Kapitel 7

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Mein Reiseführer entpuppte sich als ein mürrischer Flügel-Mann, der alles andere als begeistert schien, auf mich aufzupassen. Eigentlich hatte ich vor, ihn mit meinen immer noch unbeantworteten Fragen zu bombardieren, aber ich war echt zu müde. Der namenlose Flügel-Mann brachte mich also wortlos zu meinem Zimmer und brachte mir einige Minuten später ebenfalls etwas zu essen. Es war zwar nur Brot mit Käse und Orangensaft, aber mein Magen und ich beschwerten sich nicht. Nachdem dieses hungernde Gefühl nicht mehr an mich nagte, fiel in ich in einen unruhigen Schlaf. Ich hatte eigentlich erwartet, mit diesen Flügeln nicht komfortabel einschlafen zu können, aber sobald mein Kopf das Kissen berührte, war ich weg.

***

Ich war schwerelos. Keine Wolken befanden sich hier oben und während meine Flügel mich immer höher und höher zu den Sternen trugen, war ich frei. Meine verschwommene Sicht war ein Zeichen, dass dies nur ein Traum war, und nur nebenbei gelang es mir zu bemerken, wie etwas Weißes um mich waberte. „Mein Kind ..." flüsterte plötzlich eine Stimme neben mir. Wenn ich mich erschrecken könnte, hätte ich dies getan. Ich hielt Ausschau nach der mysteriösen Stimme, die mir sehr bekannt vorkam, doch ich konnte den fremden Flügel-Mann nirgendwo erkennen. Meine Sicht klärte sich und fast schien es, als wäre ich vollständig wach. Ich trug ein merkwürdiges Gewand, was eher ein langes weißes Tuch glich, was sich um mein Körper wickelte. Es war erstaunlich dünn, aber hielt mich warm. Als ich nach unten schaute, sah ich keinen Boden.

Nur ein endloser Sternhimmel, der so nah schien, als würde ich mich inmitten von ihnen befinden.

Vertrau deinen Kräften" ertönte die dröhnende Stimme des Mannes. Ich wollte etwas erwidern, ihn bitten mir zu helfen, als meine Flügel plötzlich weg waren. In einer rasenden Geschwindigkeit fiel ich in diesen unendlichen Himmel ohne Boden und bevor ich ein Laut von mir geben konnte, wurde alles schwarz.

***

Keuchend und verschwitzt richtete ich mich auf. Völlig außer Atem schlug ich die erdrückend warme Decke von mir und stand auf. Die kalten Steine waren wohlfühlend für meinen erhitzten Körper, der sich nicht beruhigen wollte. Ich war diese Albträume echt mehr als satt. Schon seit Monaten konnte ich keine Nacht, ohne verschwitzt aufzuwachen, durchhalten.

Nach dem das Adrenalin abgeklungen war, richtete ich meine Klamotten, band meine Haare mit einem Haargummi hoch und nutzte meine neue Energie, um mit meiner neuen Situation zurechtzukommen. Vielleicht etwas zu energisch schlug ich die Holztür auf. Sie wollten das ich mich entscheide, na schön. Aber bevor ich das tat, würde ich alles sehr genau betrachten.

Tatsächlich stand neben meiner Tür der mürrische Flügel-Mann, der mir zugeordnet wurde. Er starrte die gegenüberliegende Wand an und zuerst schien es, als hätte er mich überhaupt nicht bemerkt. Ich räusperte mich vorsichtig, doch er rührte sich nicht. Ich trat direkt vor ihn und sah in sein mürrisches Gesicht. Es war, als würde ich ihn jetzt erst richtig wahrnehmen.

Er schien einige Jahre älter als ich zu sein und hätte er neben sein kantiges Gesicht, seiner großen Statur und dem einschüchterten Lederoutfit keine strahlend blauen Augen gehabt, hätte ich fast angst vor ihn gehabt. Er sieht gut aus. Diesen Gedanken schüttelte ich ab, bevor er sich in etwas Dummes entwickeln konnte. Ich war immer schon schrecklich in das ganze Verknallt-Sein gewesen. Der mürrische Flügel-Mann schien mich jetzt auch erst wahrzunehmen und senkte sein Blick auf mich.

„Was ist?" Brummte er genervt. Also warf ich mein Vornehmen dem ganzen Positiv gegenüber zu stehen, in die Mülltonne und schnaubte beleidigt. „Solltest du das nicht wissen? Ich möchte gerne sehen, was ihr hier alles habt." Das meine Stimme dabei nicht zitterte verdankte ich meiner Arbeit im Krankenhaus. Meine Wut konnte ich daher relativ kontrollieren.

Wenn es überhaupt noch möglich war, guckte der Flügel-Mann mich noch mürrischer an. „Folge mir und halte den Mund" nach ein paar innerliche Meditationen gelang es mir, diesen Mann zu folgen, ohne ihn anzuschreien. Relativ kontrollierbar.

Das wohl Erste, was man über den Clan der Luftigen wissen sollte ist, (so nannten sich ganz nebenbei die Flügel-Männer), dass sie sich nicht mit der Technik angefreundet haben. Demnach lief alles über ihre selbst gemachten, ein wenig mittelalterlichen Systeme. Der mürrische Luftigen stellte sich heraus als ein schweigsamer, leicht genervter Mann, der etwa um die 30 Jahre alt war. Am Anfang dachte ich, er wäre ungefähr so alt wie ich, aber ich wusste noch nicht das Luftigen sehr viel langsam alterten als Menschen. Den Punkt setzte ich mal auf die Pro-Liste, da ich in 15 Jahren immer noch aussehen würde wie zwanzig.

Im Prinzip glichen die Luftigen den Menschen sehr. Sie ernährten sich von normalem Essen und Wasser und mussten sich Bewegen, um nicht fett zu werden, wie ich selber feststellte. Jedoch waren das im Moment die einzigen Ähnlichkeiten, die ich zwischen diesen Kreaturen und den Menschen sah. Jeder Luftigen in diesen Clan (anscheinend gibt es über 20 über der ganzen Welt verteilt) ist ein Krieger. Sie werden alle geboren von einem Krieger, werden alle von Anfang an ausgebildet zu Krieger und verbringen ihren Alltag mit Krieger-Sachen. Warum sie alle Krieger waren und wofür sie trainierten, wollte der Flügel-Mann mir nicht sagen.

Was man ebenfalls unbedingt über die Luftigen wissen sollte, ist das es keine weibliche Luftigen gibt. Bevor mir die Flügel gewachsen sind und sie mich hier her verschleppt haben, wurden immer nur männliche Luftigen geboren. Als ich fragte, wo dann ihre menschliche Mütter sind, ignorierte er mich. Eigentlich war es ein sehr schöner Clan, sie alle lebten zusammen in einer riesigen Höhle irgendwo in den Alpen (was nicht erklärt, wie ich in einer Nacht Hunderte von Kilometer gereist bin) und schienen sehr harmonisch miteinander klar zu kommen. Jedoch dachte ich das, denn jedes mal, wenn wir in der Nähe kamen, verstummten ihre Gespräche und es wurde nahezu totenstill in den Höhlen. Die misstrauischen Blicke wurden mir nach meinen stundenlangen Rundgang echt unangenehm, sie schienen mir echt die Schuld zu geben für alles: Meine Flügel, die Tatsache, dass ich eine Frau war und meine bloße Existenz.

Auch mein Rundführer behandelte mich wie Pest. Jedes Mal, wenn ich ihn aus Versehen zu nahe trat, entfernte er sich noch einen halben Meter von mir und jede Frage wurde (wenn überhaupt) einsilbig und genervt beantwortet.

Als wir dann wieder in den Flur zu meinem Zimmer kamen, war ich völlig erschöpft. Meine neuen Flügel waren zwar stark, aber es echt nicht gewöhnt, so viel herum zufliegen. Leider gab es nämlich nirgendwo Brücken und jede einzelne Höhle mit den einzelnen Funktionen war nur mit Flügeln zu erreichen. Ekelhaft verschwitzt und wieder einmal müde lief ich brav hinter den Luftigen her. Als wir meine Tür erreichten, stellte er sich wieder links daneben und starrte die Wand gegenüber an. Etwas verwirrt hielt ich inne. „Danke, für den Rundgang" bedankte ich mich bei ihm.

Er schien mich zwar nicht leiden zu können, aber er hatte meine Fragen zumindest zu einen Großteil geklärt. Er regte sich aus seiner Starre und in seinen Blick erkannte ich fast so etwas wie Neutralität anstatt von Abscheu. Zufrieden über meinen Fortschritt mit meinen Luftigen, öffnete ich die Tür und hielt kurz inne. „Wenn wir über die nächsten Tage mehr Zeit zusammen verbringen, wäre es praktisch, deinen Namen zu kennen" er warf mir bloß einen Seitenblick zu.

Ich wartete eine Sekunde und dann noch eine, doch er starrte die Wand an und schien sich entschlossen zu haben, mich wieder zu ignorieren. Ich zuckte mit den Schultern, „alles klar Flügel-Mann, dann sehen wir uns morgen." Ich schloss die Tür, betont langsam, um auf eine Reaktion seinerseits zu warten, aber mein Name für ihn, schien ihn nicht zu stören.

In mein Zimmer hatte sich einiges geändert. Die Bretter vor meinem Fenster waren entfernt worden und die Sonnenstrahlen tauchten das Zimmer in ein orangenes Licht. Auf den Stuhl neben der Tür lagen neue Klamotten sowie ein weißes dünnes Kleid, was ein Pyjama vorstellen sollte und das Bett war neu bezogen. Diese kleinen Aspekte machten den Raum um einiges sympathischer und ich beschloss, dass es gar nicht so schlimm hier war. 

LUFTIGEN - becoming a warriorDonde viven las historias. Descúbrelo ahora