Schlagzeilen

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Draco senkte verschwörerisch die Stimme. „Ja", raunte er dicht an meinem Ohr. „Bellatrix, Rodolphus und Rabastan haben Mutter und Vater wohl einen Besuch im Manor abgestattet. Doch Vater wollte nicht schreiben, wo die anderen sich aufhalten. Ich glaube jedoch, es hat mit seinem Auftrag zu tun... Mutter will aber nicht, dass-"

Doch in diesem Moment läutete es und Draco sah sich suchend nach Crabbe und Goyle um. „Vielleicht schreibt dir Vater ja auch noch", sagte er mit einem verächtlichen Grinsen, schwang sich seine Schultasche über die Schulter und zog mit seinen Kumpels im Schlepptau von dannen.

Mein Blick wanderte zum Lehrertisch empor. Professor McGonagall, die offenbar gerade in einem intensiven Gespräch mit Dumbledore gesteckt hatte, beeilte sich nun, ihre Sachen zusammenzusuchen und zum Verwandlungsunterricht zu kommen. Einen Platz weiter links saß Dolores Umbridge, die inzwischen zur Großinquisitorin von Hogwarts ernannt worden war –Merlin allein wusste wohl, wem das irgendetwas nutzen sollte-, und sich genüsslich an einem Toast gütig tat, ohne etwas von dem Aufruhr unter den Schülern und dem Lehrpersonal mitzubekommen, den die Schlagzeilen in der Zeitung ausgelöst hatte. Hastig griff auch ich nach meiner Tasche und folgte McGonagall aus der Großen Halle.

Die Angst, aufgrund der Neuigkeiten aus dem Tagespropheten, rumorte in meinem Magen wie eine Ladung Blubbersaft in Verbindung mit einem von Filibusters nasszündenden, hitzefreien Feuerwerkskörpern. Lord Voldemort hatte also begonnen, seine Anhänger vermehrt um sich zu scharen. Und mit der Befreiung eben jener aus Askaban hatte er einige seiner treuesten und gefährlichsten Todesser zurückgewonnen. Sie waren alle miteinander wahnsinnig. Meine Tante Bellatrix, ihr Ehemann, dessen Bruder, mein Vater.... Sie alle miteinander waren einfach nur wahnsinnig... Wo sich der Dunkle Lord wohl zu dieser Stunde aufhielt? Mir war schleierhaft, wie der Minister noch immer so schrecklich geblendet sein konnte, und noch immer leugnete, dass Voldemort zurückgekehrt war. War der Massenausbruch aus Askaban nicht Beweis genug, dass Potter die ganze Zeit über Recht gehabt hatte? Was bezweckte das Ministerium damit?

Schlitternd kam ich vor dem Zauberkunstklassenzimmer zum Stehen und rauschte, gefolgt von ein paar anderen Slytherins, als eine der letzten in den Klassenraum. Und erst, als Professor Flitwick das heutige Stundenthema –Ausdehnungszauber- an die blitzsaubere Tafel schrieb, fiel mir auf, dass ich mein mit Haferschleim bekleckertes Zauberkunstbuch unten in der Großen Halle zwischen einem Krug Kürbissaft und Elizabeth' geringelten, lilafarbenen Wollhandschuhen vergessen hatte.

Als ich an diesem Abend in den Gemeinschaftraum trat war er voller Schüler. Gähnend bahnte ich mir einen Weg durch eine giggelnde Gruppe von Zweitklässlerinnen, die sich tuschelnd über eine neue Ausgabe der Hexenwoche gebeugt hatten, und eilte die kurze Treppe zum Schlafsaal empor, den ich glücklicherweise leer vorfand. Seufzend schleuderte ich meine Tasche aufs Bett und massierte mir die Schläfen. Noch immer jagten einzelne Schattengedanken bezüglich des Askabanausbruchs in meinem Kopf herum und zu all dem Übel musste ich auch noch meine Sternenkarte für den Astronomieunterricht morgen zu Ende zeichnen.

Nachdenklich schälte ich mich aus meiner Schuluniform und fuhr mit den Fingerspitzen sachte über meine Rippen. Die blauen Flecken und die Prellungen waren fast vollständig verheilt und es tat auch nicht mehr ganz so weh wie noch vor einer Woche. Vorsichtig strich ich auch noch ein wenig von Severus' Creme auf die dunkleren Stellen und schlüpfte in ein warmes, dunkelrotes Wollstrickkleid und bequemere Stiefel, denn draußen auf dem dunkler werdenden Schlossgelände segelten noch immer kleine Flöckchen durch die Dämmerung und bildeten eine dünne Schneeschicht auf dem gefrorenen Erdboden.

Neben meinem noch immer halbausgeräumten Schrankkoffer sank ich kurz zu Boden und wühlte in seinen Tiefen nach meinem Astronomiebuch, fand aber nur mein reichlich in Mitleidenschaft genommenes Exemplar von Theorie magischer Verteidigung und mein kaum aufgeschlagenes Kräuterkundebuch. Genervt pfefferte ich beide Ausgaben zurück auf den Klamottenhaufen im Koffer. Mit einem klingenden Geräusch rollte etwas über den kargen Steinboden und blieb kurz vor einem der klauenartigen Nachttischbeinchen neben meinem Himmelbett zum Liegen.

Mit gerunzelter Stirn rutschte ich zum Bett herüber und wich keinen Moment später zurück, nur um mich kurz darauf wieder nach vorn zu beugen. Mit leicht zitternden Fingern hob ich den antiken Ring mit dem viel zu großen Saphir vom Boden auf und betrachtete ihn kurz in meiner blassen, kleinen Hand.

Ich schluckte leer. Es war kein hässlicher Ring. Ich hatte ihn nie eines zweiten Blickes gewürdigt, aber nach längerem Betrachten sah er sogar ganz hübsch aus. Das dunkle, tiefe Blau schimmerte leicht im Fackellicht und sah aus wie eine große, nachtblaue Träne umringt von winzigen, weißgoldenen Eisblumen, die sich rankenartig mit dem schlanken silbernen Ring verbanden. Ich zögerte. Dann stopfte ich den Ring hastig zurück an seinen alten Platz unten in meinem Koffer.

Mit meiner halbfertigen Sternenkarte und dem Astronomiebuch unter dem Arm und meiner Adlertintenfeder in der Hand kehrte ich kurze Zeit später in den lärmigen Gemeinschaftsraum zurück, wo ich mich in eine Ecke verdrückte und meine Unterlagen auf einem leeren Tisch ausbreitete. Es war eine lästige Angelegenheit, die Hausaufgaben neuerdings immer im vollen und lauten Gemeinschaftsraum erledigen zu müssen, aber Kopfschmerzen und längere Arbeitszeiten waren mir um einiges lieber als eine Begegnung mit Jonathan Yaxley.

Ich war gerade dabei, die Monde des Jupiters einzuzeichnen, als mir jemand von hinten auf die Schulter tippte. Ich fuhr schreckhaft zusammen, nur um eine Sekunde später in Dracos spitzes, feixendes Gesicht zu blicken. „Was willst du?", fuhr ich ihn eher grob an. Missmutig stellte ich fest, dass sich um den Schriftzug Ganymed ein dicker, dunkelblauer Tintenfleck gebildet hatte.

Draco ließ sich Zeit mit seiner Antwort und warf einen gelangweilten Blick auf meine Hausaufgabe. „Dein Verlobter ist auf dem Weg hierher", grinste er dann und wandte den Blick endlich von meiner mehr oder weniger unordentlichen Kallisto-Zeichnung ab und mir zu. Er genoss meinen mit Mühe unterdrückten, panischen Blick bei seiner gezielten Verwendung dieses Wortes. „Hat mit irgendwas vor seinen neunmalklugen Freunden geprahlt und ständig deinen Namen herausposaunt. Dann hat er noch von deinen Brüsten geredet und davon, wie süß und unschuldig du doch seist und wie reizend er das fände..." Er machte eine Pause und genoss die Wirkung seiner Worte, bevor er hinzufügte: „Aber das findest du wahrscheinlich eher abstoßend." Er lachte. „Ich glaube jedenfalls er sucht dich." Mir sank das Herz schneller in die Hose als eine Muggelrakete, die am Neujahrstag in den Nachthimmel schießt.

„Du faselst", sagte ich und bedachte ihn mit einem meiner Große-Schwester-Blicke der genervten Sorte.

„Wenn du mir nicht glauben willst, dein Pech." Ein süffisantes Malfoy-Grinsen glitt über sein Gesicht.

„Du bist so ein Mistkerl, Draco", rief ich ihm hinterher, als er mir schon längst den Rücken zugewandt hatte.

„Das weiß ich auch, geliebtes Schwesterchen, danke für das Kompliment." Feixend wandte er sich ein letztes Mal zu mir um. „Und übrigens", rief er grinsend, „Amalthea schreibt man mit ‚h'."

„Das weiß ich auch", fauchte ich und warf ihm einen zornigen Blick zu, bevor ich grummelnd den falschgeschriebenen Jupitermondnamen durchstrich. „Zieh endlich Leine." Ein letztes, schallendes Lachen und dann war er auch schon im Gang zum Jungentrakt verschwunden.

Mit fahrigen Fingern rollte ich die noch immer unvollständige Sternenkarte zusammen, griff nach dem Astronomiewälzer und floh in Richtung Mädchenschlafsaal. Was zur Hölle wollte Yaxley um diese Uhrzeit von mir?

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt