Ein besonderes Geschenk

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Als ich am Tag der Prüfung endlich völlig ausgelaugt aus dem Klassenzimmer für Arithmantik stolperte schlug der Gong vom Schlossgelände aus gerade zwölf Mal und ich atmete erleichtert aus. Ich machte mich auf den Weg zum Mittagessen. Die Große Halle war an diesem Tag haltlos überfüllt. Ich quetschte mich neben Draco auf die Bank am Tisch der Slytherins.

„Und wie liefs bei dir?", fragte ich und tat mir Kartoffeln und gegrillte Tomaten auf. Draco schluckte einen Bissen Pastete herunter und schüttelte den Kopf.

„Verwandlung war der totale Reinfall, Zaubertränke am Freitag lief recht flüssig, fehlt nur noch Astronomie morgen Abend und übermorgen Geschichte der Zauberei, dann habe ich es endlich hinter mir." Er spießte eine Kartoffel auf seine Gabel. „Bist du durch?"

Ich nickte und grinste schadenfroh angesichts von Dracos saurer Miene. „Wann bekommt ihr die Ergebnisse?"

„Irgendwann in den Sommerferien", sagte Draco gelangweilt und wandte sich ab.

Ich zuckte unbeteiligt mit den Schultern, beendete schweigend mein Mittagessen und hüpfte anschließend hinunter in die Kerker, um meine Tasche abzustellen und mich umzuziehen. In wenigen Wochen war das Schuljahr vorbei. Ich würde zurück nach Hause kehren und im September dann mein letztes Jahr beginnen, die UTZs absolvieren und schließlich Yaxley heiraten... So jedenfalls sah mein Vater meine Zukunft. Und ich? Mit einem leisen Seufzer schälte ich mich aus dem Rock der Schuluniform. Yaxley heiraten... Langsam begann ich meine weiße Bluse aufzuknöpfen. Isabella Yaxley werden... Das klang so falsch.

Bei dem Gedanken an Yaxley stülpte sich mir mittlerweile zwar nicht mehr der Magen um, denn ich hatte mich an seine lauernde, schmierige, besitzergreifende Art gewöhnt, aber in seiner Anwesenheit wurde ich noch immer ein wenig nervös. Wie sollte ich nur jemanden wie Yaxley jemals meinen Gemahl nennen können? Ein Bett mit ihm teilen und Kinder mit ihm zeugen, so wie man es von mir erwartete?

Mit leichtem Bedauern in der Miene warf ich die Bluse auf mein Bett und streifte die dunkle Strumpfhose von meinen Beinen. Von Kindesbeinen an war ich darauf vorbereitet worden, was es in der Klasse der Reinblüter bedeutete, eine Frau zu sein. Ich war immer gerne ein Mädchen gewesen, hatte mir immer meine prachtvolle Hochzeit mit irgendeinem gesichtslosen, jungen Mann vorgestellt, der mich liebte und den ich vergötterte. Ich hatte mich immer darauf gefreut, einmal Mutter zu werden. Als Kind hatte ich mir immer Zwillinge gewünscht. Jungs. Mit kleinen, blonden Löckchen und strahlenden, hellen Augen. Ich lachte höhnisch auf. Der Gedanke daran, eines Tages Yaxleys Frucht in mir zu tragen erfüllte mich weder mit Euphorie noch mit Stolz, sondern mit Angst.

Grübelnd streifte ich mir meinen weißen Kaschmirpullover über die Schultern und band meine Haare anschließend zu einem Knoten zusammen. Auf nackten Füßen tappte ich zu meinem Schrank herüber und zog einen dunkelblauen Rock aus einer der Schubladen. Wie Yaxley Manor wohl aussah? Yaxley hatte einmal ein paar prahlende Sätze über die schneeweiße Fassade des gewaltigen Anwesens fallen gelassen, aber ich erinnerte mich nicht mehr an unser Gespräch. An dem Abend war ich noch spät in der Nacht zu Severus geschlichen und hatte mit ihm ein besonders kompliziertes Wahrheitselexier gebraut. Veritaserum hatte er es genannt. Seltsam. Ich erinnerte mich noch ganz genau an jede einzelne Zutat, die Severus in den Trank gemischt hatte, aber mir wollte nicht ein Detail dazu einfallen, was mir Jonathan Yaxley über das Anwesen seiner Familie erzählt hatte...

Am späten Nachmittag klopfte ich leise an Severus' Tür. Es vergingen erst einige Sekunden, ehe ich energische Schritte hinter der Tür vernahm. Wütend riss der Tränkemeister von Hogwarts die Tür auf und seine schwarzen Augen blitzen mir zornig entgegen. Er hatte seinen üblichen dunklen Umhang gegen ein schwarzes Hemd und eine Hose eingetauscht, die Haare hatte er unordentlich zurückgekämmt. Ich hatte ihn wohl gerade dabei erwischt, wie er sich seiner wenigen Privatsphäre hingegeben hatte, denn ich hatte ihn noch nie ohne den langen, schwarzen Umhang gesehen.

In der Hand hielt er ein schlankes Silbermesser mit hölzernem Griff, an dem irgendetwas Grünes klebte und mit dessen Spitze zielte er jetzt genau auf mein Gesicht. Erschrocken wich ich zurück. Als er mich erkannte, wurde seine Miene jedoch augenblicklich sanfter. „Isabella", sagte er erstaunt und musterte mich von Kopf bis Fuß. „Was machst du um diese Zeit hier?" Er ließ das Messer langsam sinken und wischte dessen Klinge sorgsam und bedächtig an seiner Hose ab, ehe er sich mir wieder zuwandte.

„Kann ich reinkommen?", fragte ich leise und sah kurz über die Schulter, aber der Gang hinter mir wirkte ausgestorben und vollkommen still. Er fuhr sich mit den Fingern seiner freien Hand durch die dunklen Haare und seufzte kurz.

„Natürlich", sagte er schließlich zögernd und hielt mir die Tür auf. „Ich habe aber nicht viel Zeit und bin sehr beschäftigt", fügte er hinzu, als ich mich in seinen Lieblingssessel fallen ließ und ihn dabei beobachtete, wie er wieder zur angrenzenden Arbeitsfläche hinüberschritt, kurz in den Kessel blickte, der über dem Feuer köchelte und offenbar mit dem fortfuhr, bei dem ich ihn gerade unterbrochen hatte, als ich an die Tür geklopft hatte – Dem Zerhacken von frischgepflücktem Liebstöckel.

Ich zog die Beine an und beobachtete ihn beim Brauen. Er warf gerade eine Handvoll Löffelkraut in den Kessel, als dessen Inhalt gefährlich zischte und ein bläulicher Dampf zur Kerkerdecke emporstieg. „Verdammt", entfuhr es Severus und er begann hastig mit dem Zauberstab in dem Trank herumzurühren.

Ich stand auf und schlenderte zu ihm herüber. „Was ist?", fragte ich belustigt und versuchte einen Blick in den Kessel zu erhaschen, doch diesem entwich noch immer reichlich dunkelblauer Dampf und er war unmöglich zu erkennen, was Severus da gerade zusammenbraute. Das Feuer unter dem Kessel knisterte leise und die kleine Flamme drohte beinahe auszugehen.

„Du lenkst mich ab", fauchte Severus gereizt, aber ich musste schmunzeln. Er war nicht wirklich sauer, eher gereizt.

„Soll ich dir helfen?"

„Nein", presste er hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. Er warf einen Blick auf das Feuer, das fast erloschen war. „Oder doch", er schien mit sich selbst zu hadern. „Du könntest das Feuer neu entfachen.

Ich grinste zufrieden. „Sehr gerne, Professor." Er warf mir einen vernichtenden Blick zu, als ich den Zauberstab zückte und auf die Holzscheite in der Feuerstelle richtete. Blaue, nasszündende Flämmchen schossen aus der Spitze des Mahagoni-Stabes hervor und leckten an dem Kesselboden. Sofort verzog sich der blaue Dampf und ich konnte endlich den Trank erkennen, der in den Tiefen des gewaltigen Messingkessels blubberte. Er war von einem hübschen Lavendelton und blubberte träge in milchähnlicher Konsistenz vor sich hin.

„Was wird das?", fragte ich interessiert und sog den Vanille-Duft, der von dem Kessel ausging tief durch die Nase ein.

„Geheim", erwiderte Severus nur und ein süffisantes Grinsen glitt über sein Gesicht. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, doch er beachtete mich nicht. Eine seiner nervenden Eigenschaften. Sobald ich schmollte oder in irgendeiner Weise trotzig reagierte, ignorierte er mich einfach, was mich meist noch wütender machte.

Ich schlenderte zum Schreibtisch herüber und entdeckte einen Stoß sorgefältig sortierter Blätter, die die Überschrift „Zaubertränke – Zauberergrad-Prüfungen" trugen. Gespannt versuchte ich einen Blick auf den Stapel mit den Prüfungsbögen zu erhaschen –ob meine Prüfung wohl auf einem der anderen Stapel lag?-, aber Severus versperrte mir plötzlich mit vor der Brust verschränkten Armen den Weg. Wütend blitzten seine Augen in meine Richtung. „Dafür könnte ich dich nachsitzen lassen, Malfoy", zischte er, „oder dir Punkte abziehen, aber ich muss mich in meiner Zeit außerhalb der Klassenzimmer schon genug mit dir herumschlagen, da kann ich es nicht auch noch gebrauchen, wenn du zum Nachsitzen abends durch meinen Vorratsschrank wuselst und meine Ordnung durcheinander bringst!"

„Deine Ordnung?" Ich hob eine Augenbraue. „Du willst mir doch nicht im Ernst weismachen, dass in deinen Vorräten so etwas wie Ordnung herrscht." Ich schnaubte durch die Nase.
Misstrauisch zogen sich seine Augenbrauen zusammen und er nagelte mich mit seinen blitzenden Augen fest. „Ich kann mich nicht erinnern, dich jemals in meinen private Zutatenschrank gelassen zu haben, Isabella", sagte er lauernd und seine Bewegungen waren die einer Raubkatze, als er den Tisch umrundete und mich intensiv musterte.

Erschrocken hielt ich die Luft an. Jetzt hatte ich mich selber verraten. Natürlich hatte Snape nicht den leisesten Schimmer davon, dass ich mich irgendwann einmal ohne seine Erlaubnis in seine Privatgemächer geschlichen hatte, seinen privaten Zutatenspeicher betreten hatte und ihm eine großzügige Menge Schlaftrank entwendet hatte. Schuldbewusst starrte ich auf meine Fußspitzen hinab. „Ich war ja auch noch nie in deinem Zutatenschrank", sagte ich steif. „Du lässt mich ja nie." Ich versuchte meiner Stimme einen verletzten Klang zu geben.

Er jedoch starrte mich nur einige Augenblicke lang scharf an, ehe er sich wieder seinem Trank zuwandte. Ich verdrückte mich bis auf nächstes wieder auf die Couch und zwang mich, den Mund zu halten. Nach einer Weile legte Severus das Silbermesser beiseite und legte seinen Zauberstab auf die Arbeitsfläche. Der Trank blubberte munter weiter und Severus machte sich zufrieden eine Notiz auf einem seiner zahlreichen vollbeschriebenen Pergamente, die überall auf jeder vorstellbaren Fläche verteilt lagen und eine sonderbare Ordnung zu haben schienen, die wieder mal nur er selbst kannte.

Severus warf mir einen Blick zu. „Ich habe noch etwas für dich", sagte er schließlich zögernd und runzelte die Stirn.
Ich drehte mich zu ihm und blickte ihn über die Rücklehne der Couch hinweg an.

„Ich war letztens in der Winkelgasse, weil ich noch einige Zutaten für Privatzwecke benötigte, die mir die Schule nicht stellt und dann habe ich zufällig einen Abstecher zu Madam Malkin gemacht, um meinen Reiseumhang anpassen zu lassen..." Ich sah ihn weiterhin fragend an. „Und da habe ich das hier aus Zufall entdeckt", fügte er rasch hinzu und zog ein kleines Päckchen aus seinem Schreibtisch hervor. Meine Augen weiteten sich und ich fühlte mich plötzlich unwohl. Er hatte mir bereits zu Weihnachten etwas geschenkt -ein wunderschönes nachtblaues Buch mit goldgeprägten Ecken- und ich hatte es nach dem großen Streit mit ihm wütend gegen meine Zimmerwand geworfen und jetzt lag es mit geknickten Ecken in meiner Nachttischschublade neben meinem Himmelbett im Mädchenschlafsaal.

Er umrundete den dunklen Schreibtisch und legte mir das Päckchen in den Schoss. „Nur eine Kleinigkeit", sagte er, „weil ich dir nichts zum Geburtstag geschenkt habe... Sieh es gleichzeitig ein wenig als Entschuldigung an, in der Zeit, in der ich nicht für dich da war, es aber hätte sein müssen..." Er wich meinem Blick aus. „Ich habe es gesehen und musste gleich an dich denken..." Mit aufmerksamer Miene nickte er mir zu.

„Severus, das wäre doch nicht nötig gewesen", sagte ich, aber er schüttelte unwirsch den Kopf. „Nur zu." Zaghaft löste ich das dunkelgrüne Band, das mühevoll um das kleine Päckchen gewickelt worden war. Das bescheidene Packpapier glitt beiseite und zum Vorschein kam eine wunderschöne, silbrig schimmernde Federhaarspange. Mit großen Augen sah ich erst die versilberte Feder an und dann Severus. Mir fehlten die Worte. „Severus", sagte ich leise, „das ist doch viel zu teuer. Das kann ich nicht annehmen", sagte ich entschieden und wollte ihm die Haarspange wieder in die Hand drücken, doch er machte einen Schritt zurück.

„Doch das kannst du, das musst du sogar ich kann sie nicht zurückgeben, sie ist bereits bezahlt." Seine schwarzen Augen schimmerten mir entgegen. „Vielleicht trägst du sie dann eines Tages zu deiner Hochzeit... Wenn sie denn den prachtvollen Umständen, die man bei einer Malfoy-Yaxley-Hochzeit erwartet, entspricht...", sagte er und das erste Mal, seit ich ihn kennengelernt hatte, meinte ich herauszuhören, dass seine Stimme brüchig und schwer klang.


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Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt