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Christians Körper wurde von einem Zittern erfasst. Er glich einem Wrack, als ihm klar wurde, welche Entscheidung er treffen würde. Es war ihm eigentlich von Anfang an klar gewesen. Er konnte so einfach nicht mehr weitermachen. Auch wenn Robert ihm jetzt einen Kompromiss unterbreitet hatte. Aber er konnte nicht mehr. Wie kann man auch glücklich sein, wenn man es niemandem zeigen kann? Auf Dauer war es nicht möglich. Nicht für Christian. Aber es tat so unfassbar weh. Christian wollte es nicht realisieren. Das konnte doch nicht das Ende sein. Sie waren doch erst so kurz zusammen. Und ihre Gefühle waren so intensiv. Immerhin würde Christian sogar seinen Beruf, den er über alles liebte, für Robert aufgeben. Welch größeren Liebesbeweis gab es denn?

Doch gleichzeitig wusste er genau, dass er sich mit einem 'Weiter so' kaputt machen würde. Nicht, weil er nicht Zeit mit Robert verbringen wollte oder er ihm nicht gut tat. Im Gegenteil. Wann hatte er schonmal so geliebt? Nein, er würde sich psychisch kaputt machen. Und das konnte und wollte er sich nicht erlauben. Und mit jedem weiteren Gedanken spürte er einen erneuten Stich. Wie ein Messer, das sich mit jedem Atemzug tiefer in seinen Körper bohrte. Und als dann die Tür aufging, es war bestimmt eine Stunde vergangen, da fühlte es sich so an, als ob das Messer aus ihm heraus gezogen wurde. Und mit ihm all das Blut, was ihm am Leben erhielt. Es zerrann immer mehr. Christian wurde immer leerer. Er war am Ende.

Als Robert Christian dort so sah, da war ihm eigentlich ziemlich bewusst, wie er sich entschieden hatte. Doch er wollte es nicht glauben. Nicht realisieren. Er hoffte noch so sehr, dass er sich irrte. Dass es hier nicht vorbei war. Doch Christian wurde nicht ruhiger. Im Gegenteil. Und das ließ auch Robert nicht mehr kalt. Er saß ihm jetzt genauso gegenüber. Mit diesem Schmerz, der mit jeder Sekunde schlimmer wurde.

"Robert...", schluchzte Christian.
"Ich kann das nicht. Ich mache mich damit kaputt, wenn wir so weitermachen wie bisher. Ich kann das einfach nicht mehr."

Robert nickte mit schmerzverzerrtem Gesicht. Mit diesen Worten hatte er gerechnet. Doch sie zu hören, war ein unfassbar schlimmes Gefühl.

"Christian, ich verstehe dich. Aber ich kann es nicht. Ich kann es nicht verantworten, dass du dein Leben zerstörst und das nur wegen mir. Es tut mir so Leid, Christian. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr." Seine Stimme war so schwach, dass Christian sie kaum hören konnte. Doch jedes einzelne der Worte nahm ihm seinen Atem. Robert war doch das, was er zum Leben brauchte. Aber Robert wollte es so nicht. Und das musste er auch irgendwie respektieren. Auch wenn es ihm unfassbar schwer fiel.

"Also... Also war es das jetzt? Ist das das Ende?"

"Christian, ich will es nicht. Glaub mir, es ist das letzte, was ich wollte. Aber wir haben beide unsere Entscheidungen getroffen. Und mit diesen können wir nicht mehr zusammen sein. Es geht einfach nicht. Aber ich liebe dich. Und so schnell wird sich daran nichts ändern. Ich glaube wir hatten einfach ein unfassbar schlechtes Timing. Es war einfach der falsche Zeitpunkt. Vielleicht wird sich ja nochmal ein richtiger Zeitpunkt ergeben."

"Du hast Recht. Es war der falsche Zeitpunkt. Es war einfach viel zu viel, was in den letzten Wochen und Monaten passiert ist. Robert, bitte denk daran, dass ich es zu jedem Zeitpunkt mit dir genossen habe. Und ich bin dir dankbar für Alles, was du mir gegeben hast. Und ich werde dich lieben, jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde die ich dich sehe. Und auch wenn ich dich nicht sehe."

"Darf ich dich noch ein letztes Mal küssen?", fragte Robert unsicher.

Doch so vereinten sie ihre Lippen ein letztes Mal miteinander. Und spürten beide das Salz, was sich durch ihre Tränen, die beide nicht zurück halten konnten, auf ihrem Gesicht gebildet hatte. Beide prägten sich jeden Zentimeter ihrer Lippen ein. Dieses Gefühl, wenn sie sich so nahe waren. Diese Wärme, die sie trotz allem spürten. Doch irgendwann mussten sie sich trennen. Und dieses Mal war es wirklich unerträglich. Beide wollten es doch eigentlich nicht.

"Meinst du, irgendwann gibt es nochmal eine Chance für uns?", flüsterte Christian, als er mit seinem Daumen Roberts Tränen aus dem Gesicht wischte.

"Vielleicht wird der richtige Zeitpunkt kommen. Vielleicht."

Und damit löste sich Christian, so schwer es ihm auch fiel, von Robert. Und schloss langsam die Wohnungstür hinter sich. Das war es nun also. Der Abschied. Das Ende. Die Leere in ihm. Wie paralysiert verließ Christian das Haus und damit Robert. In diesem Moment zerbrach ein großer Teil in ihm. In seinem Herzen.

...

Nachdem sich Robert etwas beruhigt hatte, es waren zumindest keine Tränen mehr in ihm übrig, nahm er sich einen Stift und Papier. Er wusste nicht, wann Christian gegangen war. Wie viele Minuten, Stunden es jetzt her waren. Doch seitdem konnte er nicht mehr denken. All der Schmerz hatte seine Gedanken übernommen. Doch er musste sie loswerden. Er musste seine Gedanken und Gefühle loswerden. Deshalb wollte er schreiben. Denn so konnte er dies am besten. Er wollte Christian einen Brief schreiben. Auch wenn er diesen nie bekommen sollte. Doch Robert brauchte es. Er musste einen Abschluss finden. Auch wenn er diesen emotional sicherlich nicht so schnell finden würde. Denn er liebte Christian. Er liebte ihn so sehr.

"17. Dezember 2021, Berlin

Christian,
Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Und es tut so weh. Dich so leiden zu sehen und zu wissen, dass wir uns nie mehr so nahe sein werden. Dass ich dich nicht mehr küssen kann. Dass ich nicht mehr neben dir einschlafen und aufwachen kann. Dass es uns so nie mehr zusammen geben wird. Ich kann es nicht realisieren. Und ich will es auch nicht. Ich spüre noch immer das Gefühl deiner warmen Lippen auf meinen. Es war jedes Mal so unglaublich. Nie hätte ich mir das vorstellen können. Dass ich mit einem Mann solche Gefühle erleben kann. Mit dir, Christian Lindner. Ich habe jeden Moment, jeden noch so kleinen Augenblick mit dir so sehr genossen. Unser Wochenende in Dänemark werde ich niemals vergessen können. Es war einfach so besonders. Doch ich weiß auch, dass es uns nicht möglich war, eine Beziehung zu führen. Zumindest nicht so, wie du es dir vorgestellt hast. Und ja, am liebsten hätte ich auch der ganzen Welt gezeigt, wie sehr ich dich liebe. Und in mir ist immer noch ein Funken Hoffnung, dass es eines Tages soweit sein wird. Auch wenn ich wirklich hoffe, dass du jemanden finden wirst, der dir all das geben wird. Auch wenn es mir unfassbar schwer fällt, diese Vorstellung zuzulassen. Natürlich möchte ich niemanden anderes außer mir neben dir sehen. Aber ich wünsche mir, dass du glücklich wirst. Richtig glücklich. Mit allem was dazu gehört. Und ich weiß, dass ich dir das nicht geben konnte. Und das schmerzt mich so sehr. Es tut so weh, Christian. Jede Sekunde ohne dich tut weh. Denn jetzt ist es gewiss, dass noch so viele Sekunden auf mich zukommen werden. Ich weiß nicht, wie ich das überstehen soll. Wenn ich daran denke, wie oft wir uns sehen werden und ich jedes Mal an all das hier denken muss. Ich brauche einfach Zeit. Zeit, um alles zu verarbeiten. Die Trennung von Andrea und die von dir. Es ist vielleicht auch einfach zu viel und zu schnell passiert. Vielleicht habe ich Fehler gemacht und uns zu schnell in diese Beziehung gestürzt. Auch wenn ich es beileibe nicht bereue. Christian, ich hoffe, dass es das nicht war. Nicht endgültig. Dass es nicht für immer vorbei sein wird. Auch wenn es jetzt erstmal der Stand der Dinge ist. Ich vermisse dich jetzt schon. Und ich weiß nicht, wie ich es ohne dich überleben soll. Ich will es gar nicht wissen. Denn ich liebe dich. Und das wird sich nicht ändern. Du hast einfach einen so großen Platz in meinem Herzen eingenommen. Ich hoffe, dass irgendwann der Moment für uns kommen wird. Dass es einen richtigen Zeitpunkt geben wird. Auch wenn er es jetzt nicht ist.

Christian, ich liebe dich. Bitte lass uns die richtige Entscheidung getroffen haben, so falsch sie sich jetzt anfühlt. Ich werde niemals aufhören, an unsere gemeinsame Zeit zu denken. In uns lebt sie weiter. Genauso wie die Liebe.

Dein Robert

...

Das hier ist tatsächlich das vorläufige (!!) Ende der Geschichte. Mein Plan war es von Anfang an, dass es so endet, wie es jetzt ist. Aber jetzt tut es selbst mir so weh, dass es doch irgendwie weitergehen muss. Und ich habe tatsächlich auch einige Ideen und werde versuchen so schnell wie möglich weiter zu machen. Weil so kann es ja dann doch nicht wirklich enden, das haben die beiden nicht verdient :( Ich danke euch allen fürs Lesen, es hat bis hierhin unglaublichen Spaß gemacht zu schreiben und eure Reaktionen zu sehen. Ihr werdet es auf jeden Fall mitbekommen, wenn es hier weitergeht! Vielleicht gibt es ja doch noch ein Happy End...

Vielleicht habt ihr ja auch Wünsche oder Ideen, wie es weitergehen könnte? Ich bin auf jeden Fall offen für alle möglichen Ideen :)

Der ganze Lärm um uns Where stories live. Discover now