14. Alte Lieben

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Nach der, für mich nicht ganz so rosig gelaufenen, Partynacht hatte ich Sonntag einen ordentlichen Katertag eingelegt, um meinen Kreislauf und Körper wieder in Schwung zu bringen.

Chiara hatte mir am Morgen danach zahlreiche besorgte Nachrichten geschrieben, in denen sie mir ihre Hilfe anbot und sich um mein Wohlbefinden erkundigte. Allerdings fühlte ich mich zu mieserabel, um unter Menschen zu gehen. Also verbrachte ich den Sonntag in meinem Zimmer, mit Süßkram und zahlreichen Folgen Grey's Anatomy.

Wenigstens hatte ein mickriger Tag ausgereicht, um mich zu regenerieren.

Gerade hatte ich ein Modul, in dem in die Unternehmenskommunikation eingeführt wurde.

Ich saß in der mittleren Reihe des kleinen Seminarraums, zwischen dreißig anderen Studierenden, die gefühlt alle mehr wussten als ich. Keine Frage, das Modul schien auf den ersten Blick unfassbar spannend zu sein, doch ich war schließlich hier, da ich noch nicht viel darüber wusste. Ich hatte die gesamte Seminarzeit das Gefühl, dass die anderen bereits fünf Semester studierten. Ich hoffte inständig, dass sich dieses überforderte Gefühl nach wenigen Tagen oder Wochen legen würde. Wenn ich mich schon in der ersten Stunde, in der es großteils um Organisatorisches und Basiswissen ging, versagte, wollte ich gar nicht wissen wie ich mich fühlte, wenn wir komplizierte Unternehmens- und Kommunikationsstrukturen besprechen würden.

„Zum Schluss dieser erfolgreichen ersten Stunde wollte ich Sie auf das modulinterne Praktikum hinweisen, welches jeder Einzelne von Ihnen innerhalb des Semesters ablegen muss.", wies der kleine, üppige, grauhaarige Dozent hin. Er trug eine runde Brille auf seiner etwas größeren Nase, einen fülligen Bart und steckte in einem blauen Anzug. Er sah tatsächlich wie ein kleiner Unternehmer aus und passte sich damit optisch hervorragend an den Inhalt des Moduls an.

„Dieses sollte den Umfang von zwanzig Stunden nicht unterschreiten. Gern können Sie die Stunden beliebig ausweiten, um möglichst viele Eindrücke innerhalb eines Unternehmens Ihrer Wahl zu sammeln. Zudem rate ich Ihnen das Praktikum möglichst bald zu absolvieren, damit es nicht in die Prüfungsphase hinein fällt.", sorgfältig notierte ich mir die Ecktdaten und Informationen in meinem Block: „Suchen Sie sich ein Unternehmen in der Umgebung, welches Sie interessiert und erhaschen sie möglichst viele, verschiedene Eindrücke. Ich rate Ihnen zu einem Praktikumstagebuch.", informierte er uns.

Ich wusste bis dato überhaupt nichts von einem Praktikum und war deshalb umso erfreuter, dass er direkt darauf hinwies und sogar entsprechende Hinweise gab. Vermutlich hätte ich das sonst aufgeschoben oder ganz übersehen.

„Zum Schluss lassen Sie sich die Praktikumsbestätigung und eine Bewertung Ihres Praktikumsgebers mitgeben und unterzeichnen. Diese Unterlagen befinden sich alle auf dem Uni-Server, in dem entsprechenden Kursordner dieses Moduls.", setzte er fort, während die ersten Studenten bereits ihre Sachen zusammen packten, um zu verschwinden. Die Doppelstunde war bereits seit vier Minuten vorbei, weshalb die meisten wohl in ihre zwanzigminütige Pause gehen wollten oder sich auf die Suche nach dem nächsten Kurszimmer machen mussten.

„Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, wir sehen uns nächste Woche.", verabschiedete sich der Dozent über die murmelnden Menschenstimmen hinweg.

Ich notierte noch die Stichworte „Praktikumsbestätigung", „Arbeitszeugnis" und „Uniwebsite", bevor auch ich ausatmete und den Stift beiseite legte.

Ich klappte meinen Block zusammen und verstaute ihn, samt meiner Stifte, in der Tasche.

Im Anschluss stand ich auf und reihte mich in den Menschenstrom ein, der drauf und dran war den Raum zu verlassen.
Indessen nutzte ich die Zeit meine Kopfhörer aus der Tasche zu kramen, um sie zu entfitzen.

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