29. „Mädchen, an deiner Stelle würde ich rennen."

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Wie auch immer Nate das gestern geschafft hatte, aber selbst Henry schien ihn zu lieben. Und das war wirklich ein Wunder, da sich Henry in letzter Zeit für die wenigsten Sachen interessierte.
Nach dem Kinofilm ist er sogar mit Nate in seinem Zimmer verschwunden, um sein dämliches Spiel zu zocken.

Nicht, dass mich das gestört hätte. Immerhin hatte ich so endlich mal etwas freie Zeit mit meinen Eltern und mir selbst. Ohne die permanente Nähe von Nate viel es mir gleich viel leichter meine eigenen Gedanken zu ordnen und zu kontrollieren, was sich ziemlich gut anfühlte. So hatte ich die Nacht gar nicht richtig mitbekommen wie Nate zurück in mein Zimmer geschlichen war und sich zum Schlafen auf seine Matratze gelegt hatte.

Möglicherweise war ich gestern zu voreilig gewesen, als ich Nate wegen seinem Ratschlag an meinen Bruder verurteilt hatte. Schließlich hatte es funktioniert. Den ganzen Abend hatte Henry das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen.

Eigentlich sollte ich erleichtert sein, dass Nate sich so gut mit meiner Familie verstand. Schließlich hatte ich ihn höchstpersönlich für die Feiertage eingeladen. Es wäre wesentlich unangenehmer, wenn meine Eltern ihn unsympathisch finden würden.

Wieso fuchste mich das dann so? Vielleicht, weil ich es wirklich nicht kommen gesehen hatte? Schließlich hatte ich selbst eine ganze Weile gebraucht, um Nate charakterlich irgendetwas Gutes abgewinnen zu können.

Obwohl... Stimmte das? Wieso hatte ich mich dann auf der Abschlussparty so schnell auf ihn eingelassen?

Frustriert atmete ich aus. Das war doch zum Haare raufen!

„Lou, Schätzchen?", holte mich die Stimme meiner Mutter aus meinen Gedanken.

„Mh?", ich richtete meinen Blick von meinem Rührei auf und blickte zu meiner Mom, die mich fragend ansah. Anscheinend war ich so sehr in meinen eigenen Gedanken gefangen gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass sie mit mir gesprochen hatte.

„Will Nate auch etwas frühstücken?", wiederholte meine Mutter ihre Frage mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

Ratlos zuckte ich mit den Schultern: „Ich weiß nicht. Vorhin hat er jedenfalls noch geschlafen."

Daraufhin lachte meine Mutter liebevoll: „Kein Wunder. Henry und er haben sich gestern so gut verstanden, dass sie die halbe Nacht irgendwelche Videospiele gespielt haben."

Sie schien das ebenso mitbekommen zu haben und froh darüber zu sein. Fraglich, ob sie das ebenso wäre, wenn sie wüsste was Nate für ein Frauenaufreißer sein konnte. Vermutlich hielt sie ihn für das perfekte Vorbild für Henry, zu dem mein kleiner Bruder in seiner pubertären Phase aufsehen konnte. Sowas hatte er bis dato nicht.

Klar, er konnte unsere Eltern überall zu Rate ziehen. Doch, ich selbst wusste, dass die Eltern in der Pubertät nicht unbedingt die ersten Anlaufstelle waren, wenn es um Themen wie Sex und Liebe ging. Vor allem nicht für Henry.

Auch wenn mir der Gedanke etwas widerstrebte, dass der Typ mit dem ich zwei Mal Sex hatte, meinem Bruder Tipps für sein Liebesleben gab.

„Vielleicht kannst du ihn ja trotzdem mal fragen gehen. Ansonsten räume ich den Tisch ab.", bat mich meine Mutter.

Vorsichtig nickte ich, ehe ich aufstand und die Treppe nach oben ging. Ich wollte ohnehin noch einmal mit Nate sprechen.

Als ich durch den Türspalt ins Zimmer lugte, war Nates Matratze bereits wie leergefegt.

Er war also wach? Aber wo war er?

Kurzentschlossen lief ich den Flur entlang, zum Bad. Ich klopfte flüchtig, ehe ich unbedacht die Tür öffnete. Nicht in der Erwartung, dass Nate oberkörperfrei vor dem Spiegel stand. Lediglich ein blaues Handtuch bedeckte ihn hüftabwärts.

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