Kapitel 58

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Es war stockdüster als Adrian, Nick und ich aus dem Haus traten. Das Moos auf dem Podest war rutschig. Ich tastete mich in kleinen Schritten vor. Der Wind rauschte in unseren Ohren und über uns leuchteten die Sterne am klaren Nachthimmel. Der Mond war eine schmale Sichel, die ich hinter dem See erkennen konnte und seine Spiegelung im Wasser sah wundervoll aus. Ich hätte mich hier hinsetzen und eine Ewigkeit schweigend auf den See starren können.

»Geht das noch langsamer?«, murrte Adrian.

»Ich will nicht ausrutschen.« Meine Beine zitterten.

Der Lichtkegel von meiner Taschenlampe fiel auf Nicks Sneakers. Die weißen Sohlen würden nach diesem Tag wohl für immer einen schlammigen Braunton annehmen.

»Leuchte mal dorthin!« Adrian deutete zu einer hohen Eiche mit dickem Stamm.

Ich leuchtete zu dem Baum, der kurz vor dem parallel zum Haus verlaufenden Dickicht wuchs.

Wir stiegen von dem Podest herunter und steuerten direkt auf die Eiche zu. Der Waldboden war feucht, fast ein wenig sumpfig. Von den Ästen tropfte uns das Regenwasser in den Nacken.

Adrian nickte.

»Du gräbst.«, beschloss er, schob mich zur Seite und drückte Nick einen verrosteten Spaten in die Hand.

Nick hielt den Spaten unschlüssig in den Händen.

»Fang an« Adrian fummelte an seiner hinteren Hosentasche herum, sein Gesicht währenddessen leicht verzerrt. Dann begann er zu grinsen, als er plötzlich eine Pistole zückte. Ich stolperte vor Schreck einen Meter nach hinten. Nick zögerte nicht länger. Er tat, was Adrian von ihm verlangte. Der erste Spatenstich war schwierig. Feine Wurzeln zogen sich mit der Erde auf dem Spaten in die Höhe, bis Nick sie wieder herunterkippte. Es entstand zügig ein kleines Loch, in das mit dem nächsten Stich wieder schwarze, feuchte Erde rieselte.

Adrian, bewaffnet mit der Pistole, richtete seinen Blick immer mal wieder auf mich. Hin und wieder rieb er sich über das Gesicht, bis er an seinem Kinn ankam und ich wieder das kratzige Geräusch seiner Bartstoppeln unter den Fingerkuppen hören konnte.

»Das hier können wir auch alleine machen« Nick setzte zum nächsten Stich an, »Lass Jackie gehen, Mann.«

Ich leuchtete mit der Taschenlampe auf das Loch im Erdboden, doch meine Augen waren auf Nick fixiert. Er mied meinen Blick.

»Sie hat unsere Beleuchtung.« Adrian strich über sein Hemd. Die Blutflecken würde er nicht mehr aus der Baumwolle herauswaschen können.

»Außerdem gefällt mir, wie sehr es dich quält, wenn sie hier draußen ist.«, meinte er.

Ich sah Nick irritiert an, doch er schaufelte bloß weiter das Loch. Seine Stirn glänzte vom Schweiß und seine hellblaue Hose hatte dunkle Flecken. Bei lauteren Motorengeräuschen von der Hauptstraße, blickte sich Nick panisch um. Erst als er fertig und das Loch im Boden groß genug war, ließ ihn Adrian den Spaten in die Erde stecken. Der hölzerne Griff wippte noch nach, als ich Nick mit der Taschenlampe den Weg zum Podest wies.

»Wie hat es sich angefühlt, über Leben und Tod zu entscheiden?«, hauchte mir Adrian ins Ohr. Ich fuhr vor Schreck zusammen.

Adrian presste mir die Waffe an die Schläfen. Ich schloss schweratmend die Augen. Nur ein Schuss und ich wäre tot. Darum wagte ich es nicht, mich auch nur ein einziges Mal zu bewegen.

»Lass sie in Ruhe!« Nicks Schritte wurden lauter.

Ich öffnete die Augen und stürzte fast über einen Stein, als ich zurücktreten wollte.

Elena - Dem Bösen so nahحيث تعيش القصص. اكتشف الآن