Kapitel 20

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Heute ist echt ein beschissener Tag. Es fängt schon damit an das ich verschlafen habe und ein aufgebrachter Jason mich aus dem Bett schmeißt. Buchstäblich. Jetzt sitze ich nämlich auf dem Boden und frage mich ob ich mir gerade irgendwas gebrochen habe. Den Schmerzen nach zu urteilen sollte ich das wirklich in Betracht ziehen. "Idiot" sage ich leise. "Hey das hab ich gehört!" ruft Jason lachend. "Solltest du auch!" rufe ich zurück und versuche aufzustehen was mir sogar mehr oder weniger gelingt. Völlig müde mache ich mich fertig und werde danach sofort von Liv aus dem Haus gescheucht.

Ich seufze erleichtert auf als es endlich zum Schulschluss klingelt und packe schnell meine ganzen Sachen zusammen. Danach begebe ich mich auf den Weg nach draußen als ich plötzlich mit jemandem zusammen knalle. Verdammt es ist Clarissa! Ein paar Sekunden schauen wir uns einfach nur gegenseitig an, bis sie sich plötzlich nach unten bückt und anfängt ihre Sachen wieder aufzuheben. Schnell versuche ich ihr zu helfen, aber da ist sie schon längst wieder aufgestanden und macht sich davon. "Warte!" rufe ich und umfasse ihr Handgelenk. Ich will endlich die Wahrheit wissen. Womit hat Luisa sie nur erpresst? Sie dreht sich um und sieht mich abwartend an. "Können wir reden?" "Samstag bei dir?" schlägt sie vor. "Gut abgemacht." sage ich und lasse sie los. Danach läuft sie in ein Klassenzimmer, während ich mich auf den Heimweg mache.

"Na was willst du jetzt machen?" frage ich Jasons grinsend als ich ihm sein Sandwich aus seiner Hand schnappe und genüsslich rein beiße. Empört schaut er mich an ehe er aufsteht und vor mir stehen bleibt. Ich mache ein paar Schritte zurück bis ich an der Tischkante anstoße. Schüchtern schaue ich nach oben direkt in seine warmen grauen Augen. Jasons nimmt mein Gesicht in seine Hände. "Hier hast du meine Antwort." Und mit diesen Worten beugt er sich zu mir runter und drückt seine Lippen auf meine. Sie sind so voll und weich. Mein Herz schlägt Purzelbäume und ein warmes Kribbeln breitet sich in meinem Bauch aus als ich den Kuss erwidere. Zuerst zaghaft, bald immer leidenschaftlicher. Meine Arme legen sich wie von selbst um seinen Hals und drücken ihn noch mehr an mich. Seine eine Hand streichelt sanft meine Wange während er die andere um meine Taille legt und sich von mir löst. "Du bist so wunderschön Prinzessin." sagt er atemlos bevor ich unsere Lippen erneut vereine. Seine Hände sind plötzlich überall auf meiner Haut und bei jeder Berührung durchläuft es mich warm. So stehen wir da noch eine ganze Weile bis er mich hoch nimmt und mich den gesamten Weg bis zu meinem Zimmer trägt. "Hier sind wir alleine." sagt er zwinkernd und ich lache auf. Obwohl er hat Recht. Mir gefällt die Vorstellung nicht besonders das Liv uns dabei zu sieht wie wir- Ich werde rot. "Ich liebe es zu sehen wie du verlegen wirst." flüstert er lachend in mein Ohr wobei mir natürlich noch mehr Röte ins Gesicht schießt. Bald mache ich einer Tomate ernsthaft Konkurrenz.

"Und was wollen wir jetzt machen?" "Also entweder wir bleiben hier oder-" Er wird von lautem Geschrei unterbrochen das von unten zu uns dringt. Ich springe auf und gehe die Treppe herunter. Jason folgt mir. "Mum ich halt das nicht mehr aus!" höre ich Liv schreien. Anscheinend ist Sandra nach Hause gekommen. "Schätzchen ich bin doch auch total überfordert!" "Als Dad noch da war war alles besser. Aber er scheint sich ja nicht mehr für uns zu interessieren!" Eine Träne rollt langsam über ihre Wange. Geschockt drehe ich mich zu Jason um der den Mund geöffnet hat und keinen Ton heraus bekommt. Wütend rennt Liv aus dem Zimmer und knallt die Tür hinter sich zu. "Liv warte!" schreit Jason und rennt ihr hinterher. Ich entscheide mich dafür im Wohnzimmer zu bleiben und eine völlig aufgelöste Sandra zu trösten. Ich setze mich neben sie und streichel ihren Arm. Eine Zeit lang sitzen wir schweigend da bis sie plötzlich sagt: "Du musst bestimmt total verwirrt sein." Sie lächelt mich betrübt an. "Ein bisschen schon ja." antworte ich und lache nervös. Hoffentlich sagt sie mir endlich was hier los ist. "Moment mal! Hat Jason dir es gar nicht gesagt?" "Was gesagt?" frage ich verwirrt. Sie will gerade antworten als es klingelt. "Ich muss dann mal." sagt sie bedauernd und steht auf. Dann muss ich eben so lange warten bis Jason es mir selbst erzählt.

Weinend wache ich nachts auf und ich weiß auch genau wieso. Morgen ist sein Todestag. Ich habe das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.  Schnell stehe ich auf, ziehe mir Schuhe und eine Jacke an und gehe aus der Wohnung. Hoffentlich bemerkt niemand meine Abwesenheit. Sie würden sich nur unnötige Sorgen machen.

Die Straßen sind leer. Nur ein paar Betrunkene Männer kommen mir entgegen, die aber zum Glück keine Notiz von mir nehmen. Ich beschleunige meine Schritte bis ich schließlich vor dem eisernen Tor des Friedhofs stehe. Darauf bedacht leise zu sein gehe ich vorsichtig hinein und halte erst bei dem Grab von Alex an. Ich höre den Gong der Kirchenglocke. Mitternacht. "Happy Birthday Bruderherz." Ein leises Schluchzen entfährt mir als ich ein paar Blumen pflücke und sie schließlich vor seinen Grabstein lege. Gelb. Alex Lieblingsfarbe. Ich setze mich auf die kalte Erde. "Alex ich will dir nur sagen das ich dich immer noch lieb hab. Du hast mich doch auch noch lieb oder?" wimmere ich leise vor mich hin. Keine Antwort. Natürlich nicht. Ich werde nie wieder seine wunderschöne Stimme hören. "Ich muss jetzt gehen." sage ich eher zu mir selbst und mache mich auf den Weg nach draußen. Das muss ich nämlich wirklich. Sonst gehen sie mich vielleicht suchen. Den gesamten Heimweg über weine ich hemmungslos.

Auch als ich zu Hause angekommen bin sind die Tränen nicht weniger geworden.

Reiß dich zusammen!

Die Stimme hat Recht. Ich will den anderen nicht zur Last fallen. Obwohl das tue ich ja bereits. Schnell wische ich mir die Tränen aus meinem Gesicht und ziehe meine Schuhe und die Jacke aus. Dann renne ich schnell hoch zu meinem Zimmer und öffne vorsichtig die Zimmertür. Jason schläft friedlich. Gut so. Ich lege mich neben ihn und vergrabe mein Gesicht in meinem Kopfkissen. Erneut kommen Tränen hoch. Er ist weg! Er ist für immer weg! Stumm weine ich weiter bis ich irgendwann vor Erschöpfung einschlafe.

The fear in your eyes *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt