Good morning Boys and Girls. Our todays agenda: First of all we're going to write a vocabulary test. After that, we'll work in our workbooks – reading comprehension and grammar. Any questions?", begrüßte der Englischlehrer etwas überschwinglisch die Klasse.

Eine Mischung aus Panik und sinkender Motivation erfüllte den Raum. Wiederwillig kramten die Schüler in ihren Taschen nach einem Stift und einem Zettel.

"Let's get started. Please write the following words down: appropriately, area code, business call, contract, daunting, extension, Festnetz, Leitung, Zeitplan, jemanden verbinden, vertreiben, Warteschleife."

Sofort fingen alle an wie wild auf dem Papier loszukritzeln. Zwischendurch fragte der ein oder andere noch einmal nach: "Können Sie das noch einmal wiederholen?"

"Please talk English!"

Genervt wiederholte die Schülerin ihre Frage: "Could you repeat that, please?"

"Okay guys! Pens down! Pens down!", unterbrach der Englischlehrer die angespannte Stille und fing an, die Tests einzusammeln.

"Ich brauche noch kurz, ich weiß das, ich weiß das...", tönte es aus nahezu allen Richtungen.

Nachdem alle ihren Frust kundgegeben hatten, wurde wie angekündigt im Workbook gearbeitet.

Keine Minute verging, in der nicht mindestens einer der Schüler auf die Uhr sah. Auch June konnte es kaum erwarten, dass endlich die Klingel sie alle von diesem Wahnsinn erlösen würde.

Kaum hatte sie den Gedanken beendet, ertönte das heiß ersehnte Klingeln. Die Schüler ließen nahezu alle gleichzeitig ihre Stifte fallen, sprangen auf und verließen die Klasse. Mit offenem Mund und voller entsetzen stand der Englischlehrer vor seinem Pult und versuchte die Schüler zum bleiben zu motivieren. Schließlich würde er den Unterricht beenden, nicht die Klingel – einer der Lieblingssprüche aller Lehrer.

Augenrollend verließ June die Klasse und hielt nach Marielena und den anderen Ausschau.

Sie fand ihre Clique an der gleichen Stelle wie immer. Eine Bank unter einer alten Trauerweide war zu ihrem Stammplatz geworden. Hier trafen sie sich jede Pause, um zu essen, sich über aktuelle Themen auszutauschen und sich zu verabreden.

„Da bist du ja.", wurde June von Tim begrüßt.

„Hi ihr. Alles klar? Was war das denn eben für eine Englischstunde? Total daneben...", beschwerte sich June.

„Ja... Und der Vokabeltest war auch ein Satz mit X...", entgegnete Marielena.

„Nun stellt euch mal nicht so an. June, letztes Mal sind wir ja vom Thema Politik abgekommen. Interessiert dich das?", warf Alex ein.

„Hmm.. nicht so richtig. Ich kann damit einfach überhaupt nichts anfangen. Politik und ich, das ist wie Schnee und Wärme, das passt einfach nicht.", antwortete June.

„So gar nicht? Aber irgendetwas musst du doch mitbekommen haben."

„Naja, nur die Flüchtlingskrise. Ganz schön schlimm für die Leute..."

„Für die?"

„Ja. Sie riskieren ihr Leben, lassen in ihrer Heimat alles zurück, weil durch den Krieg viel zerstört wird. Einige haben ihre Familien sterben sehen und dann werden sie hier mit viel zu vielen anderen in Container gesteckt – die Organisation ist teilweise echt nicht gut gelaufen..."

„Aha... Hast du dabei schon mal an uns gedacht?"

„An uns? Inwiefern?"

„Unter den Flüchtlingen sind so viele in unserem Alter, die wollen hier ein neues Leben anfangen. Schön und gut, aber das können die auch woanders. Hier nehmen sie uns die Jobs und Ausbildungsplätze weg, sind teuer, machen nur Dreck und sind kriminell."

„So kannst du das jetzt aber auch nicht sehen. Du kannst doch nicht alle über einen Kamm scheren!", antwortete June energisch.

„Aber schau doch mal: Es gibt sowieso schon eigentlich viel zu wenig Ausbildungsplätze und jetzt kommen abertausende Ausländer und wollen hier auch studieren oder was lernen, wenn sie nicht zu denen gehören, die sich durchfressen oder kriminell werden, beziehungsweise es schon sind. Die können kein deutsch müssen ja aber ‚integriert' werden, was bedeutet, dass die bestimmt auch bei der Auszubildenden-Auswahl einen Vorteil haben."

„Ach jetzt übertreibst du aber!"

„June – hör mir zu: Die müssen alle wieder weg. Kriminelle Schmarotzer können wir hier nicht gebrauchen.", während Alex das sagte, sah er June tief in die Augen.

Seine blauen Augen blitzen in Kombination mit seinen hellblonden Haaren auf, wie Eiszapfen. Alex' Augen hatten etwas kaltes an sich. Im Gegensatz zu Miloš Augen, wirkten sie nicht verlockend, wie der Ozean, strahlten nicht die Wärme und Schönheit des Meeres aus, sondern wirkten wir spitze, große Eiszapfen, die von der Dachrinne hingen und jeden Moment abzustürzen drohten. Alex' Augen machten ihr Angst. Sein starrer Blick machte ihr Angst. Sein gesamtes Auftreten ließ June einen Schauer über den Rücken laufen.

„Hast du auch schon mal daran gedacht, wie viele Krankheiten die wieder eingeschleppt haben?", fügte er hinzu.

„Aber da können die doch nichts für...", June wusste allmählich nicht mehr, was sie zu Alex' Verhalten sagen sollte.

„Das vielleicht nicht, aber warum sollen wir das tolerieren, dass irgendwelche kranken Terroristen unser Land zerstören? Denk drüber nach! Wir sprechen uns nach der Schule!", er sah ihr mit seinem eiskalten Blick direkt in die Augen als würde er denken: „Pass' auf was du sagst kleine – gegen mich lehnt sich keiner auf und die, die es tun, werden es bereuen..."


Der Weg zum Licht [***Abgeschlossen***]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt