Im Traum verfolgt

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Ich wühlte im Schränkchen über dem Spiegel nach einem Trank gegen meine Kopfschmerzen und wurde sogleich fündig. Mit geübten Fingern entkorkte ich eilends das winzige, bauchige Fläschchen und stürzte die dunkelgrüne Flüssigkeit hinunter. Der Trank brannte etwas in der Kehle, doch wohltuend merkte ich, wie sich meine Gedanken beruhigten und sich das flattrige Gefühl in meinem Bauch zu legen schien.

Nachdem ich mich fertiggemacht hatte, griff ich nach dem Kästchen mit den Zauber- und Heiltränken und traf schnell und geschickt eine bestimmte Auswahl an Fläschchen, die mich nach Hogwarts begleiten würden.

Unter ihnen das dunkelgrüne Gebräu gegen die Kopfschmerzen sowie Schlaftrank, ein Trank gegen Bauchschmerzen und Übelkeit, ein Trank gegen Nervosität und andere nützliche Zauberbräue.

Ich wusste, dass es beinahe lächerlich war, wie sehr ich auch manches angewiesen war, doch wer wusste, wann ich das nächste Mal nach Hause kam. Draco hatte mir zwar erzählt, dass es in Hogwarts einen Krankenflügel gab, doch ich war nicht besonders scharf darauf, wegen jedem Wehwehchen an die Tür der Krankenschwester zu klopfen.

Wohlmöglich würde dies eh nur zu unangenehmen Fragen führen und die Argusaugen der Heilerin würden mich auf Schritt und Tritt verfolgen. So war es jedenfalls an meiner alten Schule gewesen. Man behauptete stets ich sei zu zart und zerbrechlich, um jeder Krankheit allein zu trotzen im kalten Klima des Nordens, zudem war ich auch noch Engländerin und somit war die Dauerbehandlung mit Tränken nichts Ungewöhnliches mehr für mich.

Um halb acht machte ich mich auf den Weg nach unten in den Salon, um zu frühstücken. Ich wusste, dass der Zug in Kings Cross um elf Uhr abfuhr, also war noch mehr als genügend Zeit. Meinen Koffer hatte ich schon vor mehr als einer Woche gepackt, es fehlten nur noch einige warme Winterumhänge und meine Winterstiefel.

Denn ich hatte nicht vor, an Weihnachten zurück nach Malfoy Manor zu kehren, obwohl ich tief in meinem Innern wusste, dass mein Vater verlangte, dass wir an Weihnachten heimkamen und ich mich niemals trauen würde seine Autorität zu untergraben.

„Isabella", grüßte er mich formell und nüchtern und nickte mir zu.

Ich bemerkte, dass er der Einzige im Raum war, abgesehen von den Hauselfen und einer großen Schleiereule, die die neueste Ausgabe des Tagespropheten im Schnabel trug. Sie trat nervös von einem Bein aufs andere und stieß einen schrillen Schrei aus. Ich fragte mich, warum mein Vater der Eule die Zeitung nicht abnahm.

„Guten Morgen, Vater", sagte ich und wollte mich ihm gegenüber niederlassen.

Er blickte nicht auf, sondern machte nur eine knappe Handbewegung in Richtung der Eule. „Reich mir die Zeitung", war alles, was er erwiderte.

Innerlich zog sich mein Magen schon wieder unangenehm zusammen und meine Schläfen begannen zu pochen. Keine Begrüßung, kein Wort über den großen Tag – den Schulwechsel. Ich steuerte auf die Eule zu und stopfte einen Knut in den Beutel an ihrem rechten Bein, den mir einer der Hauselfen reichte.

Als er mir das Geldstück übergab, streifte er versehentlich meine Hand. Ich zuckte so stark zusammen, dass sich die Eule empört aufplusterte und erneut einen Schrei verlauten ließ.

„Ist ja schon gut", flüsterte ich der Eule zu und sobald ich den Propheten entgegengenommen hatte, raschelte sie gereizt mit ihrem Gefieder, breitete die Flügel aus und schwebte durch das offene Fenster hinaus, glitt über den Park hinweg und schrumpfte zu einem winzigen schwarzen Fleck in der Ferne zusammen. Wie gerne wäre ich ihr gefolgt, hätte ich doch bloß Flügel gehabt.

„Was ist denn?", mahnte mein Vater gereizt und folgte meinem Blick zum Fenster.

„Nichts", murmelte ich und reichte ihm lediglich die Zeitung. „Nichts."

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt