37. Das Fest des Friedens und der Freunde

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An diesem Morgen schlug kein Hammer einen Meißel tiefer ins Gestein. An diesem Morgen versammelte Arnaults Stellvertreter alle auf dem Innenhof und ließ die Tore zum Herzen des Steinbruchs weit öffnen.

An diesem Morgen rieb Stojans Schleifpapierstimme am letzten Frost der Nacht: Verkündete, ihr langer Kampf sei endlich gewonnen und dass er bald wieder das Sagen im Steinbruch hätte. Seine Landsleute jubelten. Einige fielen auf die Knie, anderen mussten die Soldaten den Weg durchs Tor versperren. Die Eskalation verhinderte nur Alistairs langer Pfiff und Stojans anschließendes Brüllen.

Der Moragi rief jeden einzeln auf – wollte von jedem erfahren, wie die Wächter sie behandelt hatten. Schließlich erklärte Stojan den etwa dreißig Gefangenen, wie sie mit dem Schiff die Savage hinunter zur Stadt fahren würden und was dort auf sie wartete.

Alistair indes untersuchte zwei Schnittwunden und einen Knochenbruch. Es war der Druide, der die Behandlung der Moragi bis zur Stadt bestimmte und dem sich keiner widersetzte.

Zum Schluss trat Bastien auf eine Linie zu Stojan und erklärte allen – Moragi wie Mervaillern – welche Veränderungen Lehen und Land jüngst durchlaufen hatten und dass die Arbeit im Steinbruch ruhte, bis das zweite Fest der Krähe und der Saat seit mervaillscher Besatzung gefeiert wurde.

Und dem ausnahmslos jeder beiwohnen möge.

»Wir lehnen ab, Stadtgraf.« Jerome stieß sich aus seiner abwartenden Position bei seinen Soldaten. »Ob die Heidenfeste nun erlaubt sind oder nicht.«

»Ich denke, uns liegt ein Missverständnis zugrunde, Soldat.« Kerzengerade und mit hinterm Rücken verschränkten Armen wanderte Bastien zu ihm. »Ein Stadtgraf bittet einen Soldaten nicht um etwas. Dieser Steinbruch liegt in meinem Hoheitsgebiet und wenn ich sage, dass ihr ihn zu verlassen habt und euch dorthin begebt, wo ihr meine Wirtschaft nicht gefährdet, dann tut ihr genau das, verstanden? Euer Bleiberecht ist abgelaufen.«

Sera schüttelte den Kopf. Hörte sie neuerdings schlechter oder bildete sie sich nur ein, dass sie Jeromes Zähneknirschen hätte wahrnehmen sollen? Die gesamte Kulisse wirkte so leise und unscharf ...

»Ich freue mich, dabei zu sein.« Nolann hob seine dreifingrige Hand und sah zu den Männern, die einst ihm unterstanden. »Unsere Heimat, unsere Familien und Freunde warten auf uns, Leute. Lasst uns feiern, dass wir bald nach Hause gehen können.«

Nach Hause.

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»Ich würde auch gern zurückkehren: Das Salz in der Brise riechen, die Möwen kreischen hören und endlich wieder Austern speisen. Selbst in Speranx war ich meiner Heimat näher als hier.« Wyatt trommelte still auf die Reling des Schiffes und betrachtete die glatte Flussoberfläche.

Als hätte jemand Seras Ohren mit Watte zugestopft und sie gezwungen, ein Bild mit verdünnten Farben zu malen.

Obgleich das Frachtschiff mit nichts als Menschen und einem Druiden beladen war, quetschten sich Mervailler, Moragi und Lucius zusammen auf das Hauptdeck.

Nicht so Sera, Wyatt, Bastien und Nolann. Während der ehemalige Kommandant entspannt auf den Fluss sah, stand der Stadtgraf breitbeinig und mit Händen hinterm Rücken wie die Bronzestatue eines großen Anführers vor dem Treiben unter ihnen. Gelegentlich spähte er mit versteinerten Zügen zu Sera und Wyatt, regte sich jedoch nie.

»Sagt, Herzog: Warum töten Menschen sich gegenseitig?«, fragte sie.

Wyatt richtete seine meergrünen Augen im sonnengebräunten Gesicht auf sie und ein erstes Fältchen grub sich zwischen seine Augenbrauen. »Manche töten aus Hass oder Neid. Andere, weil ihre Gegner ihnen unmenschlich gemacht wurden. Einige Wenige vielleicht auch aus Spaß.«

ScherbenweltWhere stories live. Discover now