Der gebrochene Mann

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Er musterte mich von Kopf bis Fuß, hielt mich eine Armlänge von sich entfernt. „Oh, mein süßes, unschuldiges Frühlingskind... Nun geh rasch und zieh dich um", sagte er und ein kleines Lächeln zuckte über die kalte Maske seines Gesichtes, die er zwanghaft aufrecht zu verhalten suchte. Seine Lippen zitterten kaum merklich, aber mir entging es nicht. Er hätte mir beinahe leidtun können, aber für Mitleid war in der Familie Malfoy nie viel Platz gewesen. Also setzte ich nur eine genauso undurchdringliche, kalte Maske auf wie der Rest der Menschen in diesem Saal.

Ich knickste leicht, was er freudig zur Kenntnis nahm. „Ja, Vater." Ich wandte mich um und bahnte mir einen Weg durch den mit Todessern gefüllten Salon.

„Und Isabella...", erklang plötzlich erneut die Stimme meines Vaters hinter mir.

Ich drehte mich zu ihm herum. „Ja?"

„...Ich bin froh, dass du da bist... Dass du wohl auf bist..." Ich lächelte kurz ein typisches, gestelltes Malfoy-Lächeln, aber er empfand es als aufrichtig, denn er wandte sich zufrieden ab. Verächtlich drehte ich mich in Richtung Tür, schob mich an einem unbekannten Todesser mit rostrotem Haar und Schnauzbart vorbei und öffnete die gewaltige, tiefbraune Flügeltür.

Ich verließ den Salon und trat auf den leeren, dunklen Flur hinaus. Eine Tür zu meiner Rechten, nahe der Treppe, öffnete sich plötzlich einen Spalt breit und Dracos Kopf lugte hindurch. „Komm", flüsterte er und öffnete die Tür ein bisschen, damit ich an ihm vorbeischlüpfen konnte. Ich sah ihn verwirrt an. Er verdrehte nur die Augen und winkte mich zu sich. „Komm schon", drängte er. Er blickte ein paar Mal prüfend den Flur auf und ab und schloss dann leise die Tür hinter sich. Der Raum stellte sich als Ankleidezimmer heraus. Ich hatte es erst wenige Male in meinem Leben betreten. Hier bewahrten wir die Wintermäntel, Schals, Reiseumhänge, Schrankkoffer, Stiefel und all den Plunder auf, den wir nur selten gebrauchten. Ich starrte ihn abwartend an und hob eine Augenbraue. „Was ist?", zischte ich gedämpft. „Was soll das Ganze?"

Er ignorierte mich. „Sprichst du bitte einen Schweigezauber aus?", sagte er und lehnte sich mit dem Rücken gegen die dunkle Tür. „Wie du weißt, bin ich noch nicht siebzehn..."

„Draco... Was bei Merlins Bart-"

„Tu's einfach", befahl er.

Ich schnaubte verächtlich durch die Nase, zückte aber den Zauberstab, sprach einen Muffliato-Zauber aus und verschloss -auf Dracos Drängen hin- zusätzlich die einfache Holztür mit einem Siegelzauber.

Ich ließ den Zauberstab wieder in meine Tasche gleiten und verschränkte die Arme vor der Brust. „Erklärst du mir jetzt endlich, was das ganze Theater hier soll oder muss ich warten, bis einer von uns Wurzeln schlägt?"

Draco stieß sich am Türrahmen ab und fuhr sich mit den Fingern durch sein weißblondes, unordentliches Haar. „Es geht um die Hochzeit", sagte er. „Ich weiß, dass du ihn nicht heiraten willst."

„Und?" Nun hob ich beide Augenbrauen. „Das ist kein Geheimnis. Sogar Vater hat davon Wind bekommen, falls du's mitbekommen hast", sagte ich ironisch. „Er hat mir eine hübsche, kleine Ansammlung an Narben und Blutergüssen als Andenken hinterlassen." Draco senkte den Blick. „Ich weiß, das hätte er nicht tun sollen." Wieder schnaubte ich durch die Nase.

„Wie gesagt: Ich weiß, dass du Yaxley nicht heiraten willst...", begann er erneut.

„In der Tat", unterbrach ich ihn. „Aber was soll ich tun? Vater befiehlt es und was Vater sagt, ist Gesetz."

Draco musterte mich kühl. „Und diesen Gesetzen unterwirfst du dich natürlich ohne Wenn und Aber..."

„Du verstehst das nicht. Denkst du denn, ich hätte das nie probiert, mein liebes, naives Brüderchen?", erwiderte ich genervt. „Du hast nie Vaters wahren Zorn gespürt, hast nie seine Flüche erleiden müssen oder seine verachtenden Blicke auf dir gespürt, nur weil du eben das bist, was du bist: Ein Mädchen. Ein Mädchen, das eine einzige Enttäuschung ist neben diesem wunderbaren Goldjungen, der keine Sorgen außer seinen Schulnoten hat... Der dann und wann mal gescholten wird oder einen tadelnden Blick erhält und das wars..."

Isabella Malfoy Where stories live. Discover now