2

422 23 5
                                    

Als sie die Runde offiziell beenden wollten, erinnerte sie Lindner daran, dass sie eigentlich für den Abend geplant hatten, noch etwas Trinken zu gehen. Wären sie nicht alle so fertig, wären das vermutlich auch nicht das Problem. Doch die meisten klinkten sich aus und wollten wahrscheinlich einfach nur noch zu ihren Familien. Immerhin war es heute gar nicht so spät geworden, der Tag hatte noch einige Stunden. Robert überlegte. Es würde ihm nicht schaden, die Zeit zu nutzen, um mal wieder für Ordnung in seiner Wohnung zu sorgen und etwas Schlaf nach zu holen. Doch andererseits könnte so ein Bier mit den Kollegen beziehungsweise zukünftigen Kollegen auch nicht schaden. Also gab er kurz Bescheid, dass er zumindest erstmal kommen würde.

In der ausgewählten Location angekommen, die sie zum Glück ganz für sich alleine hatten, sah er dann erstmal, wer noch so Alles erschienen war. Auf den ersten Blick erkannte er nur Lindner, Wissing und Klingbeil. Das konnte ja was werden. Er hatte ja absolut nichts gegen den SPD Mann, nein nein, er war ihm durchaus sympathisch. Aber die zwei besten Kumpels von der FDP? Naja, eigentlich war Christian Lindner gar nicht so schlimm, zumindest persönlich, politisch gesehen brauchte er dazu wohl eher nichts zu sagen. Aber Volker Wissing? Mit ihm konnte er noch nie wirklich was anfangen. Nunja, er hatte zum Glück ja immer noch die Möglichkeit, relativ schnell wieder zu gehen.

"Das ist aber echt ne kleine Runde geworden", stellte Habeck dann auch vor den anderen fest.

"Aber noch so hohen Besuch von den Grünen, hätte man ja schon fast nicht mehr mit gerechnet.", erwiderte Wissing.

Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute Robert den FDP Generalsekretär an. Keine Ahnung, was das jetzt sollte.
Um die Stimmung dann doch etwas zu lösen, besorgte Christian für alle ein Bier. Gemeinsam stießen sie an, was durchaus absurd war, denn noch gab es ja nicht wirklich etwas, auf das man anstoßen könnte. Trotzdem war die Stimmung ganz entspannt und Robert unterhielt sich vor allem mit Klingbeil, der ein sehr angenehmer Gesprächspartner war. Auch Christian schaltete sich immer mal wieder ein, redete jedoch die meiste Zeit mit Wissing. Als dieser jedoch irgendwann weg musste, weil er noch unbedingt mit seiner Tochter telefonieren wollte, saßen die drei nur noch alleine da.

"Tja, so ist das, wenn man Kinder hat", lachte Robert. Da konnten die anderen beiden nicht mitreden, immerhin hatten sie beide noch keine Kinder.

"Du musst es ja wissen", erwiderte Christian mit einem Grinsen im Gesicht. Er hatte schon über viele Ecken mitbekommen, wie Roberts Leben vor der Politik mit seinen vier Söhnen verlief.

Robert schaute Christian nur genauso belustigt in die Augen. Die ihn irgendwie fesselten. Eine ganze Weile hielten sie dem stand, bis Klingbeil irgendeine wohl eher irrelevante Frage stellte. Und Robert fragte sich irgendwann, warum er überhaupt noch da war. Viel passierte ehrlich gesagt nicht, trotzdem hatte er nicht das Bedürfnis zu gehen. Lindner schien es ähnlich zu gehen. Klingbeil jedoch verabschiedete sich nach einiger Zeit, er wollte wohl noch mit nem Freund telefonieren oder irgendwie sowas. Hatte Robert nicht so ganz mitbekommen.
Also saß er dort nun alleine mit seinem gestern noch sehr nervenden Kollegen Christian Lindner. Und dieser erzählte wirklich gerne. Wahrscheinlich auch dem Alkohol geschuldet, den beide mittlerweile intus hatten. Erst erzählte er von seinem Wahlkampf, dann irgendwas aus seiner Schulzeit und dann waren sie auch noch bei seiner bevorstehenden Hochzeit gelandet. Keine Ahnung wie, aber es war ganz lustig. Robert erzählte daraufhin dann auch immer etwas von seinen Erfahrungen. Beide merkten, dass der jeweils andere doch ganz nett sein konnte. Zumindest, wenn es mal nicht um Politik ging. Irgendwann äußerte Christian dann auch seine Gedanken:

"Robert, ich wusste gar nicht, dass man sich so gut mit dir unterhalten kann. Warum merke ich das jetzt erst?". Lindner lachte und man merkte, dass der Alkohol durchaus einiges dazu beitrug. Sonst hätte er das wahrscheinlich auch gar nicht so direkt gesagt.

"Naja, zumindest streiten konnten wir bisher ganz gut, würde ich sagen. Wenn ich so die letzten Tage und Wochen bedenke."

Lindner lachte daraufhin wieder nur. Etwas besorgt schaute Robert ihn an. Lindner hatte doch echt noch nicht viel getrunken und trotzdem war er jetzt schon so durch? Naja, hoffentlich kam er nicht auf die Idee, noch mehr zu trinken. Immerhin mussten sie morgen wieder miteinander verhandeln. Deshalb schlug Robert vor, dass sie die Location auch jetzt so langsam mal verlassen sollten, um morgen halbwegs fit zu sein. Der Grünen Politiker hatte da jedoch so seine Zweifel. Als Lindner sich erhob, schwankte er ziemlich heftig hin und her. Konnte der sich nicht mal zusammen reißen? Nein offensichtlich nicht. Ohne Habecks Hilfe schaffte er es kaum ordentlich zu laufen. Und dann stellte er auch noch fest, dass er sein Portemonnaie und seine Schlüssel in seiner Jacke hatte, die er im Gebäude liegen hatte, in dem ihre Verhandlungen stattfinden. In seiner Trunkenheit war er dann plötzlich so verzweifelt, dass Robert nur noch laut aufseufzte.

"Lindner, von mir aus kannst du mit zu mir kommen, ich hab noch ein freies Schlafsofa, auf dem du schlafen kannst. Ich bezweifel, dass du sonst heute noch irgendwas auf die Reihe bekommst."

Stumm willigte Christian ein, er hatte wohl auch kaum eine andere Wahl. Und natürlich war er Robert dankbar.
Sonst wüsste er ehrlich nicht, wo er hin sollte. Sehr sehr ärgerlich. Doch nach dem heutigen Abend fand er es plötzlich gar nicht mehr so schlimm, Zeit in der Nähe von Habeck zu verbringen. Dieser jedoch fühlte sich mit der Situation etwas überfordert, er war immerhin noch deutlich mehr bei Sinnen. Außerdem erinnerte ihn das Ganze an seine ältesten Söhne, die durchaus auch immer mal wieder einen Absturz erlebt hatten und denen er dann auch immer beistehen musste. Irgendwie absurd das Ganze.
In seiner Wohnung angekommen, verfrachtete Robert Christian erstmal an seinen Küchentisch, damit er das Sofa wenigstens noch etwas fertig machen konnte. Sein Blick fiel dabei auf die große Uhr an der Wand, es war noch nichtmal Mitternacht. Also blieb ihnen noch genug Zeit, bis sie am nächsten Morgen wieder weg mussten. Irgendwie lotste er Christian dann auf das Sofa, wo dieser auch nach kürzester Zeit eingeschlafen war. Belustigt schaute Robert sich das an, bevor er sich selber umzog und die Tür seines Schlafzimmers hinter sich schloss. Er stellte sich noch schnell seinen Wecker, damit sie bloß nicht verschliefen.

Irgendwann öffnete Christian seine Augen und schaute sich etwas verwirrt um. Das war definitiv nicht seine gewohnte Umgebung, nicht seine Wohnung, in der er mit seiner Verlobten zusammen lebte. Dann fiel es ihm wieder ein. Für seine Verhältnisse hatte er gestern Abend etwas zu viel getrunken, all seine Sachen vergessen und ist dann mit Robert Habeck nach Hause gegangen. Er hätte sonst auch wirklich nicht gewusst, wo er hin sollte. Immerhin hatte er weder sein Handy, sein Portemonnaie, noch seinen Schlüssel bei sich gehabt. Er schaute sich um und sah an der Wand gegenüber eine Uhr hängen. Es war noch nichtmal 6 Uhr, sie hatten also noch genug Zeit. Offenbar befand sich Christian im Wohnzimmer, vor ihm stand ein Fernseher und ein riesiges Regal mit Büchern. Auch die offene Küche konnte er erkennen, die relativ klein war. Insgesamt schien die Wohnung für seine Verhältnisse relativ klein. Nunja, das war ja auch nicht Roberts Hauptwohnsitz. Von daher auch irgendwie verständlich. Trotzdem hatte er keine Ahnung, wo das Badezimmer war und er wollte auch nicht einfach so in der Wohnung rumlaufen. Dementsprechend beschloss er einfach zu warten, bis irgendwas passieren würde. Als er mal an sich herab schaute, war er nicht sonderlich glücklich. Er hatte natürlich noch sein teures Hemd an, was komplett zerknittert war. Seine Hose sah halbwegs passabel aus, aber so konnte er sich doch niemals raus wagen. Genervt von sich selber seufzte er auf. War wohl wirklich nicht die beste Idee gewesen, gestern Abend Alkohol zu trinken. Hätte er auch vorher drauf kommen können.

Der ganze Lärm um uns Where stories live. Discover now