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Robert betrat den Raum hinter Claudia Roth, seiner Parteikollegin, die heute mit verhandeln würde. Eben hatten sie mit den Vertretern ihrer Partei noch einmal besprochen, wie sie heute vorgehen wollten. Bald würden sie sich tatsächlich schon im Endspurt der Verhandlungen befinden, doch bis dahin war noch einiges zu klären. Vor allem war die Besetzung der Ministerien noch ein wichtiges Thema. Bei dem Grünen Führungspersonal, also zwischen Baerbock und Habeck, war jedoch schon länger geklärt, dass zumindest Robert das Amt als Vizekanzler übernehmen würde. Auch wenn sie immer behaupteten, dass das noch nicht besprochen war.

In dem großen Raum befanden sich auch schon Christian und einige Andere, die die Eintreffenden begrüßten. Robert merkte, dass der Blick von Christian auch nach einiger Zeit noch auf ihm lag. Doch er ignorierte es. Warum die Situation auch noch unangenehmer machen, als sie eh schon war? Naja, er versuchte einfach seine Souveränität auszustrahlen, was sowieso eins seiner absoluten Markenzeichen war. Und das gelang ihm auch. Die Verhandlungen zogen sich mal wieder, aber Robert war trotzdem gut gelaunt. Er genoss es, konstruktiv mit den anderen zu diskutieren, zu streiten, zu verhandeln. Und dann auch mal vereinzelt Erfolge zu erzielen. In der Mittagspause zog er sich mal wieder mit seinen Parteikollegen zurück, um noch einige Dinge zu besprechen und mal kurz abzuschalten. Dabei hielt er sich vor allem an Michael Kellner und Anton Hofreiter, die beide mitverhandelten. Normalerweise hätte er sich sicher zu Annalena gesetzt, allerdings war ihr Verhältnis seit Beginn des Wahlkampfs nicht mehr das Beste. Für ihn war es zunächst einfach schwer zu akzeptieren, dass er nicht Kanzlerkandidat wurde. Immerhin hatte er da lange drauf spekuliert. Andererseits hat es ihm Annalena auch echt nicht einfach gemacht mit den Fehlern, die sie gemacht hatte. Abgesehen davon war ein Wahlkampf grundsätzlich sehr stressig. Deshalb war die Situation für sie beide nicht einfach. Wahrscheinlich sollte Robert bald mal das Gespräch mit ihr suchen. Immerhin war sie an der ganzen Sache nicht alleine Schuld.

Christian saß ebenfalls bei seinen Kollegen, war mit den Gedanken jedoch vollkommen woanders. Er dachte über den Streit mit Franca nach. Es nervte ihn, dass sie so misstrauisch ihm gegenüber war. So als ob er etwas Verbotenes getan hätte. Und das hatte er definitiv nicht. In der ganzen Zeit, seitdem sie zusammen waren, hatte er sich nie etwas zu Schulde kommen lassen. Deshalb konnte er sie einfach nicht verstehen. Und irgendwie wollte er es auch nicht verstehen. Er wollte genauso wütend sein, wie sie es war. Und er hatte momentan definitiv besseres zu tun, als mit ihr zu streiten. Immerhin musste er dafür sorgen, dass eine Regierung auf die Beine gestellt werden konnte. Und sie hatte keine Ahnung, wie sich diese Belastung anfühlte. Deshalb hatte er auch nicht vor, heute den ersten Schritt auf sie zu zu machen. Konnte sie machen, wenn sie wollte. Und wenn nicht, dann halt nicht. Irgendwie war er sogar froh, dass er mal eine Nacht alleine verbringen konnte. Er wusste nicht, wieso er das dachte. Immerhin war Franca seine Verlobte. Und er liebte sie. Natürlich tat er das. Und trotzdem war er froh, wenn er immer mal wieder Abstand von ihr hatte. Er seufzte auf. Volker neben ihm schaute ihn etwas verwirrt an, beließ es jedoch auch bei dem Blick. Irgendwann endete dann die Mittagspause und die nächsten Diskussionen begannen.

Relativ früh waren auch an diesem Tag die Verhandlungen beendet und Robert entschloss sich, auf Annalena zuzugehen. Es war ja auch nicht so, dass sie nicht mehr miteinander reden würden, aber es war doch anders. In den letzten Jahren waren sie ein wirklich eingespieltes Team, was es so jetzt jedoch nicht mehr gab. Also beschloss er, sie endlich darauf anzusprechen. Da sie sowieso noch neben ihm saß, war das also keine große Herausforderung.

"Annalena, hast du jetzt noch was geplant?"

"Puhh, nee. Also natürlich fahre ich noch nach Potsdam, aber ehrlich gesagt hatte ich das erst für später geplant. Also?", abwartend sah sie Robert an.

"Wenn das so ist, wollen wir zusammen noch etwas Essen gehen? Und dann mal in Ruhe reden?", erwartungsvoll schaute er sie an.

Etwas zwiespältig schaute sie ihn an. Ihr war klar, wieso er reden wollte. Und es war auch klar, dass sie das irgendwann sowieso tun mussten. Und trotzdem wusste sie nicht, ob jetzt der richtige Moment wäre. Ob sie dafür bereit war. Doch es war immer noch Robert, der ihr gegenüber saß. Mit ihm sie sich immer so gut verstanden hatte. Der ihr immer einen Rat geben konnte, egal ob es um Politik ging oder um jegliches andere Problem. Und trotzdem hatte sie bei der Sache ein schlechtes Gefühl.

"Ja, das können wir machen." Sie willigte etwas unsicher ein. Um ihr irgendwie diese Unsicherheit zu nehmen, lächelte Robert sie mit seinem typischen Lächeln an. Gemeinsam begaben sie sich also nach draußen, wo eine Horde Journalisten auf sie wartete. Sie mussten nur um die Ecke gehen, um ihre Ruhe zu haben. Von dort holte sie dann ein Fahrer ab, der sie in ein etwas abgelegenes Restaurant fuhr, in welchem sie sicher sein konnten, dass man diskret mit ihrer Erscheinung umgehen würde. Sie wurden an einen Tisch geführt, an dem sie unbeobachtet und vor allem ungehört miteinander reden konnten.

Derweil machte sich auch Christian auf den Weg, allerdings zu ihnen nach Hause. Franca war offensichtlich noch nicht da, als er die Wohnung betrat. Wahrscheinlich war sie Joggen, das machte sie abends regelmäßig. Wenn er Zeit hatte, dann kam er durchaus des Öfteren mit. Schaden tut es ihm auf jeden Fall nicht. Trotzdem war er etwas erleichtert, dass er noch etwas Zeit hatte, bis sie dann auch nach Hause kam. In der Zwischenzeit machte er sich schonmal etwas zu Essen und arbeitete noch einige Dinge ab, die in den letzten Tagen liegen geblieben sind. Irgendwann öffnete sich dann die Wohnungstür und Franca trat herein. Ohne ein Wort zu sagen verschwand sie im Badezimmer und war scheinbar duschen. Genervt verdrehte Christian die Augen. Konnte sie ruhig durchziehen wenn sie wollte. Er setzte sich auf ihr großes, dunkles Ecksofa, welches im großen Wohnzimmer stand. Eigentlich war sein Plan, ein Buch weiter zu lesen, wofür er in den letzten Tagen absolut keine Zeit hatte. Und er war der Ansicht, dass er sich zumindest etwas Zeit für sich nehmen sollte, bevor er mal wieder an Politik und all die wichtigen Sachen dachte. Nach einiger Zeit setzte sich Franca dann auch auf das Sofa. Christian schaute nur kurz auf, ignorierte sie dann jedoch. Franca betrachtete ihren Verlobten. Sie war immer noch sehr genervt von ihm. Und auch davon, dass er sie ignorierte und sie die Situation nicht klären. Immerhin war er Schuld an dieser. Und jetzt saß er da in seinem weißen Hemd, was ihm ihrer Meinung nach unfassbar gut stand, und würdigte sie keines Blickes. Irgendwann hielt sie die Stille nicht mehr aus.

"Man Christian, willst du das jetzt einfach aussitzen oder was ist dein Plan?"

"Wieso? Ich wüsste nicht, was ich noch zu sagen habe. Ich hab Alles gesagt."

"Willst du jetzt ernsthaft mir die Schuld an der ganzen Situation geben? Ich hab mir einfach Sorgen gemacht und erwarte, dass du dich wenigstens entschuldigst. Und jetzt sitzt du hier und bringst nichts über die Lippen."

"Dann erklär du mir doch, warum du mir nicht mal vertraust. Ich hab dir Alles erzählt. Es gibt nichts, was ich noch hinzufügen müsste und du machst weiter so ein Drama draus. Abgesehen davon war es auch mal ganz angenehm mal etwas Zeit ohne dich zu verbringen." Christian sprach seine Gedanken, die er heute morgen schon hatte, laut aus.

Schockiert schaute Franca ihn an.

"Ahh, es war also schön, Zeit ohne mich zu verbringen? Wenn das so ist, kannst du das gerne öfters haben. Dann kannst du jetzt erstmal die Wohnung für die nächsten Tage verlassen. Das wird dir dann bestimmt auch Spaß machen.", wütend stand Franca auf. Sie musste sich unter Kontrolle halten, damit ihre Stimme nicht anfing zu zittern.

"Wenn du das so willst, dann packe ich jetzt meine Sachen zusammen und dann bin ich erstmal weg."

Danke an Alle, die bis hierher gelesen haben. Und danke für jegliches Feedback, darüber freue ich mich wirklich sehr :)

Der ganze Lärm um uns Where stories live. Discover now