Kapitel 52

317 15 0
                                    

Das Bett fühlte sich an wie Wolken, wenn Wolken tatsächlich weich wären. Ich war Ben so nah wie nie und genoss es in vollen Zügen. „Luftigen fassen ihre Flügel untereinander eigentlich nicht an" das erinnerte mich an das erste Mal, als ich Will getroffen habe. Damals hatte er mich den Kindern vorgestellt und ihnen ermahnt, als sie meine Flügel berührten. Vorher dachte ich mir nichts dabei, doch Ben hatte recht. Die Luftigen fassten fremde Flügel wirklich nicht an. „Warum?" Ich konnte meine Neugier nicht stillen und ich war es gewöhnt, Ben nach solchen Sachen zu fragen, da er mein Wächter war. „Es ist unser stärkster und verletzlichster Teil", klärte Ben es so neutral auf, als wäre es offensichtlich gewesen.

Vorsichtig richtete ich mich ein wenig auf, damit ich in seine blauen Augen sehen konnte. Dann hob ich fragend meine Hand zu seinen Flügeln, und erst als er leicht nickte, fuhr ich bedächtig durch die weichen Federn. Ich spürte die Kraft und Muskeln, aber auch die Federn, die sich unter meiner Berührung leicht hoben, wie als würde ihm kalt sein. Es fühlte sich weicher an als meine eigenen Flügel und tatsächlich fühlte sich dieser Moment intimer und wichtiger an als die anderen. Zufrieden und entspannt lehnte ich mich wieder gegen seine Brust, aber ohne meine Hand aus seinen Flügeln zu nehmen, die er etwas ausgebreitet hatte, damit ich besser herankam.

In diesen friedlichen Moment fiel mir ein, dass ich eigentlich nichts auf Bens Rede geantwortet hatte. Einerseits war das gut, immerhin war es ihm bestimmt nicht leicht gefallen, so gefühlsduselig zu werden, aber da war diese Stimme in meinen Kopf, die ihn genauso viel Klarheit verschaffen wollte, wie er es mit mir getan hatte. Also griff ich nach seiner Hand und verschränkte unsere Hände. „Ich habe dich in den letzten Tagen vermisst", das zuzugeben fiel mir nicht leicht und mich so offen und verletzlich zu zeigen besorgte mir trotz allen ein beklemmendes Gefühl.

„Ich habe dich aber nie alleine gelassen", verwirrt sah ich ihn in seine Augen, doch er meinte es völlig ernst. „Wie meinst du das? Ich habe dich kaum gesehen", das hatte ich mir auf keinen Fall eingebildet, denn ich hatte mich ohne Ben an meiner Seite schrecklich einsam gefühlt. Er drückte kurz seine Hand tröstend um meine und wechselte von meinen Flügel zu meinen Haaren. „Nach unseren Streit... bin ich dir gefolgt", gab er schließlich zu. Davon hatte ich aber nichts mitbekommen. So eine schreckliche Luftigen war ich auch nicht. „Ich habe mir bei Arthur Ausreden ausgedacht und bin dir überall hin gefolgt", fuhr er nun etwas kleinlauter fort. „Bei den Patrouillen bin ich euch hinter her geflogen, bei dem Essen habe ich eine Plattform über dir gesessen und sogar als du die Luftigen aus dem anderen Clan getroffen hast, war ich dabei". Ich korrigiere. Ich war so eine schlechte Luftigen.

„Das ist mir nie aufgefallen", gab ich zu. Ich sollte wahrscheinlich wütend auf ihn werden. Immerhin hatte er mich ignoriert und hatte mir was vorgemacht, aber ich war einfach nur froh, dass er mich in den letzten Tagen nicht vergessen hatte. „Oh doch. Du hast mich schon so oft fast erwischt, aber ich konnte mich immer im letzten Moment retten" er lachte leise, sodass seine Brust unter mir vibrierte. „Ich konnte es einfach nicht übers Herz bringen, dich alleine zu lassen", verteidigte er seine Aktion, die ich ihn schon längst vergeben hatte. Warte mal. Wenn er überall dabei gewesen war... verärgert stützte ich mich ab, drehte mich um und schlug gegen seine Brust.

„Wieso hast du dann nichts gesagt, als ich dachte, die Luftigen wären Schatten?" Fragte ich wütend. Für diesen Fehler schämte ich mich immer noch, und das Ben es auch noch mit angesehen hatte, machte es nicht gerade besser. Ergeben hob er die Hände, als würde ich ihn gerade mit meinem Dolch bedrohen. „Wäre es wirklich besser gewesen, wenn du gewusst hättest, dass ich dir gefolgt wäre?" „Außerdem bin ich gegangen, als du gerade im Wald gelandet bist, also hatte ich gar keine Möglichkeit, dich zu warnen." Ich überlegte einen Moment, musste ihn aber recht geben. „Touché" murmelte ich ergeben und rutschte neben ihn, nur um meinen Kopf auf seine Brust zu legen. Zufrieden fuhr er fort, meine Haare zu entwirren und schlang den anderen Arm um mich.

LUFTIGEN - becoming a warriorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt