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"Danke Andrea. Danke für dein Verständnis. Es tut mir so unfassbar Leid, dass alles so gekommen ist. Ich wollte dir das niemals antun, das kannst du mir glauben. Ich weiß auch nicht, wie sich alles so schnell bei mir ändern konnte. Ich verstehe mich zum Teil selber nicht. Aber ich denke es war richtig, ihnen die ganze Sache zu erzählen. Und ich hoffe, dass wir nicht daran zerbrechen. Dass ich nicht daran Schuld bin, dass unsere Familie kaputt geht. Das könnte ich mir nie verzeihen. Ich werde alles dafür tun, dass das nicht passiert. Auch wenn es wahrscheinlich nicht einfacher wird in nächster Zeit. Ich werde wohl kaum freie Zeit haben, um die Jungs mal zu sehen. Ich hoffe trotzdem einfach, dass wir das schaffen werden."

Andrea nickte ihm zu und ließ ihn dann nach einigen Minuten wieder alleine. Robert wollte noch am heutigen Tag wieder zurück nach Berlin fahren. Aber jetzt wollte er sich noch bei Christian melden. Das war er auch ihm schuldig. Robert merkte es kaum, aber Tränen bahnten sich immer noch über sein Gesicht. Und das merkte auch sofort Christian, als er Roberts brüchige Stimme hörte.

"Robert, ist alles gut? Wo bist du?"

"Ja, es ist soweit in Ordnung. Ich musste nur kurz raus und sitze jetzt hier am Strand. Ich hoffe der Ton ist ganz in Ordnung, es ist ziemlich windig. Aber ja, ich habe es geschafft. Ich glaube, es war richtig, dass wir das so gemacht haben. Dass wir es ihnen erzählt haben. Aber es war unheimlich schwer und ich konnte in ihren Gesichtern genau erkennen, wie enttäuscht sie waren. Und das tut unheimlich weh. Aber auch Andrea ist überzeugt, dass wir alle gemeinsam das schaffen werden."

"Oh man, ich bin auch wirklich erleichtert Robert. Und ich bin unheimlich stolz auf dich, dass du das durchgezogen hast. Wirklich, es muss unheimlich schwer gewesen sein und du hast es trotzdem gemacht. Darf ich fragen, wie sie reagiert haben, als du gesagt hast, dass es ja... irgendwie um mich geht?"

"Natürlich. Sie waren natürlich absolut verwundert und haben sich gefragt, wie das überhaupt vereinbar sei. Politisch, aber auch in unserem Alltag und ganz grundsätzlich.
Und sie verstehen es nicht, wie man mit jemanden aus der FDP zusammen sein kann.", Robert musste leicht lachen bei dem Gedanken. Da hatten wohl seine Grünen Überzeugungen auch bei seinen Kindern gewirkt.
"Aber es war nicht so, dass sie es vollkommen abgelehnt hätten. Ich glaube sie brauchen etwas Zeit, dann werden sie auch das akzeptiert haben. Ich hoffe es einfach mal. Aber es schien mir nicht das Problem zu sein, dass ich irgendwie wohl auch auf Männer stehe. Und dass du derjenige bist. Ich glaube das Problem ist eher ganz grundsätzlich die Trennung. Aber wie gesagt, Andrea ist der Überzeugung, dass wir das alle gemeinsam schaffen werden. Sie hat mir eben nochmal gut zugeredet. Und sie hat es so langsam akzeptiert, auch wenn es unfassbar schwer ist, dass du jetzt auch Teil dieser gemeinsamen Lösung sein wirst."

"Wow, das ist wirklich beruhigend. Danke Robert, dass du das heute gemacht hast. Dass du das für uns gemacht hast. Und ich kann mich da nur anschließen, wir werden sicherlich eine gemeinsame Lösung finden. Einen gemeinsamen Weg. Es gibt eine Zukunft für uns."

"Ja, die gibt es. Und es ist hoffentlich eine Zukunft, in der es weiterhin meine Familie geben wird."

Robert musste schlucken bei diesem Gedanken. Er hatte solche Angst gehabt, dass dieser Tag alles hätte verändern können. Sein ganzes Leben. Und das seiner Familie. Doch jetzt schien es tatsächlich so, als ob es nicht so kommen würde. Auch wenn es natürlich noch nicht sicher war. Seine Söhne bräuchten jetzt Zeit. Und erst dann könnten sie tatsächlich sagen, wie sehr dieser Einschnitt nun war. Aber momentan fühlte es sich so an, als ob es einen Weg gäbe. Und dass Andrea ihn darin bestärkt hatte, ließ ihn auch etwas sicherer in diesem Gedanken werden.

Und sicherer ließ ihn auch die Verabschiedung von seinen Söhnen werden. Robert musste noch am Nachmittag wieder zurück nach Berlin fahren. Er hatte am nächsten Tag einen wichtigen Termin, deshalb ging es nicht anders. Also musste er Andrea und die vier Jungs wieder alleine im hohen Norden zurück lassen. Und als er sich verabschiedete, da spürte er von keinem seiner Söhne Missbilligung, es war zwar immer noch eine gewisse Enttäuschung da. Aber sie verhielten sich alle wirklich fair und Robert war froh, dass er mit einem halbwegs gutem Gefühl wieder nach Berlin fahren konnte. Auch wenn es ihm schwer fiel, denn er wusste, dass es sicherlich wieder dauern würde, bis er seine Kinder wiedersah. Sein neues Amt als Minister machte ihm da einen Strich durch die Rechnung. Und er merkte wirklich, dass er seine Söhne vermisste. Und ihr gemeinsames Familienleben auch irgendwie. Aber die Aussicht auf Christian zu treffen, machte es dann doch deutlich besser. Er hatte schon am Morgen vorsorglich seine Tasche mit Klamotten mitgenommen, sodass er direkt zu Christian fahren konnte. Auch wenn dieser noch nichts davon wusste.

Christian stand gerade im Badezimmer und hatte noch nasse Haare, als es an der Tür klingelte. Überrascht lief er dir wenigen Meter bis dort und schaute genauso überrascht, als er Robert dort stehen sah. Er hatte ehrlich gesagt noch nicht mit ihm gerechnet. Es war immerhin erst früher Abend. Er schaute so verwirrt, dass ihn Robert kurzerhand sanft, aber doch bestimmt in die Wohnung schob.

"Willst du mich heute noch reinlassen?", lachte er.

"Wie? Was machst du denn schon hier?", fragte er etwas überrumpelt.

"Ja, was mache ich schon hier? Jede mögliche Minute mit dir verbringen, würde ich sagen. Außerdem brauche ich etwas Ablenkung nach diesem Tag heute."

Endlich erwachte dann auch Christian aus seiner Überraschung und zog Robert endlich in einen Kuss. Dieser hatte eigentlich nur darauf gewartet. Er war froh, dass er Christian hatte. Dass er auch an solch einem Tag für ihn da war. Dass er da nicht alleine durch musste.

"Wie geht's dir jetzt? Konntest du es schon etwas verarbeiten?", fragte Christian irgendwann. Er wollte die Worte nochmal direkt von Robert hören. Am Telefon konnte er ihm ja viel erzählen, er wollte seine direkte Reaktion sehen.

"Ja, besser als erwartet. Es schien mir als ich gefahren bin nicht so, als ob sie es mir wirklich übel nehmen. Und darüber bin ich wirklich froh. Und auch darüber, dass Andrea mir so gut zugesprochen hat. Ich glaube, sie beginnt langsam die ganze Sache zu respektieren. Akzeptieren vielleicht noch nicht, aber sie hat mir keine Vorwürfe gemacht. Ich glaube das spricht dafür, dass es in die richtige Richtung geht. Und das hoffe ich einfach. Und ich hoffe, dass ich hier heute Abend und heute Nacht willkommen bin."

"Natürlich bist du das.", lachte Christian. "Nichts lieber als das. Ich habs heute eh zu nichts gebracht. Ich war selber zu aufgeregt. Von daher kann auch ich jetzt etwas Ablenkung gebrauchen."

Sie entschlossen sich dann bei einem sehr guten Italiener, den Ihnen Annalena empfohlen hatte, Pizza zu bestellen. Man durfte ja auch mal nicht so gesund essen. Und nach den Ereignissen an diesem Tag war das sowieso erlaubt. Dann musste Christian eben ein bisschen länger auf sein Rudergerät. War auch zu verschmerzen.

"Wann musst du morgen früh los? Ich muss auf jeden Fall direkt ins Finanzministerium, da laufen morgen schon ein paar Umräumarbeiten in meinem neuen Büro."

"Ja ich hab direkt einen Termin morgen früh, aber bei uns in der Parteizentrale. Und dann bin ich den ganzen Tag irgendwie unterwegs von einem Ort zum nächsten. Also ich bezweifle, dass wir uns morgen tagsüber sehen werden."

"Dann lass uns wenigstens den Abend heute noch gut nutzen."

Robert musste schmunzeln. Nach diesem Tag war es gut, dass Christian ihn so auffing. Und dass er bei ihm einfach mal all die Sorgen vergessen konnte. Einmal den ganzen Lärm um sie ausblenden konnte.

Der ganze Lärm um uns Where stories live. Discover now