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"Man, pass doch auf.", murmelte Christian genervt, als Robert ihn versehentlich anrempelte, weil Christian einem Journalisten ausweichen musste. Die Vertreter der Grünen und FDP begaben sich heute gemeinsam in das Gebäude, wurden jedoch wie jeden Tag erstmal von Journalisten belagert. Verwundert über die Aussage Lindners ging Robert dann auch weiter. War wohl jemand nicht so gut gelaunt. Naja, nahm er jetzt nicht sonderlich persönlich. Nur sollte er vielleicht aufpassen, was er in der Anwesenheit der Journalisten sagte. Die waren immerhin darauf aus, aus Allem eine Story zu machen. Und in den Medien betrachtete man das Verhältnis der beiden Parteichefs eh schon kritisch, da sie beide angeblich große Ansprüche in der Koalition hätten. Was so ja auch nicht von der Hand zu weisen war. Es würde noch höchst interessant werden, wenn endlich die Personalfragen auf den Tisch kamen. Von daher wunderte sich Robert wirklich über die Bemerkung seines Kollegen. Jedoch blieb ihm nicht viel Zeit, um noch weiter darüber nachzudenken. Immerhin mussten sie anbetracht der Lage weiter verhandeln. In ihrer Pause begab sich Robert dann erstmal zu den großen Toiletten, um mal kurz seine Ruhe zu haben. Das war in all den anderen ihnen zur Verfügung stehenden Räumen eher weniger möglich. Als er jedoch die Tür öffnete erblickte er mal wieder Christian Lindner. Sie begegneten sich auffällig oft in den letzten Tagen stellte Robert fest. Vielleicht achtete er aber auch einfach mehr darauf. Lindner stand vor dem Spiegel und schien ihn noch nicht bemerkt zu haben. Er schien eher mit sich selber beschäftigt zu sein bzw mit seinem Handy, was er in der Hand hielt. Leicht räusperte sich Robert.

"Du auch hier, hat man nichtmal auf der Toilette seine Ruhe.", äußerte Robert sarkastisch.

Christian schaute verwundert auf und war offensichtlich nicht angetan von der Bemerkung.

"Ich hab ja wohl jedes Recht hier zu sein. Oder etwa nicht?", funkelte er Robert wütend an.

Verwundert über diese, nunja, aggressive Antwort, überlegte er, was Christian so sauer aufstieß. Immerhin war er den ganzen Tag schon ein wenig gereizt, wenn er daran dachte, wie er ihn heute morgen angegangen ist.

"Was ist bei dir denn passiert, dass du direkt so aus der Haut fährst? Das war sarkastisch gemeint. Halt dich von mir aus auf, wo du willst."

Laut seufzte Christian auf und fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht. Ja, er war wirklich nicht gut gelaunt. Der Streit mit Franca ging ihm doch näher, als er zunächst wahr haben wollte. Und das ließ er jetzt wohl an anderen aus. Nicht gerade professionell, das war ihm schon klar.

"Tut mir Leid, nicht mein bester Tag heute. Streit mit meiner Verlobten und musste dann auch noch aus der Wohnung raus. Sehr anstrengend Alles." Er hatte keine Ahnung, warum er das Robert erzählte. Aber irgendwie hatte er kein Problem damit mit ihm zu reden.

"Oh, das hört sich nicht so optimal an. Und jetzt lebst du im Hotel?"

Christian nickte und grinste etwas. Mal wieder sehr absurd die Situation. Sie standen beide nebeneinander vor den großen Spiegeln und beide wussten nicht so recht, wie sie miteinander und dieser Situation umgehen sollten.

"Na das ist wahrscheinlich angenehmer als mein Sofa.", antwortete Robert, damit sich die Stille nicht noch weiter ausbreitete.
Lindner lachte und schaute etwas peinlich berührt nach vorne. Beide konnten sich allerdings nicht von dem Anblick des jeweils anderen lösen. Robert wartete ehrlich gesagt ab, was passierte. Ob Christian noch reagieren würde. Und dieser wusste sowieso nicht, was bei ihm gerade passierte. Immerhin stand er hier mit einem Kollegen von einer anderen Partei in den Toiletten und eigentlich unterhielten sie sich nur. Und trotzdem war er voll und ganz verwirrt. Er wusste nicht, was hier passierte. Robert ging noch einen Schritt auf seinen Gegenüber zu. Sie trennte nicht mehr viel. Und Christian schreckte nicht zurück. Sie schauten sich in die Augen und Robert konnte erkennen, wie viele Emotionen der FDP Chef in sich trug. Und er fühlte, dass er es nicht besser machte. Robert biss sich leicht auf seine Unterlippe, was Christian dazu brachte, dass er auf diese starrte. In dem Raum war es plötzlich ziemlich heiß. Und Robert hatte wirklich schöne Lippen. Das viel ihm jetzt besonders auf. Christian hielt es nicht mehr aus und überbrückte die trennenden Zentimeter zwischen ihnen. Roberts warme Lippen bewegten sich sanft auf seinen eigenen und es fühlte sich absolut gut an. Und auch Robert dachte nicht daran sich von Christian zu trennen. Beide waren vollkommen vertieft in diesen Kuss. Der eigentlich niemals stattfinden dürfte. Sie trennten sich erst, als sie beide kaum noch Luft mehr bekamen.

Verwirrt schaute Christian Robert an. Er wusste, dass das falsch war. Sie hätten das niemals tun dürfen. Robert versuchte gefasst zu wirken, auch wenn er es definitiv nicht war. Es hatte sich gut angefühlt. Und das wollte er nicht wahr haben. Sie standen sich beide noch gegenüber, als Robert das Wort ergreifen wollte. Doch bevor es soweit kam, drehte sich Christian um, öffnete die Tür und ging schnellen Schrittes weg. Verzweifelt seufzte Robert auf. Das war dumm. Sehr, sehr dumm. Oh man, warum hat er nur so unüberlegt gehandelt? Das war doch sonst nicht seine Art. Nachdem er sich wieder halbwegs gefasst hatte, machte er sich auf den Weg zu seinen Kollegen. Als sie dann wieder in den Verhandlungen saßen versuchte er so selbstsicher wie immer zu wirken. Er würde behaupten, dass ihm das ganz gut gelang. Christian jedoch, den er immer wieder beobachtete, war vollkommen abwesend und überließ das Feld auffällig oft seinen Parteikollegen. Und als sie für diesen Tag fertig waren verließ er fluchtartig das Gebäude, sodass Robert keine Chance hatte, mit ihm zu reden. Deshalb fuhr auch er einfach zu sich nach Hause, um seine Gedanken und Emotionen sortieren zu können.

Dort angekommen setzte er sich an seinen Tisch und versuchte seine Gedanken irgendwie zu sortieren. Ihm gefiel es absolut nicht, dass er das Gefühl hatte, Kontrolle über sich und sein Leben zu verlieren. Er war gerne selbstbestimmt. Und deshalb überlegte er nun, wie er die ganze Situation angehen sollte. Er sollte sich vor allem unbedingt darüber klar werden, warum das heute passieren konnte. Mit Christian. Und dann sollte er sich darüber klar werden, was und vor allem wie er es seiner Frau erklären sollte. Und er musste das mit Christian klären. Es half nicht, einfach wegzulaufen. Sie würden unbedingt miteinander reden müssen. Und das am besten bald schon. Robert entschied heute nicht mehr bei seiner Frau anzurufen, er wusste nicht, was er hätte sagen sollen.

Christian sackte im Hotel auf sein Bett. Die ganze Zeit schon spielten seine Gedanken verrückt. Er wusste, dass es absolut falsch war, was er getan hatte. Er hatte immerhin Franca betrogen. Mit einem Mann. Mit einem Kollegen, um genau zu sein. Und er verstand es einfach nicht, warum es sich so richtig angefühlt hatte mit Robert. Immerhin kannten sie sich kaum, zumindest auf privater Ebene. Sie hatten nur einen einzigen Abend mehr oder weniger freundschaftlich zusammen gesessen und trotzdem war es ihm absolut nicht gleichgültig. Robert war ihm nicht gleichgültig. Mit versteinerter Miene schaute er aus dem Fenster. Er hatte einen perfekten Blick auf das mit Lichtern erleuchtete Berlin. Alles schien normal zu laufen außerhalb der Fensterscheiben. Doch in ihnen, in Christian, lief gar nichts normal. Am liebsten würde er nicht mehr darüber nachdenken, wie gut sich Roberts Lippen angefühlt hatten und wie sehr es ihm gefallen hat, doch spätestens am nächsten Morgen konnte er das Alles nicht mehr verdrängen. Denn spätestens dann traf er wieder auf Habeck.

So langsam wird es Ernst ;) Danke fürs Lesen und jegliches Feedback.

Der ganze Lärm um uns Where stories live. Discover now