Kapitel 1

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Einundzwanzig... Zweiundzwanzig... Dreiundzwanzig... Vierundzwanzig... Fünfundzwanzig... Ich zählte bestimmt schon das fünfte Mal diese hässlichen großen Fliesen in unserem Keller durch. Weiß. Grau. Weiß. Grau. Weiß. Grau... Meine Mutter hielt Wort und richtete eine halbe Praxis dort unten ein. Auch, wenn ich wusste, dass sie das Beste für mein Baby wollte und mir in dieser Hinsicht an nichts fehlte, war es dennoch gruselig. Wenn man genug Geld besaß, konnte man alles machen. Das war gewiss. Und sie war solch ein Mensch. Meine Mutter bekam immer das was sie wollte. Das bedeutet auch, dass ich das machen musste, was sie verlangte, sonst gab es Konsequenzen. 

In diesem Moment lag ich auf einer Liege und geradewegs kam eine Ärztin auf mich zu. Keine Ahnung, wie man diese nannte. Es war mir auch egal. Sie schien nämlich zu wissen, dass ich aus einem bestimmten Grund hier war. Nämlich, dass meine Mutter Angst hatte, ich könnte verschwinden und ich stand kurz davor es irgendwie zu tun. Leider wusste ich noch nicht wie. Ich stand kurz vorm Ausrasten. Noch immer verstand ich nicht warum sie mir das alles antat und die Frau in diesem Raum das auch noch unterstützte. Das war doch verrückt.

Seit drei Wochen hatte ich dieses Haus nicht mehr verlassen dürfen. Entweder saß ich im Garten oder in meinem Zimmer. Allein. Leider blieb mir nichts anderes übrig. Aber lieber so, als meine Mutter oder John vor dem Gesicht zu haben. Ich hasste sie nun noch umso mehr. Beide. Jeden Tag malte ich mir aus, was ich ihnen am liebsten alles angetan hätte. Sie verdienten das Schlimmste. Mein netter Vater hielt sich allerdings komplett heraus. Er sagte dazu rein gar nichts. Das war frustrieren und zog mich bloß noch mehr herunter. Der einzige Lichtblick war zweimal in der Woche, in denen ich mein Kind auf dem Ultraschall sehen konnte. Lediglich das kleine Würmchen hielt mich davon ab, nicht vollkommen durchzudrehen und über diesen riesigen Zaun zu klettern, über den ich wahrscheinlich aber niemals kam.

Dass ich die ganze Zeit an Luke denken musste, war klar. Kein Traum war ohne ihn. Er begleitete mich immer, obwohl er nicht anwesend war und täglich stellte ich mir die Frage, wie es ihm wohl ging, vor allem nach der Nachricht, die ihm meine Mutter schickte. Natürlich bekam ich seither mein Handy nicht mehr zu Gesicht und das frustrierte noch mehr. So konnte ich keinem schreiben und niemandem etwas sagen. Vor allem aber nicht, dass er auf mich warten sollte und ich ihn trotz alledem liebte.

Zweifelsohne besaß ich nicht viel Freunde, aber Lila war mir schon sehr ans Herz gewachsen. Sie hörte mir zu und gerade, als der ganze Stress mit Luke passierte und ich meine Schwangerschaft verheimlichte, war sie da. Sie hatte immer ein Ohr für mich, hielt mich fest und nun gab es niemanden mehr; auch nicht sie. Zwar war ich über die Jahre stark geworden und es gewohnt mit allein ein Freund zu sein. Dennoch wurde es schwerer, umso mehr ich sah, was ich alles verpasste. Allerdings musste ich mich zusammenreißen; den Mund halten, denn John hatte mir gesagt, wenn ich mich benahm, wir gemeinsam in die Bibliothek gingen. Ich käme nach einer halben Ewigkeit wieder vor die Tür und nichts sehnlichster wünschte ich mir, als das. 

Wenn man Tag ein, Tag aus immer nur das Gleiche sah und keine zehn Meter weit kam, drehte man durch und das hatte ich seit Wochen. Das ich aber bald herauskam, lag jedoch an dieser Ärztin. Sie sah mir an, dass es mir schlechter ging und das beinhaltete auch, dass mir hin und wieder der Unterleib wehtat. Daraufhin schlug sie meiner Mutter vor mein Leben so normal, wie möglich zu gestalten; mich abzulenken und das schaffte sie bei mir nun einmal nicht mit shoppen oder solch einen Müll. Das war jedem in diesem Haus klar. Ich brauchte Freiraum.

Das Einzige, was mich beruhigte, waren die Bücher und dann war meine Harfe auch noch im College, zu dem ich eigentlich sonst hinging und übte. Dennoch hoffte ich, wenn ich das machte, was sie alle sagten, dass ich auch dorthin durfte. Immerhin war ich eine erwachsene Frau von einundzwanzig Jahren. Die Enge tat mir einfach nicht gut. Definitiv nicht. Möglicherweise traf ich dann auch Luke und konnte mit ihm etwas reden; oder aus weiter Ferne anhimmeln. Egal. Hauptsache es existierte noch eine Kleinigkeit von diesem Mann in meinem Leben. Ungeachtet dessen konnte ich mir sicher sein, dass man versuchte mich von ihm fernzuhalten. 

Stupid Mistake II - Für immer MeinWhere stories live. Discover now