12. Das Fest der Krähe und der Saat

73 6 93
                                    

Ja.

Nein.

Bitte.

Danke.

»Benötigt Ihr Tinte und Federkiel, Füchsin?«, fragte Bastien und verschob seine Patience-Karten auf dem Esstisch.

»Vielen Dank, aber mit Kohlestift kann ich später besser schreiben und so sieht es wenigstens einheitlich aus.« Sera sah nicht von ihrem sich füllenden Notizbuch auf – schrieb weiter Wörter in die linke Spalte einer jeden Seite. Es duftete noch immer nach den geliebten Orangen und dem Pfeffer vom Überseemarkt in Speranx.

Entschuldigung.

Hilfe.

»Ihr seid ehrgeizig, wie man es von einer Füchsin erwartet. Damit werdet Ihr Eurem Professor eine große Bereicherung sein.« Der nächste Satz Karten huschte über die Tischplatte.

»Tjelvar ist der moragschen Sprache bereits mächtig. Das hier ist für mich.«

Wer.

Wo.

»Verstehe. Ihr seid also in einem Gebiet eingesetzt, dessen Sprache ihr nicht sprechen könnt.«

Wie.

»Stimmt.«

Bastien trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.

Wann.

Eine einzelne Karte streifte das Holz. »Wer garantiert uns, dass die Druiden heute Abend nur die Opfertiere töten?«

Nicht seufzen. Heute hatte sie Besseres zu tun, als sich mit jemandem zu messen. »Wir vertrauen darauf, dass die Druiden ihr Wort halten – andernfalls sind sie schließlich Feuerholz. Allerdings seid Ihr sicher ein willkommener Gast beim Fest, wenn Ihr Euch selbst überzeugen wollt.«

Bastien hielt beim Verteilen des nächsten Satzes inne. »Bedauerlicherweise ist meine Anwesenheit hier zwingend erforderlich. Ich hoffe dennoch sehr, dass Euer Vorhaben erfolgreich ist – und dass Kommandant Nolann noch weiß, wem er eidlich die Treue geschworen hat.«

Sie nickte. »Long brille la lune d'argent.« Gleich hatte sie alle Vokabeln aufgeschrieben und konnte verschwinden.

Warum.

~✧~

»Tak. Nie. Proszę. –«

»Pardon?«, unterbrach sie ihren Bruder mit gerunzelter Stirn. »Kannst du mir das buchstabieren?«

»Äh ... Ich hab's sprechen gelernt, aber nicht schreiben. Vielleicht kann ich's nochmal deutlicher sagen?«

»Das wäre gut, ja.«

Die Savage lauschte ihren Worten, die Vögel zwitscherten in den lauwarmen Mittag hinein und die Sonne blinzelte auf Seras Notizen. Sie und Lucien saßen hinter seinem Haus auf der Bank und nutzten die Ruhe vor dem Fest.

Bis kurz vor Sonnenuntergang beschrieb Seraphina mehrere dutzend Seiten mit Vokabeln und Grammatikregeln. Mehr schlecht als recht, da sie nur notieren konnte, was sie hörte.

Aber es reichte.

Moragi zu sprechen, war ihr Ziel. Nicht, wissenschaftliche Arbeiten zu konzipieren.

Als der Schatten von Luciens Haus zum Drittel über die Savage reichte und ihre Muskeln nach Bewegung ächzten, steckte Sera ihr Buch weg und folgte Lucien zum Nebentor hinaus.

Lange, in den Boden gerammte Tortschen bildeten einen erleuchteten, äußeren Ring um den Festplatz. Tische, Hocker und Bänke säumten den Bereich zwischen ihnen und dem Feuer. Auf der linken Seite des Zugangs zum Platz bauten die Moragi eine Kochstelle zusammen, auf der rechten waren das störrische Kalb und die vier Ferkel an einen Pfosten gebunden. Der Eingangsbereich zum Platz war das Einzige, was frei blieb.

ScherbenweltWhere stories live. Discover now