35

215 21 12
                                    

Robert war tatsächlich den Tag über sehr gut gelaunt. Wahrscheinlich lag es daran, dass er Christian die ganze Zeit sehen konnte und dass er an diesem Tag nicht allzu gefragt war. Es ging vor allem um Ministerien, die für die Grünen uninteressant waren. Deshalb war Robert nicht sonderlich angespannt. Zumindest nicht so, wie es sonst der Fall war.

In der Mittagspause bemerkte Robert, als er den Raum verließ, dass Christian alleine an seinem Platz saß. Nur hinten im Raum waren noch einige Angehörige der SPD. Die würden wahrscheinlich nicht allzu sehr auf Christian achten. Deshalb ging Robert auf den Innenhof des großen Gebäudes, auf dem er ebenfalls alleine war. Er holte sein Handy hervor und schrieb Christian eine Nachricht. Hoffentlich würde er sie lesen.

"Es fällt mir wirklich schwer, nicht mit dir sprechen zu können und nicht die ganze Zeit zu dir zu gucken... Wie wäre es, wenn du heute Abend, wenn es dunkel ist, zu mir kommst? Hab festgestellt, dass meine Nachbarn eh nicht da sind, von daher ist das Risiko nicht allzu hoch, dass du gesehen wirst."

Seine Nachbarn waren tatsächlich nicht da. Sie waren Rentner, die wohl gerne unterwegs waren. Das passte Robert dann doch ganz gut. Und er hoffte, dass Christian darauf eingehen würde. Auch wenn es natürlich trotzdem nicht ohne Risiko war. Aber schnell kam dann auch schon die Antwort von Christian.

"Ja, können wir gerne so machen. Ich sag dir dann einfach später nochmal Bescheid. Soll ich später Essen besorgen?"

Robert war froh, dass Christian zustimmte. Er antwortete dann auch noch schnell und freute sich auf den Abend. Freute sich darauf, Christian wieder nah sein zu können. Und er hoffte einfach, dass Alles funktionierte. Auch wenn er sicherlich ein schlechtes Gewissen hatte, denn die ganze Sache mit Andrea hatte er nach wie vor nicht geklärt. Aber das würde er tun. Und zwar sehr bald. Und warum dann nicht jede mögliche Minute mit Christian verbringen?

Christian hingegen saß noch alleine in dem großen Raum und trank seinen Kaffee, bis Marco sich wieder zu ihm setzte. Er war wohl draußen gewesen. Mit einem Fragezeichen im Gesicht schaute Christian ihn an.

"Du bist heute augenscheinlich gut gelaunt. Und das, obwohl du gestern die Trennung öffentlich gemacht hast?"

"Ja, das war ziemlich erleichternd, glaub mir. Jetzt muss ich zumindest nicht mehr darauf achten, dass ich diesbezüglich irgendwas falsches sage. Und ich fühle mich durchaus etwas befreit."

Das war natürlich eine gute Erklärung, die Marco ihm jedoch nicht vollends abnahm. Am liebsten würde er sich nochmal mit ihm über alles unterhalten. Oder zumindest in Erfahrung bringen, warum er die Trennung jetzt doch bekannt gegeben hatte. Aber gleichzeitig wollte er Christian auch nicht zu sehr bedrängen. Immerhin war er ein erwachsener Mann, der wohl seine eigenen Entscheidungen treffen konnte. Trotzdem war Marco sehr neugierig.

"Hast du nach den Gesprächen noch etwas Zeit? Wir könnten noch etwas Essen gehen. Volker hat eben auch schon gesagt, dass er dabei wäre."

Etwas Panik stieg in Christian auf. Was sollte er sagen? Immerhin traf er sich am Abend mit Robert. Und dieses Treffen würde er auch nicht aufgeben. So gerne er Marco und Volker auch mochte, aber auch für sie würde er es nicht aufgeben. Aber was hatte er denn für eine Ausrede? Was sollte er sagen? Hektisch überlegte er hin und her.

"Ja, das ist schwierig. Eigentlich war der Plan, dass ich mich heute Abend mit Christoph treffe. Wir haben uns echt lange nicht mehr gesehen. Dementsprechend würde ich ihn nur ungerne versetzen."

Ja, Christoph war nach wie vor sein bester Freund, den er aus ihrer gemeinsamen Schulzeit kannte. Er hatte ihm verziehen, dass er ihn bei seinem Outing nicht unterstützt hatte. Und mittlerweile war das auch Alles vergessen. Und jetzt war er ein guter Vorwand, sich nicht mit Volker und Marco treffen zu müssen. Wobei ihm dabei wirklich auffiel, dass er seinen besten Freund tatsächlich eine lange Zeit nicht gesehen hatte. Aber das war jetzt gerade Nebensache. Er wollte ja überzeugend rüber kommen.

Marco nickte ihm zu, auch wenn er ihm die Geschichte nicht ganz abnahm. Christian merkte es zwar nicht, aber Marco war klar, dass bestimmt nicht Christoph dahinter stand. Aber Christian würde schon seine Gründe haben, warum er es ihm nicht erzählen wollte. Und wenn es um Robert ging, dann war es auch ein Stück weit nachvollziehbar. Denn immerhin hatte er Christian selber geraten, dass sie vorsichtig sein sollten. Je weniger Menschen er also etwas erzählte, umso besser. Trotzdem fragte sich Marco, was da zwischen den beiden passiert war. Denn auch Habeck war außerordentlich gut gelaunt an diesem Tag.

Am Abend wartete Robert ungeduldig, dass Christian endlich kam. Es war schon relativ spät, was aber auch dafür sorgen sollte, dass Christian so unauffällig wie möglich in seine Wohnung gelangen konnte. Irgendwann klingelte es dann tatsächlich und ein Grinsen schlich sich auf Roberts Gesicht. Als er Christian dann sah, wie er in einer Hand eine Tüte mit Essen hielt und gleichzeitig seinen Schal halb vor seinem Gesicht hing, da spürte er wieder ein wohliges Gefühl in seinem ganzen Körper.

Robert ließ ihn rein und nahm ihm die Tüte ab. Als er dann jedoch die Tür schloss, da konnte sich Robert nicht mehr zurück halten. Er drückte Christian etwas gegen Wand und legte endlich seine Lippen auf die seines Gegenübers. Christian war zwar etwas überrascht, aber ihm gefiel es. Dass Robert auch endlich so aus sich heraus ging. Und jedes Mal wenn er seine Lippen auf seinen eigenen spürte, dann explodierten so viele Gefühle in Christian.

Nach einiger Zeit lösten sich die beiden und Robert zog Christian mit in die Küche. Dort packten sie das Essen aus und setzten sich an den großen Tisch. Sie mussten beide nicht viel reden, denn sie waren einfach froh, dass sie sich wieder so nah sein konnten. Und geredet hatten sie am Wochenende auch wirklich genug. Trotzdem unterbrach Robert irgendwann die Stille.

"Wie waren bisher so die Reaktionen auf eure Trennung? Ich hab heute nicht wirklich was mitbekommen."

"Ja, also bisher gab es nicht wirklich Spekulationen. Es wurde halt so hingenommen. Aber ich hab auch nicht wirklich darauf reagiert, schon gar nicht bei der Presse. Nur Marco ahnt halt etwas, immerhin wusste er, dass wir es eigentlich nicht öffentlich machen wollten. Und dann wollte er sich heute Abend auch noch mit Volker und mir treffen. Da hab ich dann ein Treffen mit meinem besten Freund vorheschoben. Aber wahrscheinlich ahnt er etwas."

Robert nickte. Damit mussten sie rechnen. Aber es war natürlich trotzdem etwas beunruhigend.

"Aber du vertraust Marco, oder? Kannst du dir vorstellen, dass er etwas verraten würde?"

Nein, da war sich Christian sicher.

"Nein, auf keinen Fall. Marco steht zumindest voll hinter mir. Außerdem würde es für uns alle nicht förderlich sein, würde es heraus kommen. Auch für Marco nicht. Aber nein, Marco ist wirklich ein guter Freund. Er würde definitiv nichts verraten. Auch wenn er natürlich nicht begeistert ist. Aber wenn wir jemandem vertrauen können, dann ihm. "

Christian schien wirklich überzeugt. Und das überzeugte auch Robert. Auch wenn er nach wie vor nicht wirklich begeistert war, dass Buschmann es wusste. Aber gut, dass ließ sich jetzt auch nicht mehr ändern.

Gemeinsam verlagerten sie ihren Aufenthaltsort auf das Sofa, auf dem sie jetzt schon des öfteren gemeinsam gesessen hatten. Aber dieses Mal war es anders. Sie konnten endlich ihre Zuneigung zeigen und es war egal, was sonst war. Zumindest in diesen Momenten. Beide waren zwar ziemlich müde, aber so konnte man den Abend ausklingen lassen. Christian hatte seine Augen geschlossen, weil er sich endlich entspannen konnte. Robert fuhr ihm währenddessen immer wieder durch seine Haare, was selbstverständlich auch dazu beitrug, dass er sich so gut fühlte. Und so genossen sie einfach ihre gemeinsame Zeit, die sie hatten. Denn beide konnten nicht wissen, wie häufig sie diese haben werden und ob es irgendwann vorbei wäre. Deshalb wollten sie jetzt ihre Möglichkeiten nutzen. Und es war auch ehrlich gesagt eine sehr gute Abwechslung zu den so anstrengenden Koalitionsverhandlungen.

Es geht weiter... Marco ist auch manchmal etwas aufdringlich, oder? Zum Glück kann Christian so gute Ausreden finden ;)

Der ganze Lärm um uns Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt