Kapitel 31

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"Wo bin ich?" stöhne ich verwirrt und blinzle. "Zuhause. Du bist im Auto eingeschlafen und ich wollte dich nicht wecken. Also hab ich dich rein getragen." kommt es von Jason der neben mir liegt. Kaum hatte ich mich von Anna verabschiedet, kam er auch schon und hat mich spontan ins Kino eingeladen. Durch den Film konnte ich mal richtig abschalten und all die negativen Gedanken beiseite schieben. 

Ich rücke näher zu ihm und ein warmer Schauer durchfährt mich als er seine Arme um mich schließt. "Ich habe Angst." flüstere ich und male mit meinem Finger kleine Kreise auf seine Brust. "Wovor?" fragt er leise zurück. "Ich habe Angst das ich wieder einen Alptraum habe." Früher hatte ich sie schon oft, aber jetzt habe ich sie fast jede Nacht. Wenn ich nur wüsste warum. "Selbst wenn, ich bin hier und passe auf dich auf. Versprochen." flüstert er in mein Ohr und drückt mir einen Kuss auf meinen Hals. Als ich langsam meine Augen schließe beginnt er leise zu singen. Seine Stimme klingt wunderschön. Wenn ich könnte, würde ich ihm am liebsten ewig zuhören. Doch ich bin so ausgelaugt und müde das es nicht lange braucht bis ich eingeschlafen bin.

Montag. Den Tag den ich hasse wie sonst was. Ich habe gar nicht mehr daran gedacht, das ich mal wieder zur Schule muss. Missmutig stehe ich auf, ohne Jason. Der ist heute vom Unterricht befreit, weil er ein Fußballspiel hat. Fußball ist eine große Leidenschaft von ihm, er hat schon mit 5 Jahren angefangen zu spielen. Ich freue mich für ihn, der Nachteil ist nur das ich heute allein zur Schule gehen muss. Glaubt mir es gibt nichts schlimmeres für mich, als allein dieses von mir verhasste Gebäude zu betreten.

Schweigend und mit gesenktem Blick bahne ich mir einen Weg durch die Schulflure. Alle Blicke liegen auf mir. Abschätzig und angewidert schauen sie mir hinterher. Was mache ich bloß falsch? Laufe ich komisch oder habe ich irgendetwas komisches im Gesicht? Seufzend bleibe ich vor meinem Spind stehen und hole mein Biologie Buch heraus und bücke mich um es in meine Tasche zu packen. Als ich wieder aufstehe, bemerke ich zu spät die noch auf stehende Spindtür und knalle volle Kanne dagegen. Ein schmerzvolles Wimmern entweicht mir und alle fangen an zu lachen. Beschämt senke ich meinen Blick und schließe den Spind.

"Oh guck mal wie bescheuert sie guckt! Zum Glück haben wir diesen Moment für immer festgehalten." sagt ein Mädchen laut zu ihrer Freundin und hält mir mit einem falschen Grinsen ihr Handydisplay entgegen, wo ich mich sehe wie ich gerade gegen die Spindtür knalle. "Na wie findest du diesen Anblick hm? Erbärmlich trifft es ganz gut." fährt sie fort und fängt an zu lachen. Die anderen stimmen mit ein. Alle lachen mich aus. Mit Tränen in den Augen, die ich verzweifelt versuche zu verdrängen, renne ich zu meinem Unterrichtsraum.

In der Biologiestunde ist es kein bisschen besser. Wir schreiben einen unangekündigten Test über unser abgeschlossenes Thema Samenpflanzen und fangen ein neues an. Ernährung. Ernsthaft? Wir werden in zweier Gruppen eingeteilt in denen wir einen Text bearbeiten sollen. "So Amalia du arbeitest mit Luisa zusammen." sagt Frau Soland und ich falle fast von meinem Stuhl. Nein das kann nicht ihr Ernst sein! "Ähm Frau Soland ich kann auf keinen Fall mit der da-" Luisa zeigt auf mich "zusammenarbeiten. Da bin ich ja allein besser dran." Doch Frau Soland geht leider nicht darauf ein und Luisa setzt sich neben mich und rammt mir mit voller Absicht ihren Ellebogen in meine gebrochene Rippe. Ich kann ein leises schmerzerfülltes Stöhnen nicht unterdrücken. "Na Miststück! Hast dich wohl leider doch nicht von der Brücke gestürzt wie wir alle gehofft haben." zischt sie leise in mein Ohr und ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken. "Lass mich doch einfach in Ruhe." flüstere ich matt. Woher ich heute den Mut her nehme ihr zu widersprechen weiß ich nicht. "Jetzt hör mir mal zu. Kleine Missgeburten und Schlampen wie du verdienen nichts anderes. Besonders wenn sie für den Tod ihres Bruders verantwortlich sind." fährt sie fort und schaut mich gehässig an. Verängstigt schaue ich auf die Tischplatte.

"Das was ich bisher gemacht habe war nur ein kleiner Vorgeschmack. Ich werde dich so fertig machen, das du heulend aus der Schule rennen wirst und nicht mal dein Jason dir helfen oder dich beschützen kann." sagt sie nach einer Weile flüsternd und und gräbt ihre Fingernägel in meinem Arm wo sie ein paar rote brennende Striemen hinterlassen. Danach wendet sich wieder dem Text, den wir lesen sollen, zu. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Sie hat Recht Jason kann mich nicht vor allem beschützen. Irgendwann ist er mal nicht da, wie heute zum Beispiel und dann wird sie ihren Plan in die Tat umsetzen. Sie ist so viel stärker als ich. Ich werde mich nicht wehren können.

"Luisa möchtest du uns dein Ergebnis präsentieren?" fragt Frau Soland und Luisa fängt ohne Umschweife an. "Also was schon mal fest steht ist das die Ernährung davon abhängt welche Sachen man zu sich nimmt. Na Amalia willst du das vielleicht ergänzen? Du weißt doch am besten wie man so richtig schön fett wird." "Luisa!" schreit Frau Soland wütend, während alle anderen anfangen in Luisas Lachen mit ein zustimmen. Ich schließe die Augen und versuche die Tränen zurück zu halten. Nach einiger Zeit gelingt es mir schließlich. In dem Moment klingelt es endlich und ich renne als erstes aus dem Raum.

"Amalia?" Clarissa setzt sich neben mich. Ich sitze auf dem Schulhof, auf einer Bank. "Hi" erwidere ich und umarme meine beste Freundin. Ich bin so froh sie zu sehen. "Wir haben jetzt gleich Mathe. Der Lehrer hasst mich, aus irgendeinem Grund den ich nicht weiß." sagt sie seufzend und sieht mich genervt an. "Was hast du jetzt?" fragt sie weiter. "Deutsch. Da müssen wir heute so eine dumme Analyse schreiben." Sie schenkt mir einen mitleidigen Blick. Schule ist einfach scheiße. "Ich vermisse Jason." murmele ich niedergeschlagen. Ohne ihn ist es einfach nur schrecklich. "Frag mich mal. Ryan packt gerade 4 Stunden von mir entfernt seine Umzugskartons fertig. Allerdings wollte er vielleicht heute Nachmittag nochmal her fahren um der Schule das Anmeldeformular abzugeben." Sie ist noch schlimmer dran als ich. Jason werde ich bereits heute Abend wiedersehen.

Wir laufen noch zusammen ins Schulgebäude, dann trennen sich unsere Wege. Zu schade das sie nicht in meine Klasse geht. Die Schulflure sind schon völlig leer. Ich bin anscheinend eine der letzten. Ich beschleunige meine Schritte, doch als ich um die Ecke biege steht plötzlich Luisa vor mir. "Na hast du mich vermisst?" Scheinheilig lächelt sie mich an. Im nächsten Moment packt jemand von hinten meinen Arm und presst seine Hand auf meinen Mund. Ich versuche mich zu wehren, zu treten irgendwas, aber ich bin viel zu schwach. Also versuche ich es mit schreien, aber durch die Hand vor meinem Mund werden alle meine Schreie abgedämpft. Jemand zweites nimmt meinen anderen Arm und zieht mich durch die Gänge bis wir vor der kleinen Abstellkammer stehen. So langsam dämmert mir was Luisa vor hat. Sie zerren mich in die Kammer. "Nein!" Ein Schrei entweicht mir, wofür ich einen Schlag in mein Gesicht ernte. Mit einem Seil schnürt jemand meine Arme zusammen und steckt mir einen Knebel in den Mund. Danach gibt mir Luisa einen Tritt und ich sinke auf den Boden wo ich liegen bleibe. "So und wenn du brav bist lassen wir dich nach Deutsch wieder raus." flüstert mir Luisa zu und verlässt mit den beiden anderen die Kammer. Ich höre wie sie die Tür zu schließen und ihre Schritte die sich entfernen, dann bin ich allein. Vor lauter Verzweiflung fange ich stumm an zu weinen. Ich komme hier nie wieder raus.

The fear in your eyes *Pausiert*Where stories live. Discover now