Langsam zog ich den Brotkorb zu mir heran und begann meinen Toast mit Zitronengelee zu bestreichen. Die Decke der Großen Halle, die stets den Himmel draußen wiederspiegelte, war heute von einem zarten Pastellblau und regte einen winzigen Funken Hoffnung in mir. War blau nicht die Farbe der Harmonie, der Zufriedenheit und der Unendlichkeit? Die letzten Tage waren die pure Hölle gewesen, obwohl ich es kaum hatte fassen können, endlich wieder in Hogwarts zu sein. Aber mittlerweile saß das Grauen auch hier und lauerte in jeder Ritze des gewaltigen Schlosses und nicht mehr nur zu Hause auf Malfoy Manor...

Das federleichte Glücksgefühl, das mich sonst immer erfüllte, wenn ich wieder in die geliebten Steinmauern zurückkehrte, war dieses Mal ausgeblieben. Denn es war nichts mehr übrig geblieben von den Endorphinen, die mich hätten erfüllen können. Da war nur hallende, unendliche Leere. Und das Schlimmste aber war, sich von alledem nichts anmerken zu lassen, sondern so zu tun, als würden meine Rippen nicht bei jedem Schritt fürchterlich schmerzen, als zierten nicht ein gutes Dutzend blaue Flecke meine blasse Haut am Bauch und meine schlanken Beine, als läge kein sündhaft teurer Saphirring oben in meinem Schlafsaal versteckt und als wäre Weihnachten erholsam und familiär gewesen.

Aber irgendwie gelang es mir tatsächlich, dass mir niemand etwas anmerkte. Keiner fragte nach. Weder Katie Bell, noch Elizabeth Carter – die sonst immer auf dem neusten Stand von Klatsch und Tratsch war- noch einer der Lehrer. Nur Professor McGonagalls forscher Blick hatte mich einmal mehrere Sekunden lang taxiert, als ich mit schmerzverzogenem Gesicht aus dem Verwandlungsklassenzimmer geeilt war, nachdem mir mein Exemplar für Verwandlung für Fortgeschrittene am Ende der Stunde, in meiner Hast nicht zu spät zu Verteidigung gegen die dunklen Künste zu kommen, zu Boden gefallen war und ich halb unter den Tisch hatte kriechen müssen, um es aufzuheben. Doch ich war dem Blick ihrer Falkenaugen ausgewichen und hatte mich aufs Mädchenklo verdrückt, nur um zu heulen und letztendlich doch zu spät zum Unterricht bei Umbridge zu kommen.

Ich fühlte mich so einsam und verlassen wie noch nie in meinem ganzen Leben. Nicht einmal nachdem ich von zu Hause davongelaufen war, oder als mich Snape verlassen hatte, oder als ich von der Ehe mit Yaxley erfahren hatte, hatte ich mich so elendig gefühlt... Und langsam drohte aus Leere Resignation zu werden, wenn mich nicht bald jemand aus diesem schrecklichen Nebel befreite, der sich Leben nannte. Wäre nicht alles so viel einfacher, wenn ich mich einfach fügen würde? Wenn ich einfach akzeptieren würde, dass meine Zukunft so aussah, wie sie eben aussah? Wenn ich keinen Widerstand mehr leistete, sondern sittsam wäre? Ja, was wäre, wenn ich einfach bei meinem Vater um Verzeihung flehte und mich ihm fügte? Wäre dann nicht alles so viel einfacher? Ich würde mich nicht mehr Tag und Nacht quälen müssen... Ich könnte jedem erzählen, wie glücklich ich war über diese Ehe, wie gespannt ich auf die Hochzeit sei und auf das Brautkleid und wie ich es kaum erwarten könne, Kinder zu bekommen und nach Yaxley Manor zu ziehen...

Denn ich hatte niemandem, dem ich mich anvertrauen konnte. Niemanden. Bei meiner Ankunft im Schloss vor drei Tagen hatte sich zuerst die Hoffnung in mir geregt, dass ich Severus in den Kerkern aufsuchen könnte, um ihm alles zu erzählen, all den Schmerz herauszulassen, mein Elend herauszuschreien... Aber dann war mir unser Streit wieder eingefallen, sein kalter Blick und seine abweisenden Worte. Tränen sammelten sich auch jetzt in meinen Augenwinkeln, als ich daran dachte. Schnell senkte ich den Kopf und starrte auf mein Marmeladen-Toast hinab. Ja, wie lange würde es wohl dauern, bis die Resignation einkehrte? Bis der Moment kam, an dem ich alles einfach schweigend hinnahm, so wie man es von mir verlangte?

Im Grunde war ich froh, dass ich Severus seit dem Beginn des neuen Halbjahres noch nicht über den Weg gelaufen war. Ich wusste nicht, ob ich seinen Anblick würde ertragen können. Vermutlich würde ich vor ihm in Tränen ausbrechen, wenn er versuchte mir in die Augen zu sehen. Ich schluckte hart. Umso mehr regte sich das Grauen in mir, wenn ich daran dachte, dass ich heute Mittag das erste Mal wieder Unterricht bei ihm haben würde. Ich spielte schon mit dem Gedanken, mich krank zu melden, aber dann hätte ich nach oben in den Krankenflügel gemusst und das Risiko, dass die Krankenschwester meinen Körper untersuchte, und dabei die blauen Flecken entdeckte, war zu hoch.

Das Läuten, das den Beginn des Unterrichts ankündigte, riss mich jähe aus meinen Gedanken. Verwundert starrte ich einige Sekunden den unangerührten Toast auf meinem Teller an, griff dann nach meiner Schultasche und schloss mich zügig dem Schülerstrom an, der aus der Halle drängte.
Im Klassenzimmer für Zauberkunst suchte ich mir einen Platz ganz hinten und starrte die ganze Stunde über nur Marietta Edgecombes rotblond-gelockten Hinterkopf an und bekam nicht ein Wort von dem mit, was uns Professor Flitwick über Ausdehnungszauber erzählte, sondern grübelte nur darüber nach, wie zur Hölle ich an eine neue Dosis Schlaftrank kam. Das war das einzige, was mich derweilen interessierte...

Erst, als alle Schüler begannen, ihre Sachen einzupacken merkte ich, dass der Unterricht zu Ende war. Der Korridor im dritten Stock war voller Schüler und ich quetschte mich an Cho Chang und einigen anderen Ravenclaw-Mädchen vorbei, die sich giggelnd und kieksend auf den Weg zum Mittagessen machten. Nach dem Mittagessen hatte ich eine Doppelstunde Zaubertränke und wenn ich vorher noch einen Abstecher zu Snapes privatem Vorratsschrank machen wollte, musste ich das Essen ausfallen lassen und mit gekreuzten Fingern darauf hoffen, dass der Tränkemeister zu dieser Zeit am Lehrertisch saß und Kotelett und Kartoffeln auf seinen Teller häufte. Denn das war der einzige Weg, die Gewissheit zu haben, heute Nacht sorgenfrei und traumlos einschlafen zu können.

Ich warf meine silberblonde Haarmähne über die Schulter und rauschte den Gang derartig schnell entlang, dass einige Schüler aus den unteren Klassen mir erschrocken aus dem Weg sprangen um mir Platz zu machen. Dann stockte mir plötzlich der Atem, als ich Severus vor mir den Gang entlangschreiten sah. Autoritär bahnte er sich seinen Weg durch die Schülermassen, während sich sein langer, schwarzer Umhang bei jedem seiner energischen Schritte unheilverkündend hinter ihm aufbauschte. Ich ließ einen langen Zug Luft erleichtert aus meinen Lungen entweichen. Er war auf direktem Wege zur Großen Halle. Ich sah nur seinen Rücken vor mir in der Menge und konnte ihm unauffällig folgen, denn der Korridor war voller Schüler.

Schon jetzt schlug mein Herz wie wild, bei dem Gedanken daran, meinen Lehrer zu bestehlen, aber ich glaubte nicht, dass ich auch nur eine einzige Nacht ohne Schlaftrank aushalten würde, zu sehr fürchtete ich mich vor den nächtlichen Schatten, den Alpträumen, dem Wachliegen. In diesen bitteren Stunden der Nacht schien mein ganzes Dasein in mir zusammenzuschrumpfen, wenn ich mit weitaufgerissenen Augen in dem riesigen, kalten Himmelbett lag, allein und von aller Welt verlassen... Ich schloss die Augen. Nein, das hielt ich beim besten Willen nicht aus.
Ich ließ mich, getarnt in einer Gruppe von Slytherins, mit den anderen Schülern in die Große Halle schwemmen, wo schon die meisten Schüler an den vier riesigen Haustischen saßen und sich gutgelaunt und angeregt unterhielten. Ich brauchte nur Sekunden, um seinen schwarzen Haarschopf unter den Lehrern auszumachen. Er saß direkt in meinem Blickfeld und hätte er den Kopf auch nur einmal gehoben, hätten sich seine stechenden Augen in meine angsterfüllten, grauen bohren können. Doch er war in ein Gespräch mit Professor McGonagall vertieft und nahm keinerlei Notiz von den durcheinanderwimmelnden Schülern am Eingang der Halle. Seine Miene war gereizt und um seinen schmalen Mund lag ein harter Zug.

Mein Herz zog sich vor Sehnsucht qualvoll zusammen, als seine funkelnden Augen kurz durch die Halle schweiften. Doch eine bessere Möglichkeit würde sich mir wohl kaum eröffnen und somit wirbelte ich auf dem Absatz herum, stieß einen dunkelhaarigen Siebtklässler aus dem Weg und floh den Gang entlang Richtung Kerker.

Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen und keine Sorge.... für Isabella kommen bald fröhlichere Zeiten :) Auch wenn noch nicht allzu bald... Aber ihr wurdet vorgewarnt (im Vorwort). Die Geschichte ist nicht umsonst mit P16 geratet :D

Isabella Malfoy जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें