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Annalena wunderte sich nach wie vor, was mit Robert los war. Sie war gerade aus dem Auto ausgestiegen, was sowohl Robert als auch sie jeweils nach Hause gefahren hatte. Den ganzen Tag verhielt sich Robert schon sehr komisch, zumindest hatte sie den Eindruck. Und sie würde behaupten, dass sie ihn ganz gut kannte und einschätzen konnte. Immerhin hatten sie über Jahre hinweg eng zusammen gearbeitet. Und irgendwie war sein Verhalten sehr komisch. Es war untypisch, dass er während dieser wichtigen Verhandlungen so abwesend war. Und dann auch noch diese komische Begegnung mit Christian Lindner. So richtig traute Annalena der ganzen Sache nicht. Aber sie war nicht in der Situation, dass sie Robert darauf ansprechen sollte. Sie dachte, dass das die Situation zwischen ihnen beiden wieder verschlechtern würde. Denn wenn Robert irgendwelche Probleme hatte und drüber reden wollte, dann würde er auch so zu ihr kommen. Sie würde ihn nicht dazu drängen. Doch trotzdem wollte sie das Ganze im Auge behalten.

Statt sich weiter Gedanken über Robert zu machen, öffnete sie die Tür ihrer Wohnung und packte ein paar Dinge zusammen, um nach Potsdam zu ihrem Mann und ihren Kindern zu fahren. Das war doch jedes Mal das Schönste, wenn sie sie nach einem anstrengend Tag wieder sah.

Robert hingegen war auf dem Weg zu einem Studio des ZDFs, in dem er die nächsten Stunden verbringen sollte. Er war nach wie vor etwas genervt davon, dass er nicht mehr mit Christian reden konnte. Und dementsprechend unzufrieden war er auch mit seinem Auftritt an diesem Abend. Er war oft gereizt und angespannt. Dazu immer wieder diese bohrenden Fragen, auf die er nicht antworten konnte, aber trotzdem eine gute Antwort finden musste. Insgesamt lief es nicht wirklich nach Plan. Wahrscheinlich hatte er sich mit diesem Auftritt keinen Gefallen getan und er sah schon die Schlagzeilen vor sich, wie dünnhäutig er für seine Verhältnisse an diesem Abend war. Genervt fuhr er dann also Richtung seiner Wohnung. Zum Glück gab es noch vor der Talkshow Catering, sodass es nach wie vor nicht ganz so schlimm war, dass er nicht einkaufen konnte. Er hatte also noch überleben können.

Irgendwann fiel ihm auf, dass sein Handy noch im Flugmodus war und er ja eigentlich auf eine Nachricht von Christian wartete. Und tatsächlich leuchtete sein Handy sofort auf, als er es einschaltete. Christian hatte ihm geschrieben.

"Robert, ich denke, dass du mir eigentlich relativ deutlich gemacht hast, wie die Situation aussieht. Außerdem ist es unfassbar riskant, egal wo man uns sehen würde, sollte das passieren. Und ich dachte auch, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst? Also ich weiß nicht, wie klug und sinnvoll das wäre."

Laut seufzte Robert auf. Christian war sichtlich genervt und es war auch irgendwie sein gutes Recht. Er hatte mit der Nachricht vor ein paar Tagen echt Mist gebaut. Es war im Nachhinein betrachtet wirklich unglücklich formuliert. Auch wenn der Inhalt nach wie vor das war, von dem Robert überzeugt war. Trotzdem ließ Christian ihn immer schlechter fühlen. Und diese offensichtliche Abfuhr verletzte ihn auch irgendwie.
Deshalb antwortete er ihm und versuchte, die Situation etwas zu retten.

"Zugegebenermaßen war die Nachricht vor ein paar Tagen sehr unglücklich formuliert, das tut mir wirklich Leid. Wahrscheinlich war ich in dem Moment etwas zu emotional. Wie gesagt, ich würde das Ganze gerne nochmal persönlich klären und erklären und nicht so blöd, wie ich es geschrieben habe, stehenlassen."

Er hoffte, dass Christian einlenken würde, auch wenn er ihm nicht böse sein könnte, würde er es nicht tun. Immerhin war es Robert, der die Situation nur noch schlimmer gemacht hatte. Nicht, dass die Situation nicht sowieso schon verzwickt genug war. Robert konnte es immer noch nicht verstehen. Warum ihm so viel daran lag, mit Christian zu reden. Dafür zu sorgen, dass er nicht mehr so genervt, wütend, oder was auch immer das für ein Zustand ist, war. Es fühlte sich schlecht an, wenn Christian so abweisend war. Privat so abweisend.

Um sich die Zeit ein wenig zu vertreiben, während er auf Christians Antwort wartete, setzte er sich an sein Tablet und bereitete sich so gut es ging auf den morgigen Tag vor. Irgendwann war er jedoch vollkommen woanders gelandet und las Artikel über Spekulationen zu Christian und Franca. Da merkte Robert nur, wie schnell so etwas heraus kommen konnte. Was wäre nur, wenn das bei ihnen beiden passieren würde. Es durfte einfach niemals passieren. Niemals durfte nur irgendjemand von ihren Küssen erfahren. Niemand durfte erfahren, wie gut sich Christians Lippen auf seinen angefühlt hatten und was diese Berührungen in ihm in diesem Moment ausgelöst hatten. Das bekräftigte ihn nur darin, dass sie sich nicht mehr privat treffen sollten. Außer, um diese Angelegenheit endlich zu klären. Dafür sollten sie eine Ausnahme machen. Auch wenn das nicht sonderlich konsequent war.

Da Robert immer noch ziemlich angespannt war, nahm er sich eine Flasche Wein und schüttete sich etwas in ein Glas. Alkohol war immer eine Lösung. Naja. Es war zumindest eine Ablenkung.

Christian saß vor seinem Handy und wusste nicht, was er tun sollte. Er war genervt und verletzt von Robert. Erst machte er ihm so unmissverständlich klar, dass er nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Dann diese komische Situation nach der Sitzung, in der er dann einfach Baerbock hinterher gelaufen war, ohne die Situation zu klären. Und jetzt diese Beharrlichkeit, mit der er versuchte ihn zu überzeugen, dass sie sich wieder treffen sollten. Beziehungsweise, dass sie sich aussprechen sollten. Doch Christian fragte sich, was es noch zu sagen gab. Robert hatte ihm eindeutig klar gemacht, dass er keine Zukunft, wie auch immer die hätte aussehen sollen, für sie beide sah. Und dass sie sich nichtmal privat treffen sollten. Was war daran nicht klar? Außerdem würde es Christian weh tun, wieder direkt mit Robert konfrontiert zu sein. Nach der Sitzung so direkt von ihm angesprochen zu werden, war ein sehr komisches Gefühl. Es hatte ihn an die Trennung von Franca erinnert, an diese intimen Momente mit Robert, an all seine Gefühle, die wieder hoch gekommen sind.

Mit welcher Berechtigung konnte Robert dann von ihm verlangen, dass er sich wieder in diese Konfrontation begeben musste? Immerhin war er Schuld an der Situation. Dann müsste er doch eigentlich Rücksicht auf ihn nehmen. Außerdem war Robert doch bei weitem nicht in so einer schwierigen Situation wie er, er hatte sich immerhin nicht gerade von seiner Frau getrennt. Vielleicht war Christians Denken aber auch etwas naiv. Vielleicht war es aber auch durch seine Vergangenheit begründet.

!! TW Homophobie !!

Mit versteinerter Mine schauten Jakob und Christoph ihren besten Freund Christian an. Dieser saß wie ein Häufchen Elend vor ihnen. So eben hatte er ihnen von seinen Gefühlen gebeichtet. Seinen Gefühlen für Jan, der Neue im Jahrgang. Er hatte gehofft, dass seine besten Freunde ihn unterstützen konnten. Ihm helfen konnten, sich selbst zu verstehen. Doch stattdessen fing Jakob laut an zu lachen.

"Das ist nicht dein Ernst, Christian. Was ist falsch mit dir? Hätte ich ehrlich nicht gedacht, dass du so Einer sein würdest."

Ein verachtender Blick lag auf Christian. Und er war so sehr verletzt. Diese Worte hatten ihn hart getroffen. Er hatte sich Verständnis erhofft. Und stieß doch auf Verachtung. Christoph schaute zwischen beiden hin und her und eigentlich merkte Christian, dass er ihm beistehen wollte. Doch er sagte nichts. Er setzte sich nicht durch. Er unterstützte ihn nicht. Enttäuscht sprang Christian auf und lief so schnell er konnte zu sich nach Hause. Auf dem Weg liefen ihm Tränen übers Gesicht. Was war falsch mit ihm? Warum hatte er sich so angreifbar gemacht? Nie mehr würde er das tun, das schwor er sich. Und nie mehr wollte er so eine Konfrontation erleben.

Nie mehr wollte Christian so eine Konfrontation erleben. Auch nicht mit Robert Habeck. Er konnte nicht leugnen, dass es ihn nach wie vor schmerzte. Dass er verletzlich war. Und dass er Angst hatte, dass Robert ihn verletzen würde, so wie es geschehen ist, als er ein Teenager war. Aber gleichzeitig war er überzeugt, dass Robert anders war. Sonst würde er nicht nochmal mit ihm reden wollen. Aber was, wenn die Konfrontation mit Robert wieder Wunden aufreißen würde? Wenn es Alles wieder schlimmer machte?

Der ganze Lärm um uns Where stories live. Discover now