Kapitel 36

330 17 0
                                    

Prüfend kniff ich mir in den Arm, doch der Schmerz war da, also träumte ich nicht. Leider löste das nicht mein Problem, denn wenn ich wirklich wach war, dann bildete ich mir den Geheimgang vor mir nicht ein. Es gab die Möglichkeit, dass ich es ignorierte und weg lief, aber nach einem Jahr umgeben von magischen Kreaturen, hatte ich endlich etwas Aufregendes gefunden.

Der Eingang schien eine Tür überzogen mit Gestein zu sein, sodass es so aussah, als wäre es eine Steinwand. Wenn ich nicht gegen die Wand geschlagen hätte, wäre es mir auch nie aufgefallen, also musste man sich damit sehr viel Mühe gegeben haben. Was auch immer hier hinter lag, musste wichtig sein, wenn es so gut versteckt wurde. Ungemein dachte an noch mehr Stellen, die geheime Türen haben könnten. Nach all der Zeit wusste ich immer nur noch halb so viel über den Berg, der zu meinem Zuhause geworden war.

Ohne mich zu rühren, stand ich vor diesen Eingang, der meinen langweiligen Alltag verändern könnte. Wieder einmal gab es den Konflikt zwischen dem, was ich unbedingt wollte und was ich eigentlich durfte. Wenn Ben hier wäre, müsste ich keine Entscheidung treffen, denn der vorzeige Krieger würde nie zulassen, dass ich diesen Gang betrat. Es gab also doch seine Vorteile, ohne meinen ständigen Begleiter. Dieses Mal hatte ich nämlich kein schlechtes Gewissen, als ich den Gang betrat, ohne mich ein weiteres Mal umzusehen.

Es gaben hier keine Fackeln und Fenster gab es schon gar nicht, auch die kleinen Löcher, die im restlichen Berg Licht spendeten, gab es hier nicht. So musste ich mich auf meine anderen Sinne verlassen und mich mit den Händen, Füßen und Flügeln voran tasten. Meine Fingerkuppen strichen dabei über die Wände, machte kleine vorsichtige Schritte und meine Flügel strichen ebenfalls an den Wänden, womit ich jede Unebenheit wahrnahm.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, ehe ich endlich Licht am Ende vom Gang sah. Ich musste meine Augen zusammenkneifen, sodass ich nicht von dem ungewohnten Licht geblendet wurde. Erst als die gelben Flecken in meiner Sicht verschwanden, sah ich endlich, was sich vor mir befand. Dabei war ich auch gerade rechtzeitig, denn ein paar Schritte weiter und ich wäre in ein dunkles Loch gefallen. Das Loch war einige Meter breit und schien sehr tief zu sein, denn ich konnte keinen Boden erkennen. Wo zur Hölle führte das alles hin?

Ich hatte auch Arthur noch nicht gesehen und ich konnte nur hoffen, dass er nicht hereingefallen war, so verwirrt wie er war. Eine Fackel, die noch ziemlich neu aussah, hing an der Wand über das Loch und spendete auch genug Licht, dass ich erkennen konnte, wie der Gang hinter dem Loch noch weiterging. Ob es ein Trick war? Natürlich war so ein Loch in der Dunkelheit schon gefährlich, aber ein Luftigen konnte fliegen und so groß wie das Loch war konnte man auch einfach wieder herausfliegen. Unentschieden kaute ich auf meiner Lippe herum, als ich zwischen dem Loch und den weiterführenden Gang hin und her sah.

Unbewusst dachte ich darüber nach, was Ben getan hatte. Er war eher ein sicherer Typ und ging nicht gerne Risiken ein, es sei denn es war seine Pflicht. Ich stellte mir vor, wie er neben mir stehen würde und mich ausschimpfte, warum ich überhaupt diesen Gang betreten hatte. Ein Kichern entfloh mir, als ich mir sein Gesicht vorstellte, wie er sauer wurde. Das leise Geräusch hallte an den Wänden wieder und kam verstärkt zurück.

Das dunkle Loch war mir nicht ganz geheuer und der Gang wäre der sichere Weg, aber dieses Loch war verdächtig groß genug, sodass ein Luftigen dadurch fliegen könnte. Der logische Weg war also der Gang, aber da es ein Geheimgang war, entschied ich mich zu sehen, wo das Loch hinführte und machte einen vorsichtigen Schritt auf das Loch zu. Noch ein paar mehr Risiken würden jetzt auch keinen Unterschied mehr machen.

„Hallo?" Rief ich hinein. Im Gegensatz zu gerade eben passierte nichts, also fasste ich den Entschluss. Mit geschlossenen Augen, da ich da unten sowieso nichts sehen konnte, trat ich über den Rand und ließ mich von der Schwerkraft nach unten ziehen. Meine Flügel hatte ich dabei leicht geöffnet damit, wenn ich landen sollte, es nicht so schmerzhaft werden würde.

LUFTIGEN - becoming a warriorWhere stories live. Discover now