- Kapitel 40 -

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Vom Park aus fuhr June direkt in den Stall. Auf dem Weg rief sie Emily an.

"Hey Em, ich bins."
"June!!!", piepste die Stimme am anderen Ende der Leitung.
"Oh Gott nicht so laut! Ich falle ja gleich vom Fahrrad!"
"Sorry. Wie geht's dir?"
"Mir geht es bestens, wie immer. Und dir?"
"Logisch! Wie läuft e smit Miloš?"
"Sehr gut. Er kommt morgen Abend wahrscheinlich zum Essen zu uns.", berichtete June freudig.
"Echt? Du willst ihn deinen Eltern vorstellen? Also so richtig? Ist das jetzt was ernstes?"
"Nicht so viele Fragen auf einmal bitte", lachte June. "Also ich denke schon, das das was festes ist... Fühlt sich jedenfalls so an..."
"UUUHHHHHH freut mich!!!!!", brüllte Emily. June rollte nur mit den Augen und lächelte.
"So ich bin jetzt im Stall... Schreiben wir später noch?", fragte sie.
"Alles klar – bis später. Viel Spaß mit Miloš.", verabschiedete sich Emily mit einem sarkastischen Unterton.

June legte auf und bog in den Weg zum Reiterhof ein. Der Staub wirbelte auf und sie rutschte mit ihren Fahrradreifen auf dem Schotter fast weg.

Während June ihr Fahrrad abstellte, hielt sie nach ihrem Freund Ausschau, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Sie entschied sich dazu, erst einmal ihre Stute von der Koppel zu holen und abzuspritzen. Bei den Temperaturen genoss Mon Cœur es sichtlich. Auch June kam diese Abkühlung gerade recht. Da im Moment niemand auf dem Reitplatz war, ließ June ihre Stute dort kurz stehen und sich wälzen, während sie sich auf die Suche nach Miloš machte. Trotz des guten Wetters war keine Menschenseele im Stall. Die Meisten saßen wohl zu Hause bei ihren Familien im Garten, grillten und sahen den Kindern beim Spielen zu.

Nachdem sie jede Ecke im Stall nach Miloš abgesucht hatte, kehrte sie zurück zum Reitplatz, lehnte sich an den Holzaun, wobei sie einen Fuß auf der mittleren Holzstrebe abstellte. So stand sie eine Weile da und sah ihrem Pferd dabei zu, wie es mit seinem Atem den Sand aufwirbelte und nach einer geeigneten Stelle zum Wälzen suchte. In dem Augenblick, als die weiße Stute sich endlich hinlegte kam auch Miloš zum Vorschein. Schweigend stellte er sich einfach neben June, die das gar nicht mitbekam. Als er seinen Arm um ihre Taille legte und ihr einen sanften Kuss auf die Wange drückte, erschrack sie, beruhigte sich aber im nächsten Moment gleich wieder. „Hast du mich erschreckt... Wo warst du?", fragte June. „Hab' noch kurz was erledigt.", entgegnete er.
„Sag mal was hältst du davon, wenn du morgen Abend zu uns zum Essen kommst? Mama hat gefragt, ob du Lust hast.", unterbrach June die Stille. „Gerne. Ich freu mich."

Mit dem Beenden des Satzes vibrierte Junes Handy. Eine Neue Nachricht von Alex: ‚Heute Abend, 20 Uhr amTreffpunkt. Komm' alleine.'

June sah verwundert auf ihr Handy und wusste mit der Nachricht nichts anzufangen, aber es machte ihr Angst. Sie schluckte.

„Alles okay? Wer hat geschrieben? Zeig mal.", fragte Miloš.

„Ach nichts, schon okay. War nur meine Mutter, die wissen wollte, wann ich nach Hause komme. Ich muss jetzt auch los. Bis morgen.", erwiderte June, küsste ihren Freund flüchtig, fing Mon Cœur ein und ließ Miloš dann einfach stehen.

Er war sichtlich verwirrt, sagte aber zunächst nichts. Doch dann lief er June nach: „He, warte mal!", rief er ihr hinter her und packte ihren Arm. Wiederwillig blieb June stehen und wartete darauf, dass Miloš etwas sagen würde. „Du kannst mit mir reden, wenn etwas nicht stimmt, okay?", flüsterte er. „Danke, aber es ist wirklich alles in Ordnung. Wir sehen uns morgen. Bis dann.", entgegnete June. Bis 20:00 Uhr hatte sie noch knapp 2 Stunden Zeit. Also beeilte sie sich damit, im Stall alles wieder aufzuräumen und raste nach Hause.

Dort angekommen lief sie schnurstracks in ihr Zimmer, zog in Windeseile alle Klamotten aus und lief ins Bad. Sie duschte in gefühlter Lichtgeschwindigkeit, sprang dann aus der Dusche zog sich wieder an und Band ihre nassen Haare zu einem Dutt zusammen. Ein flüchtiger Blick verriet ihr, dass es 19:00 Uhr war – also hatte sie noch eine halbe Stunde Zeit, bis sie sich auf den Weg machen musste. Was Alex bloß von ihr wollte?

Doch sie hatte jetzt keine Zeit dafür, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Sie schloss ihr Handy noch kurz an ihr Ladekabel an und suchte ihre Lederjacke aus dem Schrank hervor.

June schlich die Treppe hinunter, blieb jedoch auf dem letzten Treppenabsatz stehen, um sich zu vergewissern, dass „die Luft rein" war. Dann schlich sie zur Tür hinaus und schloss diese behutsam und fast lautlos hinter sich.

Als sie auf ihrem Fahrrad saß, trat sie kräftig in die Pedale, um schnellstmöglich eine große Distanz zwischen sich und das Elternhaus zu bringen. Wenn ihre Eltern das mitbekommen würden, dass sie sich abends im halbdunkeln, alleine, mitten im Wald mit einem angsteinflößenden, jungen Mann traf, würde es mächtig Ärger geben. Also war es besser, wenn sie nichts davon erfahren würden. Jedenfalls nicht jetzt. Für später würde June sich noch eine Ausrede zurechtlegen.

Am Waldrand angekommen stieg sie von ihrem Drahtesel ab und schob bis zum Treffpunkt. Je weiter sie in den Wald eindrang, desto dunkler wurde es. Eine unheimliche Atmosphäre, fand June.

Als June an verabredeter Stelle eintraf, war noch niemand zu sehen. ‚Ob das nur eine Falle ist?', fragte sich June. Doch im nächsten Moment hörte sie das knacken der Äste hinter sich.

„Hallo June.", hauchte ihr eine männliche Stimme ins Ohr. Sie erschrak und drehte sich schwungvoll um.
„Alex... Musst du mich so erschrecken? Was willst du von mir? Und warum hier? Jetzt im Dunkeln...", fragte June, mit einem vorwurfsvollen Unterton in der Stimme.

„Angst?", gab Alex lachend zurück.

„Nein, ich finde es nur komisch...", entgegnete sie.

Stumm deutete Alex mit seiner rechten Hand auf den Platz neben sich am Boden. June setzte sich neben ihn.

„Also meine Liebe... Warum ich dich herbestellt habe: Du bist neu und ich bin mir mit dir noch nicht sicher. Du hast zwar vorhin meiner Meinung eingewilligt, doch das war mir nicht sicher genug. Also, warum sind diese ganzen Ausländer hier falsch? Was habe ich dir vorhin gesagt?"

„Ähm...also...", June war mit der Situation überfordert.

„Mein Gott, so wird das nie was. Hier nimm mal einen Zug, dann wird's einfacher.", entgegnete Alex und hielt ihr einen Joint hin.

„Was ist das?", fragte June reflexartig.
„Bist du so blöd oder tust du nur so? Das ist Gras. Du hast doch schon gekifft oder?"
„Klar, war nur ein Spaß", log June und nahm einen kräftigen Zug, der ihr sofort einen Hustenanfall bescherte.
„Kleine merk' dir eins: Ich hasse es angelogen zu werden."
„Mhm..."

Ein wohliges Gefühl machte sich in Junes Körper breit und sie hatte das kaum händelbare Bedürfnis laut loszulachen.

„Also meine liebe June. Wo waren wir stehen geblieben?"
„Ausländer sind scheiße!", flüsterte June, mit unterdrücktem Lachen.
„Und warum?" Nun nahm auch Alex einen kräftigen Zug, bei ihm blieb der Hustenanfall jedoch aus.
„Weil sie teuer sind, Arbeits- und Ausbildungsplätze wegnehmen,..."
„Und?"
„Krankheiten einschleppen..."
„Und?"
„Kriminell sind..."
„Und was noch?"
„Noch mehr?", fragte June.
„Ja. Sie sind faul! Kommen hier her, leben auf unsere Kosten und lassen es sich gut gehen. Schmarotzerpack!"

In Junes Zustand ergab für sie auf einmal alles Sinn: Die Presse hatte es von vornherein angekündigt und sie war so naiv gewesen und hatte an das Gute im Menschen geglaubt... Doch wie Alex immer wieder betonte, seien die Zahlen der Straftaten seit der Flüchtlingswelle in die Höhe geschossen, die Kosten für diese Leute sind immens hoch und sie schleppten tatsächlich Krankheiten ein, die in Europa längst ausgerottet waren.

„Danke Alex, dass du mir die Augen geöffnet hast!", unterbrach June die Stille.
„Dafür nicht.", antwortete Alex siegreich und strich June ihre Haare zurück über die Schulter.

Er beobachtete sie noch eine Weile, aus dem Augenwinkel, was June komisch vorkam.

„Beobachtest du mich?", fragte sie.
„Nein, ich sehe dich nur an. Du solltest jetzt gehen.", erwiderte Alex kühl.

„Ähm... Okay."

„Denk an meine Worte, Kleine", rief Alex ihr hinterher.

Der Weg zum Licht [***Abgeschlossen***]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt