-Kapitel 47-

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-Erens Sicht-

Armin und ich betraten den Flügel und nahmen auf einer steinernen Sitzstufe Platz. Die Arena lag unterirdisch, das erklärte auch, weshalb ich sie nie von außen zu Gesicht bekommen hatte. Die Anhänger, die weder draußen bei Hanji noch bei Levi in Mitras waren, befanden sich mit uns im Flügel.

Ich wandte meinen Blick zu Armin. Er klappte seinen Laptop auf und öffnete sogleich ein Fenster, das verschiedene Orte des Hauptquartiers zeigte. Hanji hatte heute Morgen ein paar Kameras angebracht, die alles filmten und auf Armins Laptop übertrugen. Er hatte nämlich die Aufgabe, alles im Blick zu behalten.

,,Armin", fing ich irgendwann an. Der Blondhaarige schaute überracht von seinem Laptop auf und sah mich mit seinen ozeanblauen Augen an. Ich hatte heute kaum ein Wort mit ihm gewechselt, weil ich keine Kraft zum Reden gefunden hatte, deshalb reagierte er so verwundert.

Der Blondschopf schenkte mir ein sanftes Lächeln und wartete darauf, dass ich etwas sagte. ,,Hast du immer noch so viel zu tun?", fragte ich und hoffte, dass dem so war. Ich hatte heute fast den ganzen Tag im Labor verbracht und Armin etwas Arbeit abgenommen, weil ihm die Zeit gefehlt hatte, um alles selbst zu erledigen.

,,Ich würde dir nämlich gerne wieder etwas aushelfen", sagte ich. ,,Du möchtest den Hauptgefreiten meiden, deshalb bietest mir deine Hilfe an, oder?", hakte Armin nach, woraufhin ich nickte. Und weil mir deine Nähe gut tut - ich fühle mich nicht mehr so alleine, setzte ich noch in Gedanken an.

Es wunderte mich nicht, dass Armin mich so einfach durchschaut hatte. Er wusste schließlich, wie es sich anfühlte, die Anwesenheit einer Person ertragen zu müssen, die einem nur Schmerzen zufügte. Erwin hatte ihn sexuell missbraucht und das mit Sicherheit nicht zum ersten Mal. Er hatte so etwas Schreckliches nicht verdient.

,,Ich werde mit Hanji reden und sie spricht dann mit dem Hauptgefreiten. Es ist selbstverständlich, dass du nach einer Möglichkeit suchst, dem Hauptgefreiten zu entkommen. Ich helfe dir gerne... und außerdem habe ich dann etwas Gesellschaft", sagte Armin.

...

Nach einigen Minuten tauchten die ersten Militärpolizisten in den Aufnahmen auf. Sie teilten sich in Gruppen auf, da das Hauptquartier recht groß war. ,,Sie sind da", sprach Armin in ein Funkgerät, ,,eine größere Gruppe befindet sich direkt über dem Flügel auf dem Hof."

Für einen kurzen Moment herrschte Stille, ehe ein lauter Knall ertönte, den ich bis zu meinen Knochen spürte.

BOOM

Ich zuckte heftig zusammen. Was war das?!

,,Armin...?", brachte ich hervor und blickte zu ihm. Er schien sich nicht erschrocken zu haben. ,,Einer der Anhänger hat auf dem Hof über uns eine Explosion ausgelöst...", erklärte Armin, woraufhin jegliche Farbe aus meinem Gesicht verschwand.

Auf dem Hof über uns? Armin hatte doch eben erwähnt, dass sich dort Militärpolizisten befanden. ,,S-sind sie tot?", hakte ich nach, doch Armin antwortete mir nicht, er schwieg.

Ich schaute zögerlich auf den Laptop. In der Aufnahme, die den Teil des Hofes über dem Flügel zeigte, waren Leichen zu sehen oder zumindest das, was von den Militärpolizisten übrig war. Wann hatte das alles endlich ein Ende? Wann...?

,,Eine Gruppe befindet sich im Flur der K-kantine und eine weitere stellt den Stall sicher", Armin sprach erneut in das Funkgerät, nur dieses Mal mit schwacher Stimme. Diese Explosion würde er nicht so einfach vergessen; Armin war kein Mensch, der wollen würde, dass jemand starb - im Gegensatz zu Levi.

Während Armin weiterhin mit dem Funkgerät beschäftigt war, wechselten meine Augen zwischen den verschiedenen Aufnahmen hin und her, bis sie eine der Aufnahmen fixierten. Hanji war in dieser zu sehen, sie befand sich auf einer Treppe, die zu dem Flur führte, in dem die Kantine und somit auch die Gruppe von Militärpolizisten waren.

Sie hielt eine Art Kugel in ihrer Hand, die sie im nächsten Moment in den Flur warf und noch bevor sich die Militärpolizisten zu ihr umdrehten und ihre Waffen auf sie richten konnten, sprang die Kugel mit einem Mal auf und zwang die Polizisten zu Boden. Ihre Körper zuckten heftig - sie standen unter Strom.

,,Sie überleben das", versuchte Armin mich zu beruhigen, als er bemerkte, dass ich die Aufnahme mit geweiteten Augen verfolgte. Hanji wartete kurz, ehe sie den Flur betrat und die Militärpolizisten mit ihren eigenen Handschellen aneinander fesselte und die Schlüssel in ihrer Hosentasche verschwinden ließ.

Doch was sie als nächstes tat, konnte ich nicht sagen. Alle Aufnahmen froren plötzlich ein. ,,Sie haben die Kameras lahmgelegt", teilte Armin den anderen über das Funkgerät mit. ,,Scheiße", ertönte Hanjis Stimme, ,,dann müssen wir wohl ohne Kameras auskommen."

Ich fing unbewusst an, mit meinem Bein auf und ab zu wippen, da mich diese Unwissenheit, was da draußen passierte, beinahe wahnsinnig machte. ,,Eren, ist alles in Ordnung?", fragte Armin besorgt und legte eine Hand auf meinen Arm. ,,Ja", log ich.

Als Armin wieder zum Reden ansetzen wollte, wurde eine der Türen zum Flügel aufgestoßen, aber zu meinem Bedauern war es nicht die Militärpolizei, die in den Raum kam sondern einer von Levis Anhängern, der einen blondhaarigen Mann auf seinem Rücken trug.

,,Armin, ich brauche Hilfe! Einer der Militärpolizisten hat auf Mike geschossen!", rief der Anhänger und setzte Mike auf dem Boden ab. Sofort sprang Armin auf die Beine und eilte zu den beiden. ,,Versuch die Blutung zu stoppen, ich muss etwas holen", sagte Armin, ehe er verschwand.

Der schwarzhaarige Anhänger drückte seine Handflächen auf Mikes Bauch, aber das nütze nicht viel. Es floss immer noch viel Blut aus der Wunde und es schien einfach nicht aufhören zu wollen.

Armin kam mit einer schwarzen Tasche zurück und kniete sich zu dem Verletzten. Ich sah die Panik in seinen Augen. ,,Er verliert zu viel Blut!", sagte Armin und noch bevor er die Tasche öffnete, nahm Mike seinen letzten Atemzug.

Er war tot.

,,Mike...?", ertönte eine Stimme. Ich wandte meinen Blick von den dreien ab und richtete ihn zur Tür. Es war Hanji, sie hatte ihren Blick auf die Leiche gerichtet. Ihre Kleidung war voller Blut, aber es war definitiv nicht das ihres. ,,E-es tut mir leid", brachte Armin mit schwacher Stimme hervor, ,,ich habe ihm nicht mehr helfen können."

Hanji winkte ab und eine Frau tauchte neben ihr auf, die so groß war wie Hanji. Sie legte eine Hand auf ihre Schulter, um ihr Mitgefühl zu zeigen. ,,Die Militärpolizisten haben sich zurückgezogen! Wir haben gewonnen!", rief die Frau.

Meine Augen weiteren sich. Bitte nicht. Das konnte nur bedeuten, dass Levi die Militärpolizisten in Mitras übertrumpft hatte und wieder auf dem Weg hierher war. Weshalb sonst sollten sich die Militärpolizisten aus Shiganshina zurückziehen? Sie waren weit in der Überzahl gewesen.

Hanji ging mit langsamen Schritten auf Mike zu und kniete sich zu ihm. Ich hatte keine Ahnung, wie die beiden zueinander gestanden hatten, aber sie tat mir leid. Es war ein unerträgliches Gefühl, jemanden zu verlieren, der einem wichtig war.

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Be mine [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt