- Prolog -

286 21 13
                                    






June war völlig außer Atem. Ihre Lunge war wie zugeschnürt. Trotzdem rannte sie weiter. Mit großen Schritten immer tiefer in den Wald hinein. Sie musste sich irgendwo verstecken. Ihr Blick scannte die Umgebung nach einem passenden Versteck ab. Sie beschloss den gefestigten Weg zu verlassen und Querfeldein zu laufen. Der weiche Waldboden dämpfte ihre schweren Schritte, doch die Äste, die unter Junes Füßen mit einem lauten knacken zerbrachen ließen Vögel aufschrecken und hallten durch den verlassenen Wald. Doch June durfte nicht auffallen. Ihre dunklen Klamotten und die Dämmerung kamen ihr gerade recht. Sie verlangsamte ihr Tempo, da sie kaum noch etwas sehen konnte. Also beschloss June sich in dem großen Busch, der sich vor ihr auftat zu verstecken.

Sie kauerte in dem kleinen Hohlraum, dicht an dem Stamm. Die Knie angewinkelt und ihre Arme fest darum geschlungen, versuchte sie sich zu beruhigen. Es war still. Zu still. June konnte ihr Herz schlagen hören und ihr feuchter Atem stieg zu kleinen Nebelwolken auf.

Nassgeschwitzt saß sie in der Dezemberkälte mitten im Wald, in der Hoffnung ihrem Verfolger zu entkommen. Warum nur hatte sie sich auf diese Menschen eingelassen? Sich von ihnen in den Bann ziehen und manipulieren lassen? Erst jetzt erkannte sie, welch schrecklichen Wandel sie in den letzten Monaten durchgemacht hatte. Aus der höflichen, aufrichtigen June wurde das komplette Gegenteil: Rebellisch und grob. Sie hatte nahezu alle Menschen die sie mochte und liebte verloren. Sogar ihr geliebtes Pferd Mon Cœur vernachlässigte sie.
Mutterseelenallein wartete sie nun auf ihren Tod. Wenn nicht ihr Verfolger sie tötete, würde sie erfrieren oder sich den Tod durch eine Grippe holen. Der Schweiß ronn an ihrem Rücken und ihrer Stirn herab. Die Klamotten waren durchnässt, klebten an ihrer Haut und wurden immer kälter. Eine Träne, die ihr die Wange hinunter lief zog einen warmen Streifen durch ihr Gesicht. Sie hatte einen großen Kloß im Hals, doch sie musste dem Bedürfnis schluchzemd zusammenzubrechdn standhalten. Was sie jetzt am wenigsten gebrauchen konnte, war eine Panikattacke.

Plötzlich hörte June eine männliche, ihr sehr bekannte Stimme und unter Schuhsohlen knackende Äste.

„June? Wo bist du?"

Kurzzeitig blieb June das Herz stehen. Ihr Verfolger war höchstens zwei Meter von ihr entfernt. Sie betete inständig, dass er sie nicht finden würde.

Nicht bewegen. Nicht atmen. Jedes auch noch so kleine Geräusch würde sie verraten. Sie legte den Kopf auf ihre Knie und traute sich kaum ihre Lunge mit Luft zu füllen.

Mit einem Mal erstarrte June. Sie spürte eine Hand auf ihrem Mund, die fest zupackte. Ein paar Sekunden später spürte sie den feucht-warmen Atem ihres Verfolgers im Nacken: „Da bist du ja."

Im nächsten Moment wurde um June herum alles schwarz und sie verlor das Bewusstsein.

Der Weg zum Licht [***Abgeschlossen***]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt