G133ay (1)

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Lieber Autor, liebe Autorin,

Auch Dir danke ich dafür, diese Geschichte lesen zu dürfen!

Insgesamt hast Du hiermit gute Arbeit geleistet. Ich habe aber auch ein paar Dinge zu kritisieren, die Dich leider Punkte gekostet haben. Natürlich sage ich Dir, was und warum.

Damit möchte ich auch direkt anfangen.

Deine Rechtschreibung ist, bis auf ein paar Fauxpas hier und da, einwandfrei. Bei der Kommasetzung musst Du allerdings nochmal ran, die fehlen in einigen Sätzen nämlich komplett! Die Geschichte ist im Präteritum geschrieben, allerdings springst Du ab und zu ins Präsens. Das wäre sinnvoll, wenn der Protagonist seine Geschichte quasi nacherzählen würde, aber da das nicht der Fall zu sein scheint, musst Du das korrigieren :)

Damit komme ich zu meinen größten Kritikpunkt: Dein Schreibstil. Beziehungsweise der Schreibstil in dieser Geschichte.

Gerade zum Ende hin fällt mir das zunehmend auf, es zieht sich aber durch die ganze Geschichte: Du schreibst sehr erklärend, hin und wieder wirkt es beinahe sachlich, was sehr unpassend ist, bedenke man, dass der Erzähler ein fünfzehnjähriger Junge ist, der dazu gezwungen wurde, in den Krieg zu ziehen. Dadurch, dass du sehr viel erklärst, werden einige Sätze zudem sehr lang und umständlich. Um ein Beispiel zu nennen: "Die Panik, die dafür sorgte, dass ich den lauten Schlachtruf, der von uns verlangt wurde, nur halbherzig über die Lippen brachte, umfasste meine ganze Truppe." Zum Ende des Satzes hin hat man vergessen, dass es eigentlich um die Panik der Soldaten geht :)

Oder ein weiteres Beispiel, das deutlich macht, warum diese Art zu schreiben nicht unbedingt die beste ist: "Meine ältere Schwester Isbeth musste meine Mutter beruhigen, als sie hörte, dass das Einberufungsalter gesenkt wurde und ich wahrscheinlich nicht mehr lange zuhause bleiben würde."

Das soll ja eigentlich ein ziemlich trauriger und vor allem emotionaler Moment in der Geschichte sein, nur kommt diese Stimmung beim Lesen leider nicht auf, weil du lediglich erklärst, warum Isbeth die Mutter von ihr und dem Protagonisten beruhigen muss.

Das ist nämlich das Problem: Dieser Text soll den Leser doch bestimmt berühren, ihn mitfühlen lassen mit dem Protagonisten, der sich Tag für Tag durchkämpft – schon bevor die eigentliche Schlacht überhaupt begonnen hat.

Durch diesen Schreibstil entsteht auch eine gewisse Distanz zum Geschehen, was beim Ich-Erzähler – zumindest in den meisten Fällen und leider auch hier – unpassend ist.

Es wirkt beim Lesen manchmal so, als hättest du Angst, die Leser würden nicht verstehen, was in der Geschichte passiert. Du musst zum Beispiel nicht extra erwähnen, dass ein Laufbursche die Befehle des Heeres weiterleitet. Es reicht, wenn Du ihn mit dem Major flüstern lässt, und spätestens wenn dieser direkt danach kundtut, dass das Schlachtfeld nah ist, kapiert jeder, was der Laufbursche dem Major zugeflüstert hat :)

In der realen Welt wird ja auch nicht jede Kleinigkeit erklärt ;) Damit eine Geschichte real wirkt, muss das Gefühl entstehen, dass sie "einfach da" ist, dass alles "einfach so" passiert. Man braucht nichts oder kaum etwas erklären, denn es erschließt sich dem Leser auch so.

Gerade bei dem Setting, das Du gewählt hast, ist dies eigentlich der Fall, denn die meisten dürften damit vertraut sein.

Aber vor allem leidet Dein Protagonist und seine Charakterisierung unter dem Schreibstil. Man erfährt zwar etwas darüber, wie er sich in dem Setting fühlt, aber über allgemeine Charakterzüge oder Angewohnheiten etc., die ihn vielleicht sogar herausstechen lassen, erfährt man leider kaum etwas, weil er gleichzeitig der Erzähler ist. Ich gehe sogar so weit und behaupte, dass ich über ihn beim Lesen am wenigsten lerne, was sehr schade ist!

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