Kapitel 63

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Ich begann mir ernsthaft zu fragen, ob der Blick eines Schattens nicht hypnotisierend sein konnte. Ben und ich standen den Schatten gegenüber, aber nicht ohne einen gewissen Abstand zwischen uns zu lassen. Der Schatten betrachtete mich wieder mit diesen Blick, der ohne Zweifel der Grund für meine Albträume waren. Neben der schockierenden Geschichte über die Herkunft der Luftigen und Schatten. „Ich nehme an, dein Krieger kennt die Geschichte der ersten Götter. Kennt er denn auch die Geschichte seines Schöpfers?" Wieder einmal richtete er sich nicht direkt an mich, was mich einerseits verwirrte, aber auch beruhigte. Er schien kein Interesse an Ben zu haben, also konnte ich vielleicht verhindern, dass ihn jemand verletzte.

„Diese Legenden wurden vergessen", gab Ben zu und starrte den Schatten dabei herausfordernd an. Der Schatten schien wirklich enttäuscht, als er eine Grimasse zog und tief seufzte. „Schade. Dann werde ich es dir erzählen", er führte uns zu einem Bild, was mir beim Betreten der Höhle bereits aufgefallen war. Es war ein Planet, unser Planet, wenn man genau sein wollte. Der blaue Planet mit den grünen Flecken, die unsere Kontinente darstellte. Nur das der Planet von drei Personen umschnörkelt war, die mit komischen Farben gemalt wurden. Ein Mann, der eine dunkelblaue Haut hatte und neonfarbenes Haar, eine Frau mit brauner Haut und grünes Haar und ein Mann mit einer weißen Haut und weißes Haar. Wie eine Schutzschicht wickelten sich diese drei Personen um unseren Planeten und mir wurde sofort klar, wer das vorstellen sollte. Die drei Götter von der Geschichte.

Er lief weiter entlang der Wand und die Bilder änderten sich. Der Mann mit der weißen Haut wurde dargestellt, wie er etwas Kleines mit Flügeln in den Händen hielt und daraufhin ein Ort, der wohl eine Höhle darstellen musste, denn dort befand sich eine größere Gruppe von den geflügelten Kreaturen, die eindeutig die Luftigen darstellten. Die gleiche Geschichte, die der Schatten mir am Tag zuvor erzählt hatte, wurde auf dieser Wand wiedergegeben und ich verfolgte dem Kunstwerk neugierig. Ben lief direkt hinter mir und betrachtete die Bilder an der Wand mit mindestens genauso viel Interesse.

Die Geschichte entwickelte sich aber weiter und die Frau mit der braunen Haut erschuf einen Menschen. Einen Luftigen ohne Flügel. Was für ein komischer Gedanke, dass die Menschen in dem Abbild eines Luftigen erschaffen wurden. Oder eher ein arroganter Gedanke, denn die Menschen haben immer gedacht, dass alles in ihrem Abbild erschaffen wurde. Doch anhand dieser Bilder war dies nicht der Fall. Trotz dessen, dass es nur Zeichnungen waren, konnte man den Verlauf der Geschichte sehr gut wiedererkennen. Wie eifersüchtig die anderen Götter wurden und dann kamen wir zum grausamen Teil der Geschichte. Bei dem grotesken Bild der Menschen, wie sie die Flügel eines Luftigen blutig herausrissen und sie dann an ihre eigenen Rücken nähten, ließ mich geschockt innehalten. Überall wurde Blut gemalt und die flügellosen Luftigen lagen dort ohne ihre Flügel und mit zwei klaffenden Wunden auf ihren Rücken.

Ben stellte sich neben mir und ich konnte spüren, wie er sich anspannte. Dieser Teil der Legende schien er nicht zu kennen und er war eindeutig erschrocken. „Was soll das?" Er war leiser geworden, vorsichtiger, weil er nicht wusste, wie er dies verstehen sollte. Der Schatten drehte sich zu uns um und zum ersten Mal sah er Ben an. „Das ist deine vergessene Legende", er klang neutral und gar nicht provozierend, wie ich es erwartet hatte. „Das ist eine Lüge", entgegnete Ben schnell. Der Schatten erwiderte daraufhin nichts mehr. Stattdessen drehte er sich um und lief weiter entlang der Wand. Bens Blick hatte sich verbittert in seinen Rücken gebohrt und ich konnte sehen, wie sich seine Gedanken überschlugen.

Vorsichtig nahm ich seine Hand wieder in meine und hauchte einen Kuss darauf. Sein Blick schnellte zu mir und ich konnte die Sorge darin erkennen, doch wir hatten keine Zeit für seine Verwirrung. Ob diese Legende der Wahrheit entsprach oder nicht, wussten wir nicht, aber es war eigentlich auch egal. Wie und warum die Luftigen entstanden waren, hatte nichts mit der Tatsache zu tun, dass die Schatten uns gefangen hielten. Also strich ich kurz mit meinen Daumen über seinen Handrücken, ehe ich ihn losließ und den Schatten folgte. Nach einigen Sekunden folgte er mir, aber nur, weil er sich nicht zu weit von mir entfernen wollte. Dieses Bild hatte ihn wirklich gefesselt.

LUFTIGEN - becoming a warriorWhere stories live. Discover now