T H I R T Y T H R E E

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T H I R T Y T H R E E

Wenn wir den Weg nach unten schaffen, zusammen, dann schwöre ich, dass wir beide wie meine Mutter und Frigga werden.

Ich habe mir früher nicht merken können, wo rechts oder links war. Ich hatte eine ziemliche Links-Rechts-Schwäche und die hielt sogar noch bis zu meinem 13. Lebensjahr an. Das war auch ungefähr die Zeit, wo ich Tag ein, Tag aus nur im Garten oder in der nahen Umgebung Cooperstowns rumgetollt und mich zu jeder Zeit mit meinen Freunden getroffen habe. Natürlich kam ich dann immer spätabends und von oben bis unten mit Schlamm vollgespritzten Kleidungsstücken nach Hause. Da mein Vater einen leichten und irreführenden Putzfimmel hatte, verdonnerte er mich immer sofort in unser puppenlustiges Bad zu verschwinden und so schnell wie möglich mich zu waschen, da es bald Abendessen gab. Ich habe mich natürlich seinem Willen gefügt, da ich zum Einen selbst ungern in komplett verdreckten Klamotten rumlaufen wollte, und zum Anderen einen immensen Hunger hatte. Als ich dann schließlich den Wasserhahn aufdrehte, war ich wegen der verschiedenen Richtungen komplett verwirrt. Wo war nochmal Links? Da wo heißes Wasser rauskommt. Und wo war noch einmal Rechts? Da wo kaltes Wasser rauskommt. Weil ich aber den Unterschied zwischen den beiden Seiten kaum auseinanderhalten konnte, drehte ich meistens mit voller Wucht am rechten Rädchen. Und verbrannte mir fast jedes Mal halb die Finger. Anfangs habe ich es ja nie gemerkt, dass es so heiß war, da das glühend hitzige Wasser ja immer noch auf meine Haut prallte. Aber sobald ich es ausgeschalten hatte, empfand ich einen so dollen, kaum auszuhaltenen Schmerz, dass ich am Liebsten jedes Mal losgeschrien hätte. Erst habe ich die Qual nicht gemerkt, doch sobald der Moment des Schmerzes vorbei war, wurde man von so einer mächtigen Welle des Peins getroffen.

Und genauso fühlte ich mich in diesem Moment. Mit einzelnen Adjetiven war diese Situation einfach nicht zu beschreiben, nicht einmal diese Metapher war gut genug. Ich hätte meinen können, dass ich am Liebsten schreien wollte, aber nicht konnte. Kämpfen wollte, aber nicht konnte. Sterben wollte, aber nicht konnte. Ich hatte in meinem Leben noch nie so etwas gefühlt. Noch nie so etwas Schreckliches, so etwas Niederschmetterndes. Ich hätte mir nie ausgemalt, dass so etwas passieren würde. Nie habe ich gedacht, dass ich eine Person verlieren würde, die mir so viel bedeutete. Und niemals habe ich vermutet, dass dieses unfassbar furchtbare Ereignis wegen mir zu Stande kommen würde.

Aira war tot. Sie war tot. Aira war wirklich tot. Sie war weg. Sie war tatsächlich weg. Es fühlte sich so an, als ob mein Herz rausgerissen worden ist und nun nur noch ein riesiges, dunkles Loch vorhanden war. Nur noch ein mickriges, kaum noch fühlbares Kitzeln war in meinen Händen zu finden, und selbst das verstarb mit jeder weiteren Sekunde. Ich konnte nicht mehr atmen, nicht mehr sehen, nicht mehr hören und vor allen Dingen nichts mehr fühlen. Als ob ich selber gerade im Sterben liegen würde.

Ich war mir sicher, dass ich mittlerweile mehrere Kübel voller Tränen vergossen habe. Aber spürte ich die Nässe? Spürte ich das Brennen meiner aufgequollenen Augen? Schmeckte ich diese seltsame Wasser-Salz Mischung auf meiner Zunge? Nein. Es war so, als würden sich gerade innerlich Barrieren vor meinen Gemüter aufgebauscht haben, da mein Gehirn wohl im Moment merkte, dass ich nicht mehr Elend aushalten konnte. Und das äußerlich, wie auch innerlich. Denn mein Körper, mein Geist war mittlerweile so taub, dass ich nicht einmal den Unterschied zwischen der Realität und der Ohnmacht kannte, in die ich gerade langsam, aber sicher fiel.

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"Ich glaube es nicht. Das wird nicht aufgehen, und das weißt du am aller besten. Weißt du, was geschehen wird, wenn wir scheitern?" "Ich weiß es, wir beide wissen es mehr, als jeder andere. Aber jetzt können wir unmöglich aufhören. Jetzt  ist doch der perfekte Moment. Das perfekte Zeitalter, den perfekten Plan, und das perfekte Helferlein. Es gilt nun; Jetzt oder nie." Diese wirren, fast unmerklichen Stimmen und Töne klangen vollkommen verworren und nur schwer konnte ich jedes einzelne Wort auch vernehmen. Eine eisig kalte, bittere Luft umschwirrte meinen müden Körper, sodass sich auf diesem alle Haare aufstellten und ich fest meine Zähne zusammenbiss. Ein merkwürdig zusammen gemischter, fast säuerlicher Geschmack befand sich auf meiner Zunge, als hätte ich eine seltsame Flüssigkeit, vielleicht sogar Medizin zu mir genommen. Mein Hals war kratzig und trocken und ich realisierte mit jedem Male mehr, dass mir unheimlich schlecht war. Jede klitzekleine Bewegung könnte nun zu einem ungewolltem Brechreiz führen, worauf ich nicht besonders scharf war. Ich fühlte mich so, als ob ich mehrere Wochen nicht geschlafen hätte, doch ich war mir sicher, dass ich gerade erst aufgewacht war. Doch obwohl ich mich so unglaublich schlapp fühlte, lag ich weder auf einem Boden noch auf sonst irgendetwas. Es fühlte sich eher so an, als würde ich schweben. Als würde ich mit meinen Handgelenken an irgendetwas hängen. Und das war nicht nur eine gruselige Vorstellung, sondern auch ziemlich schmerzhaft. Aber wieso sollte ich irgendwo gefesselt sein? Wovon bin ich aufgewacht? Und wieso ist es hier so kalt? Wo war ich überhaupt? Und wieso fühlte ich mich so elend?

F I R E E M P R E S SWhere stories live. Discover now