45. Die letzten zwei Minuten

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Entgeistert fuhr ich herum.

Nate stand vor mir. Sah mich unruhig an, indessen sich seine Hände unsicher in die Hosentaschen seiner Jogginghose gruben.

Ich hatte überhaupt keine Absicht mit ihm zu sprechen. Geschweige denn diese ganze Sache noch einmal durchzukauen, nur um noch verletzter aus der Situation hinaus zu gehen.

„Wir sollten sprechen. Über die Sache vor einer Woche und über uns.", murmelte er leise.

Ablehnend verschränkte ich die Arme vor meinem Brustkorb.

Ich wusste momentan nicht genau was ich fühlte. War es Zorn? Trauer? Ekel? Ablehnung? Vermutlich eine Mischung aus all dem. Auf jeden Fall wusste ich, was ich nicht fühlte: Freude: „Es gibt nichts zu reden, weil es kein uns gibt.", pustete ich spöttisch aus, indessen ich meine Augenbrauen tief ins Gesicht zog.

„Okay, in Ordnung! Aber bitte lass' mich wenigstens erklären, was letzte Woche passiert ist.", flehend kam er einen Schritt auf mich zu, was mich reflexartig einen großen, flüchtenden Schritt nach hinten schreiten ließ. Bis ich Drews Zimmertür in meinem Rücken spürte und mich daran hinderte noch mehr Abstand zwischen uns zu bringen.

Gekränkt sah er mich an, als hätte er mit einer solchen Reaktion meinerseits nicht gerechnet: „Ich bitte dich Lou! Ich möchte es nur erklären. Du bist nicht dazu verpflichtet mir zu verzeihen oder sonst was. Danach kannst du mich weiterhin ignorieren."

„Wieso? Was bringt uns das denn? Wir sind immerhin kein Paar und sind es nie gewesen. Ich habe ohnehin definitiv jemand besseres verdient. Du bist mir keine Erläuterung schuldig."

Sein Blick fiel matt zu Boden.

Die Worte hatten unbeabsichtigt gesessen.

Beinahe spürte ich Mitleid gegenüber Nate in mir hinaufkriechen. Doch diese Emotion versuchte ich im Keim zu ersticken, sobald sie sich versuchte an die Oberfläche zu graben. Sein trauriger Blick war sicherlich nur Einbildung. In Wahrheit war es mit Sicherheit Müdigkeit von den durchzechten Nächten, die er vermutlich die letzte Woche mit zahlreichen anderen Mädchen verbracht hatte.

„Ich weiß.", er wandte sich wieder zu mir: „Du hast definitiv jemand besseren verdient. Aber ich konnte mir das schließlich nicht aussuchen."

Argwöhnisch zog ich die Augenbraue hoch und prustete verständnislos: „Was konntest du dir denn nicht aussuchen? Diesem Mädchen deine Zunge in den Hals zu stecken? Mich schamlos für deine Zwecke auszunutzen, indem du mir ganz nebenbei eine völlig andere Persönlichkeit vorspielst?"

Nate kniff die Augen ein Mal fest zusammen, ehe er sie öffnete und mir entschieden in die Augen sah. Felsenfest und entschlossen, so dass es mich beinahe schüttelte: „Verdammt, Lou. Halt die Luft an.", er wurde etwas lauter, wodurch ich erschrocken zusammenfuhr. Seine Stimme trug eine verzweifelte Intensität in sich, die mir weiche Knie verpasste und eine erschaudernde Gänsehaut über den Rücken schickte: „Ich konnte mir nicht aussuchen, dass ich dich so sehr mögen würde. Das ist einfach passiert. Ich konnte anfangs nicht ahnen, wohin wir uns entwickeln würden.", stieß er aus.

Diese Worte trafen mich plötzlich. Unvorbereitet und kalt, so dass ich erstmal nicht mehr wusste, was ich denken oder sagen sollte. Mir hatte es schlichtweg die Sprache verschlagen, obwohl ich ihm eigentlich die gesamte Zeit gehörig Paroli bieten sollte.

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