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Robert legte seine Hände auf die Hüfte seines Gegenübers und legte dann endlich die Lippen auf Christians. Endlich hatten sie es ausgesprochen. Diese drei Worte. Auch wenn Robert vor einigen Stunden nichtmal darüber nachgedacht hatte, ob man das wirklich schon als Liebe bezeichnen konnte. Doch nachdem was Christian gesagt hatte, war es ihm so klar geworden. Und Christian ging es offenbar ähnlich. Und beide spürten in ihrem innigen Kuss, der so unfassbar sanft war, die Liebe, die sie sich eingestanden hatten. Eigentlich hatten beide gedacht, dass man nach solch kurzer Zeit nicht lieben kann. Denn immerhin war es ein so starkes Gefühl, dass alles andere in den Schatten stellte. Und normalerweise dauerte es immer, bis sich dieses entwickelte. Doch irgendwie war es bei Robert und Christian anders. Ihre Situation war sowieso grundlegend anders, als bei einer herkömmlichen Beziehung. Wobei, war es denn jetzt eine Beziehung zwischen ihnen?

Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten sich die beiden wieder. Und ließen den Moment einfach im Raum stehen. Robert nahm Christians Hand und sie setzten sich einfach nah aneinander auf das Sofa. Diese Zweisamkeit war genau das, was beide gerade brauchten. Und so saßen sie dann auch eine ganze Zeit lang so da. Bis Christian die angenehme Stille irgendwann durchbrach.

"Robert, was ist das jetzt zwischen uns? Sind wir zusammen?", fragte Christian unsicher. Er wollte es endlich wissen. Sie mussten das so langsam einfach klären. Robert hingegen lächelte ihn einfach an.

"Nachdem was wir eben gesagt haben, gibt es wohl gar keine andere Möglichkeit, als es als Beziehung zu bezeichnen. Also ja, ich denke wir sind zusammen."

Beruhigt schaute Christian zu ihm. Das gab ihm eine gewisse Sicherheit. Und er war froh, dass sie auch das endlich ausgesprochen hatten. So schwierig ihre Situation auch war. Irgendwie gingen sie ihren Weg. Und das taten sie gemeinsam.

"Denkst du es ist in Ordnung und kein allzu großes Risiko, wenn ich zumindest meiner Mutter davon erzähle? Ich will sie nicht weiter anlügen und sie ahnt eh schon, dass irgendwas im Busch ist. Abgesehen davon muss ich mich so langsam echt mal vor ihr outen. Und ich denke nicht, dass sie irgendetwas erzählen würde."

Christian klang schon wieder so unsicher. So zeigte er sich so selten. Aber vor Robert war es mittlerweile kein Problem mehr für ihn. Solange Christian in der Öffentlichkeit nicht so wirkte, war alles in Ordnung.

"Ja natürlich. Also davon kann ich dich nun wirklich nicht von abhalten. Aber wirklich, du hast dich vor ihr noch nicht geoutet? Meintest du nicht, dass du dir selber schon lange dessen bewusst bist?"

"Ja, das stimmt schon. Aber ich hatte ja bisher immer nur Beziehungen mit Frauen, alles andere hatte sich nicht ergeben. Deshalb bin ich dem ganzen Thema immer aus dem Weg gegangen und hab mich auch nicht erklärt. Aber ich kann mir vorstellen, dass meine Mutter eh schon etwas ahnt. Blöd ist sie ja auch nicht. Aber das wird auf jeden Fall schwierig werden. Es wäre gelogen, würde ich sagen, dass ich nicht etwas Angst hätte vor dieser Konfrontation. Aber so langsam muss ich da wohl durch."

Robert nickte nur und ihm tat es Leid, dass Christian offensichtlich so unsicher war. Aber er verstand es natürlich. Es war einfach nicht leicht. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was er selber in seiner Familie sagen werden müsste. Und natürlich seinen Söhnen gegenüber. Aber darüber dachte er besser nicht nach.

"Wann willst du denn mal in deine Heimat fahren? Die letzte Zeit hattest du ja wahrscheinlich nicht wirklich Zeit."

"Ja genau, am besten so schnell wie möglich. Eigentlich war der Plan, dass ich an dem Wochenende fahren wollte, an dem wir dann in Dänemark waren. Das hat dann ja schonmal nicht geklappt. Vielleicht klappt es ja übermorgen, da ist die Vorstellung des Koalitionsvertrags durch und ich habe erstmal keine wichtigen Termine, die sich nicht verschieben lassen würden. Und ich könnte eventuell noch Termine in meinem Wahlkreis wahrnehmen. Ja, das ist gar keine schlechte Idee. ", überlegte Christian laut. Das sollte eigentlich so funktionieren, dachte er sich.

"Das hört sich doch nach einem guten Plan an. Halte mich auf jeden Fall auf dem Laufenden. Ich muss dann wohl auch mal mit Andrea sprechen, wie und wann wir alles weitere klären. Aber gut, darüber müssen wir jetzt nicht nachdenken."

Stattdessen legte Robert lieber seinen Kopf auf Christians Schulter und lehnte sich an ihn. Diese Nähe war an diesem Abend wirklich das Richtige. Nicht mehr und nicht weniger. Und immer wieder hallten in Roberts Ohren die Worte Christians nach. Dass auch er ihn liebte. Wie glücklich konnte er ihn mit diesen Worten nur machen. Auch wenn Robert klar war, dass trotzdem seine Zweifel da waren. Aber es war jetzt anders. Und er fühlte sich um Welten besser. Doch ein Problem gab es an diesem Abend noch.

"Christian, hast du eigentlich deine Rede für morgen schon fertig geschrieben?"

"Nee, du etwa? Bin ja direkt hierher."

"Nein, ich auch noch nicht.", seufzte Robert laut auf. "Du weißt, was das heißt, oder?"

Christian stöhnte ebenfalls genervt auf. Ja, er konnte es sich denken. Sie mussten sich beide noch eine Rede überlegen und dafür sollten sie nicht nebeneinander sitzen. Da wären sie nämlich viel zu abgelenkt. Und für beide war klar, dass sie definitiv eine gute Rede schreiben wollten. Also war es eigentlich klar, dass Christian sich wieder auf den Weg machen musste.

"Ja, ich denke es wäre dann besser, wenn ich wohl gleich wieder fahre. Auch wenn ich wirklich lieber bei dir bliebe. Und hier schlafen würde. Aber das morgen müssen wir einfach nochmal professionell über die Bühne bringen."

Robert stimmte ihm zu und dann mussten sie sich tatsächlich wieder voneinander verabschieden. Heute fiel es ihnen besonders schwer und so dauerte es auch eine Weile, bis Christian sich von Robert löste und in sein Auto verschwand. Dort musste er sich dann auch erst wieder einen kurzen Moment fangen, bevor er überhaupt in der Lage war, zu fahren. Und dann gab er sich einen Ruck und machte sich auf den Weg ins Hotel.

Robert hingegen brütete schon vor ein paar Blättern, auf denen er sich in der Kürze der Zeit Notizen gemacht hatte. Aber er war bei weitem nicht in dem Fluss, den er von sich kannte. Wenn er etwas konnte, dann war es eigentlich mit Wörtern umzugehen. Sie so zu verwenden, dass er authentisch rüber kam. Aber jetzt fiel ihm das sehr schwer. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass seine Gedanken immer wieder zu Christian wanderten. Zu dem, was er ihm gesagt hatte. Und zu der ganzen Situation, in der sie sich befanden. Robert war einfach glücklich, wenn der morgige Tag überstanden war. Denn dann mussten sie nicht mehr am Koalitionsvertrag arbeiten und das bedeutete, dass es eventuell etwas weniger Stress würde. Und Druck. Aber jetzt musste er diese Rede irgendwie schreiben. Eigentlich mochte er sowas nicht wirklich. Er sprach lieber frei und ohne vorher überlegte, aufgeschriebene Worte. Aber das wäre wohl nicht schlau in dieser Situation. Jedes Wort, was er sagte, musste gut überlegt sein.

Christian hingegen tat sich deutlich leichter. Er war so euphorisch, dass ihm das Schreiben wie von der Hand ging. Abgesehen davon hatten sie in ihrem Team eh schon einen groben Entwurf für den Inhalt der Rede erstellt. Denn Christian war am morgigen Tag der einzige, der für die FDP reden würde. Deshalb hatten sie das als hilfreich und sinnvoll erachtet. Dementsprechend früh war Christian dann auch fertig und schrieb, bevor er dann schlafen ging, noch schnell Robert eine Nachricht.

"Wie läuft es bei dir? Ich bin zum Glück durch und werde dann auch gleich schlafen gehen."

Schnell kam eine Antwort von Robert. Er ließ sich wirklich zu sehr ablenken.

"Oh man, ich beneide dich etwas. Ich zerbreche mir noch ziemlich den Kopf und werde wahrscheinlich noch etwas länger hier dran sitzen. Aber dann schlaf du wenigstens gut. Wir sehen uns morgen früh, ich freue mich..."

Ja, jetzt konnte Christian tatsächlich gut einschlafen. Und er freute sich tatsächlich etwas auf den kommenden Tag.

Der ganze Lärm um uns Where stories live. Discover now