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Christian wartete darauf, dass Robert weiter sprach. Aber stattdessen stellte sich Stille zwischen ihnen ein. Er merkte, dass es Robert nicht leicht fiel. Überhaupt nicht leicht. Und deshalb rechnete er es ihm so hoch an, was er ihm soeben erklärt hatte.

"Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Es tut mir auf jeden Fall Leid, dass ich dich in diese Situation gebracht habe. Aber du kannst dir sicherlich denken, dass es mich auch etwas freut, dass du eine andere Entscheidung getroffen hast."

"Es ist ja nicht deine Schuld. Ich bin ganz allein Schuld und dafür verantwortlich, was ich tue oder nicht tue."

Da hatte Robert natürlich Recht. Trotzdem war Christian nicht unverantwortlich dafür, dass Robert seine Frau betrogen hatte. Aber gut, das konnte er nun auch nicht mehr ändern.

"Aber wie sollen wir weitermachen? Gibt es überhaupt eine Lösung?" Christian stellte die Frage in den Raum, über die sich beide schon so lange und so viele Gedanken gemacht haben.

"Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, dass es nicht an die Öffentlichkeit kommen sollte. Definitiv nicht. Also egal was wir tun, wir müssen wahnsinnig vorsichtig sein. Und jetzt, wo du deine Trennung öffentlich machen wirst, da wird es nochmal wichtiger. Aber... das heißt gleichzeitig nicht, dass ich nicht mit dir zusammen sein will. Immerhin werde ich...ja, ich werde meine Ehe aufgeben. "

Es kostete ihn nach wie vor Überwindung, diese Worte auszusprechen.

"Ich hab mir natürlich die ganze Zeit diese Frage gestellt und keine gute Lösung gefunden. Aber wie auffällig ist es denn wirklich, wenn wir zusammen gesehen werden? Immerhin ist es ja nicht untypisch, dass man auch überparteilich befreundet ist. Du hast ja immerhin auch Freundschaften mit Mitgliedern der CDU. Und bei mir ist es ja auch nicht so, als ob ich mit niemandem außerhalb der Grünen befreundet wäre. Also zumindest sollten wir es vertreten können, dass man uns zusammen sieht oder dass wir mehr oder weniger freundschaftlich miteinander umgehen."

Christian schaute Robert nachdenklich an. Er hatte schon Recht. Es war nicht ungewöhnlich, dass man einfach befreundet war. Aber in der jetzigen Situation? In der sie beide so gegensätzliche Ansichten vertraten, die sie durchsetzen wollten. Und die gesamte Öffentlichkeit auf sie schaute. Aber es war ein Weg, der möglich war. Und warum sollten sie nicht jede Möglichkeit nutzen?

"Ja, du hast Recht. Wahrscheinlich wäre es vertretbar. Wir müssten also nicht vollständig distanziert sein in der Öffentlichkeit. Nur müssen wir damit rechnen, dass es weiter Gerüchte geben wird. Und wir müssten unfassbar aufpassen, dass es nicht so aussieht, als ob da mehr wäre als Freundschaft. Aber es könnte funktionieren. Aber trotzdem bleibt die Frage, wie wir uns dann treffen können."

"Ja, das ist wohl die schwierigere Frage."

Robert schaute ihn nachdenklich an. Das war ein Problem, was sie nicht leugnen konnten. Man würde sie wahrscheinlich überall erkennen. Und auf Dauer konnten sie sich auch nicht in Roberts Wohnung treffen, das würde auch auffallen.

"Ich hatte eine Idee. Ich brauche ja sowieso eine neue Wohnung, da Franca in unserer alten bleiben wird. Ich könnte mir eine etwas außerhalb von Berlin suchen, wo man etwas mehr Privatsphäre hat. So könnten wir uns vielleicht etwas sicherer fühlen. Auch wenn es natürlich trotzdem riskant wäre. Aber es wäre wahrscheinlich besser, als einfach immer zu dir zu kommen."

Das war logisch, dachte sich Robert. Aber ja, es war auch riskant. Aber so könnten sie sich sehen. Zumindest in ihren eigenen vier Wänden.

"Ich denke, dass die Idee gar nicht schlecht wäre. So könnten wir uns wenigstens überhaupt sehen. Das ist wahrscheinlich besser, als die momentane Situation. Nur ist das Problem, wie willst du so schnell eine Wohnung finden? Das ist in Berlin nicht so ganz einfach." Robert hatte trotz allem seine Zweifel.

"Glaub mir Robert, ich hab ganz gute Kontakte. Es ist manchmal ganz vorteilhaft, eine gute Lobby zu haben.", lachte Christian.

"Nein, aber ehrlich jetzt. Das sollte nicht allzu lange dauern, bis ich etwas geeignetes gefunden habe. Der Umzug wird wahrscheinlich dann länger dauern. Aber ja, das sollte nicht das größte Problem sein."

Robert verdrehte etwas die Augen. Christian und seine Kontakte. So kannte man das von ihm. Aber gut, das wäre ja auch für ihn von Vorteil. Und irgendwie hatten sie damit gerade eine Lösung erarbeitet, wie sie zusammen sein konnten. Und das erleichterte sie beide unfassbar. Auch wenn das bei weitem nicht hieß, dass alles gut war.

"Vielleicht sollten wir noch darüber sprechen, wie wir insbesondere in den nächsten Tagen mit den Koalitionsverhandlungen umgehen. Immerhin werden wir das Thema Finanzministerium nicht umgehen können."

Christian stimmte ihm zu. Sie sollten darüber sprechen, bevor es nachher wieder zu so einem Disaster würde, wie in der letzten Woche.

"Ja, da hast Du Recht. Egal wie das am Ende ausgeht, wir sollten einfach versuchen etwas sachlicher zu bleiben. Beziehungsweise ich muss das machen. Und glaub mir, sowas wie letzte Woche passiert mir nicht nochmal. Und ich glaube, wir sollten uns einfach nicht verübeln, was passieren wird und wer am Ende das Ministerium übernehmen wird. Wir würden es beide gut machen."

"Das denke ich auch."

Damit war auch das abgeschlossen und sie hatten beide nicht das Bedürfnis, noch weiter über Probleme zu reden. Das wichtigste war nun auch fürs erste geklärt.

"Aber solange wir noch hier sind, könnten wir die Zeit ja noch genießen. Wie wäre es, wenn wir nochmal an den Strand gehen?"

Wie konnte Christian da nein sagen. Auch an diesem Sonntag schien die Sonne, auch wenn es kalt und windig war. Dementsprechend warm mussten sie sich anziehen. Aber als sie erneut gemeinsam an dem Strand entlang liefen, war dies eher weniger wichtig. Wichtig war nur die Anwesenheit des jeweils anderen. Denn dies würde in den nächsten Tagen wahrscheinlich kaum möglich sein. Und dann waren sie ja zusätzlich noch an so einem wunderschönen Ort. Am liebsten wären sie beide einfach dort geblieben. Aber ihre Verantwortung verbot es ihnen.

Um die Zeit jedoch noch etwas aus zu kosten, setzten sie sich auf den weichen Sand und schauten auf das Meer. Die Wellen schlugen mal mehr und mal weniger stark auf den Sand. Und es hatte eine beruhigende Wirkung. Robert hielt erneut Christians Hand fest in seiner und lehnte sich an ihn an. Dieser Moment tat so gut. Er fühlte sich so sicher hier an diesem Ort zusammen mit Christian. Hätte man ihm das vor ein paar Wochen, wahrscheinlich sogar vor ein paar Tagen gesagt, dann hätte er wahrscheinlich gelacht und den Kopf geschüttelt. Aber plötzlich war es Realität. Dabei verdrängte er einfach sein schlechtes Gewissen, was er bezüglich Andrea hatte. Das konnte er auch dann zulassen, wenn er nicht mehr mit Christian zusammen Zeit verbringen konnte. Was ja auch in Kürze sein würde. Immerhin mussten sie noch einige Stunden fahren und wollten nicht allzu spät wieder in Berlin sein. Also blieb ihnen nicht mehr allzu viel Zeit.

Christian überlegte in der Zeit, wie er die Trennung von Franca öffentlich machen sollte. Immerhin wollte er dies noch am heutigen Tag tun. Vielleicht sollte er Franca nochmal anschreiben, ob sie sich schon etwas überlegt hatte. Es war wohl ratsam, dass sie es beide veröffentlichten. Aber wie, darüber hatte er sich seit Freitag noch nicht sonderlich viele Gedanken drüber gemacht.

Seitdem war ja auch einiges passiert, was ihn von diesem Thema abgelenkt hatte. Und es lenkte ihn auch wieder ab, als er Roberts Kopf an seiner Schulter spürte.

Hätte man ihm das am Freitag gesagt, als er überlegt hatte, ob er zu Robert fahren sollte. Eigentlich eine total verrückte Idee, wenn man bedacht hat, dass er einige Stunden fahren musste und es so viele Probleme gab. Aber war es auch jetzt noch eine verrückte Idee, wenn er hier so mit Robert an dem Strand saß? Christian befand nicht. Und er war froh, dass er sich dazu entschieden hat, hierhin zu fahren. Und was seitdem alles passiert war. Wahrscheinlich bräuchte Christian erstmal eine gewisse Zeit, um dies zu realisieren. Diese wird er allerdings auch haben, denn beiden war klar, dass sie sich in kürzester Zeit zumindest wieder räumlich trennen müssten, um nach Berlin zu fahren. Und dann würden sie sich erst am nächsten Tag bei den Koalitionsverhandlungen wieder sehen.

Es gibt Lösungen :)) Danke euch allen fürs Lesen, Voten und Kommentieren!

Der ganze Lärm um uns Where stories live. Discover now